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Zug nach nirgendwo

Transrapid: Die Magnetschwebebahn hat in Deutschland als Verkehrsmittel keine Chance mehr.
aus manager magazin 3/2000

Der Transrapid ist tot und bewegt doch noch Millionen. Bundesverkehrsminister Reinhard Klimmt (SPD) hat den "flüsternden Pfeil", wie die Befürworter den Schwebezug liebkosten, ganz zum Schweigen verdammt; zu gewagt scheint ihm das Projekt einer Magnetbahn zwischen Berlin und Hamburg. Die neueste Generation des Transrapids, das Modell TR 08, darf trotzdem fahren.

Diskret hat das Konsortium um Thyssen-Krupp

dem Minister generöse Zugeständ- nisse abgerungen. Der TR 08 soll nun auf der Teststrecke im Emsland seine Vorzüge beweisen. Dafür muss der Stelzenkurs aufgerüstet werden. Die Kosten trägt der Bund aus dem Forschungsetat - "ein paar hundert Millionen Mark", wie ein Industrievertreter lässig überschlägt.

Teurer Trost für ein geschlagenes Team. Das Nein zum Projekt Berlin- Hamburg hat den Transrapid-Herstellern schwer zugesetzt. Denn als Verkehrsmittel hat der Magnetschweber in Deutschland jetzt kaum noch eine Chance.

Schuld am Desaster hat nach Ansicht der Industrie nur einer: Hartmut Mehdorn (57), Chef der Deutschen Bahn AG. Im entscheidenden Spitzengespräch auf Einladung Klimmts Anfang Februar habe er das Wort geführt.

Mehdorn legte eine prägnante Rechnung vor. Bei 3,4 Milliarden Mark Kosten nur für das Betriebssystem und - wie vorausgesagt - 8,4 Millionen Passagieren jährlich dauere es ein Vierteljahrhundert, bis das Geld zurückverdient sei. Jede Abweichung verschiebe die Amortisierung ins Utopische. Zuletzt ging die Zahl der Bahnreisenden zwischen Hamburg und Berlin sogar zurück, von 2,6 Millionen auf 2,2 Millionen im Jahr.

Mehdorns Urteil habe seit seinem Amtsantritt Ende vergangenen Jahres festgestanden, grollt die Industrie. Nur zum Schein habe er in einem Brief vom 11. Januar von der Industrie verlangt, das garantierte Nutzungsentgelt der Bahn für den Transrapid-Betrieb müsse gesenkt werden. Beim Spitzengespräch lenkte das Konsortium ein. "Aber da hat das den Mehdorn gar nicht mehr interessiert", sagt ein Beteiligter.

Gescheitert ist die Industrie aber auch an sich selbst. Erst nahmen die Transrapid-Entwickler drei Baukonzerne ins Konsortium, als sei das Mischen von Mörtel bereits Hightech. Vor drei Jahren wandten sich Philipp Holzmann, Hochtief sowie Bilfinger + Berger mit viel Geräusch wieder ab. Zudem drängten Thyssen und Siemens den Bahnhersteller Adtranz zum Beitritt - allein aus optischen Gründen. Thyssen und Siemens wollten partout einen dritten großen Industriepartner vorweisen.

Adtranz, heute eine 100-prozentige DaimlerChrysler-Tochter, entpuppte sich als schlechte Wahl. Ausgerechnet in der kritischen Phase im vergangenen Herbst schoss Adtranz-Chef Rolf Eckrodt (57) quer. Öffentlich applaudierte er den Einwänden Mehdorns.

Der Fehler, keine Frage, lag auch im System. Das Zusammenspiel zwischen Politik und Wirtschaft, als Public Private Partnership verbrämt, klappte nie so recht. Dabei schien die Arbeitsteilung durchaus sinnvoll: Der Bund sollte den Fahrweg bauen und finanzieren, die Industrie die Technik liefern und die Bahn den Zug betreiben.

Soweit die Theo- rie. In der Praxis mangelte es allerdings an kompatiblen Spielregeln. Die Interessen wurden nicht sauber voneinander abgegrenzt, politische Zusagen nicht eindeutig festgeschrieben. "Schwer handhabbare Brüche", diagnostizierte Thyssen-Krupp-Industrie-Chef Eckhard Rohkamm (57) schon im Herbst vergangenen Jahres, als alles noch in halbwegs gerader Spur schien.

Rohkamms betrübliches Fazit über diese Form der Infrastrukturfinanzierung: "problematisch und verbesserungsbedürftig". Thyssen-Krupp will gemischt-wirtschaftliche Konsortien künftig meiden. Für andere Transrapid-Trassen, kündigte Rohkamm bereits an, "liefern wir nur noch die Technik".

Bis Oktober wollen die Konsorten nun Alternativstrecken in Deutschland sichten; innerhalb von zwei Jahren soll darüber definitiv entschieden werden.

Nett gemeint, aber wohl vertane Müh. Die Industrie rechnet bei einer neuen Trasse mit 10 bis 15 Jahren Planungsvorlauf; dann ist der Transrapid längst Wirtschaftsgeschichte.

Vorrangiges Ziel der Transrapid-Entwickler ist denn auch, mit Premieren-Kunden im Ausland ins Geschäft zu kommen, in Holland, China oder den USA. Was aber, wenn auch der Transrapid-Export scheitert?

Dann schwebt der Stelzenzug eben weiter im Emsland. Dort hat der Ausweis teutonischer Hightech-Kunst schon ein kleines Wirtschaftswunder ausgelöst.

Aus dem Touristenprogramm zwischen Papenburg und Meppen ist die Hochbahn nicht mehr wegzudenken. Und für den geplanten Erlebnispark Mobiloskop ist der Transrapid ein "natürlicher Schwerpunkt" - genauso wie die Rekonstruktion eines historischen Torfstecherdorfs.

Michael Machatschke/Dietmar Student

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