Zum Wegkippen
Der Name hat in Deutschland einen besonderen Klang. Gorbatschow steht für Glasnost, Perestroijka und deutsche Einheit. Und zugleich für den meistverkauften Wodka hier zu Lande.
Und noch eins haben die Namensvettern gemeinsam: den ruhmlosen Showdown. In einem Test von manager magazin stürzte Deutschlands beliebtestes Destillat ebenso jäh ab wie einst der vom Schicksal gebeutelte Reformer. Die Jury attestierte dem marktführenden Russen-Sprit (der in Wahrheit aus Berlin stammt) einen "bitteren Abgang".
Der Wodka, der seit der Amtseinführung des Kreml-Chefs einen beispiellosen Siegeszug unter den Deutschen (von 20 Prozent Marktanteil 1985 auf sagenhafte 40 Prozent heute) erlebte, landete auf dem letzten Platz bei der ausführlichen Geschmacks- prüfung.
Grund für den Wissens-Durst bei mm: Wodka hat Hochkonjunktur. Mochten Edeldestillate wie Cognac oder Malt Whisky auf dem Markt der Hochprozentigen stagnieren, so avancierte das Wässerchen aus Mütterchen Russland zum beliebtesten Branntwein in der internationalen Schnapsszene.
Mit beeindruckenden Zahlen. Die 16 Marktführer setzen jährlich weltweit rund zwei Milliarden Flaschen um, so die New Yorker Impact Databank der "Top 100 Spirit Brands". In Deutschland wurden 1990 bescheidene 12,7 Millionen Flaschen verkauft, Ende des Jahrzehnts waren es bereits 20,6 Millionen.
Wie ist es um die Qualität des Wodka-Angebots bestellt?
Die 20 hier zu Lande meistverkauften Brände aus Russland und Polen, aus Skandinavien, den Niederlanden, Deutschland und den USA wurden von 15 Wodka-Kennern im Blindtest probiert. Aromatisierte Destillate blieben unberücksichtigt: Büffelgras, Cranberrys oder Limonen können einen Wodka durchaus bereichern; sie wurden für diesen Test aber nicht zugelassen, um Vergleichbarkeit zu gewährleisten. Das Ergebnis: Der preisgünstige Gorbatschow fiel völlig durch; aber auch die teuersten Wodkas im Test, Altaï aus Sibirien und Diesel Vodka aus den USA, enttäuschten. Die Verkoster störte das "süßliche Aroma" (Altaï) und ein "durchdringender Heugeruch" (Diesel).
Trotz solcher Ausfälle ist das Ergebnis respektabel. Gleich 11 Wässerchen erreichten mindestens sieben Punkte von zehn möglichen. Überraschung am Rande: Lediglich ein einziger Wodka aus Russland, Moskovskaya, konnte mit den besten Bränden aus dem Westen mithalten.
Deutlich wird das West-Ost-Gefälle bei den Smirnoff-Destillaten: Der Red Label, gebrannt in den USA, wurde klarer Sieger. Der Black Label dagegen, gebrannt in Russland, enttäuschte die Juroren mit fettem Aroma und öligem Geschmack. Und landete auf Platz 16. Wodka-Fabrikanten in Westeuropa, Skandinavien und Nordamerika stellen bei ihren Produkten Reinheit und Unverfälschtheit obenan. Neutraler Geruch und reiner Alkoholgeschmack zeichnen hier den idealen Wodka aus. Diese Rezeptur brachten Emigranten mit, die vor der russischen Revolution 1917 flohen.
Seit Beginn der 90er Jahre - so scheint es - haben sich weltweit die Trinkgewohnheiten verändert. Wo ehedem nur gestandene Mannsbilder zur Wodka-Flasche griffen, langen heute Jung und Alt und auch zunehmend Frauen gemeinschaftlich hin, zur Freude der Marktstrategen.
"Wodka ist die vielseitigste Spirituose", sagt Claus Hansen. Der Marketingdirektor von Seagram Deutschland, zuständig für Absolut Vodka, erklärt das Wodka-Wunder unter anderem mit der dauerhaften Neigung der Nachtschwärmer zu Cocktails und Longdrinks, die häufig Wodka enthalten.
Und Gastronomen preisen gern die Vorzüge des Klaren aus dem Osten. Barchef an der Hamburger Binnenalster und Gastgeber der Testrunde, Marc Ciunis: "Wodka steht für Reinheit und für Natur, für Trinkgenuss ohne Fahne und ohne Kater am nächsten Morgen."
Banausen mögen den Russen-Korn, pur genossen, für geschmacklos halten. Doch eine stetig wachsende Zahl von Liebhabern entdeckt Unterschiede im Aroma, bei Reinheit, Milde und vor allem in der Verträglichkeit. Obwohl Wodka pur niemals die Geschmacksvielfalt entwickeln kann wie Cognac oder wie ein Obstbrand, setzen Hersteller und Vertreiber auf seine segen- spendende Wirkung. Als fröhlich sprudelnden Quell - für Gewinne wie Genüsse. Rüdiger Albert