Nach Finanzierungsrunde Versicherungs-Start-up Wefox jetzt drei Milliarden Dollar wert

Hat Großes vor: Wefox-Chef Julian Teicke ist vom Zuspruch der Investoren begeistert und will mit seinem Start-up im Versicherungsgewerbe "einer der ganz, ganz Großen" werden
Foto: Luca Fasching/wefoxDie deutsche Fintech-Branche hatte in den vergangenen Monaten kräftig Kapitalzulauf. Kürzlich erst hatte der Berliner Onlinebroker Trade Republic rund 900 Millionen Dollar bei Investoren eingesammelt und seinen Wert damit auf fünf Milliarden Dollar geschraubt, nun sammelt das nächste Unternehmen aus der Hauptstadt einen hohen dreistelligen Millionenbetrag bei Investoren ein. Insgesamt nahm Wefox 650 Millionen Dollar ein und steigerte seinen Marktwert damit auf drei Milliarden Dollar (knapp 2,5 Milliarden Euro), wie das Unternehmen am Dienstag mitteilte.
Das entspricht in etwa einer Verdreifachung zu 2019. Wefox ist damit das bestfinanzierte europäische Versicherungs-Startup. Es sei die größte Kapitalspritze aller Zeiten für ein Versicherungs-Start-up, sagte Firmenchef Julian Teicke (34) am Dienstag: "Wir haben ursprünglich viel weniger Geld einsammeln wollen. Die Nachfrage war gigantisch."
Bereits im ersten Quartal waren die Investitionen in deutsche Start-ups laut einer Untersuchung des Datenanbieters Refinitiv auf den höchsten jemals aufgezeichneten Wert gestiegen. Die größte Finanzierungsrunde in diesem Zeitraum stemmte der Lebensmittel-Lieferdienst Gorillas, der 245 Millionen Euro bei Investoren einsammelte. Im zweiten Quartal stieg dann Trade Republic mit eingenommenen 900 Millionen Dollar zu einem der wertvollsten europäischen Fintechs auf.
Expansion zunächst in Europa geplant
Wefox sei hervorragend aufgestellt, um das Thema "Versicherung" in Europa und dann global neu zu definieren, betonte Teicke. Man wolle künftig im Versicherungsgewerbe "einer der ganz, ganz Großen" sein. "Wir wollen bis Ende 2030 einer der dominanten Versicherungsplayer weltweit werden. Und dieses Investment ermöglicht uns, in einer höheren Liga mitzuspielen."
Mit dem frischen Geld will Wefox langfristig auch in die USA und Asien expandieren, wo börsennotierte Konkurrenten wie das von der Allianz mitfinanzierte Start-up Lemonade oder Root bereits im Markt sind. Zunächst aber will die 2015 gegründete Firma ihre bisherigen Aktivitäten in Deutschland, Schweiz, Österreich und Polen auf weitere europäische Länder wie Italien, Frankreich und Spanien ausdehnen und neue Produkte anbieten. Bisher verkauft Wefox vor allem Hausrats-, Kfz- und Privathaftpflichtversicherungen, denkt aber über den Einstieg in Lebensversicherungen nach.
Wefox werde das Geld aus der Finanzierungsrunde auch in die IT-Entwicklung stecken, um damit "wirklich Technologieführer zu werden". "Herkömmliche Versicherer haben im Durchschnitt einen Automatisierungsgrad von 10 bis 15 Prozent. Wir sind heute schon bei 80 Prozent und wollen auf 90 Prozent. Damit werden 9 von 10 Geschäftsprozesse bei Wefox ohne menschliche Interaktion durchgeführt." Dies senke die Kosten und steigere die Kundenzufriedenheit, weil Schäden schnell beglichen würden.
Wefox setzt voll auf Automatisierung und KI
Mithilfe von künstlicher Intelligenz will Wefox aber auch dazu beitragen, dass bestimmte Schäden erst gar nicht entstehen. So könnten Skifahrer vor einem heraufziehenden Sturm oder Touristen in einer Metropole vor Taschendieben in der Umgebung gewarnt werden.
Die neue Runde wurde vom Wagniskapitalgeber Target Global angeführt. Zudem kamen beispielsweise LGT aus Liechtenstein und die Schweizer Partners Group neu an Bord. Bestandsinvestoren wie der kanadische Pensionsfonds OMERS, Mubadala Ventures aus Abu Dhabi, der britische Merian Chrysalis und der Samsung Catalyst Fund von Samsung Electronics sowie Salesforce Ventures des gleichnamigen US-Softwareanbieters und Sound Ventures von US-Hollywood-Schauspieler Ashton Kutcher beteiligten sich ebenfalls.
Umsatz soll sich erneut verdoppeln
Im vergangenen Jahr verdoppelte Wefox den Umsatz auf mehr als 140 Millionen Dollar. In diesem Jahr soll es zu 350 Millionen Dollar reichen. Wefox fusst auf zwei Säulen: Zum einen vertreibt das Start-up eigene Policen und betreibt zum anderen die Plattform Wefox, über die Versicherungsmakler die Policen ihrer Kunden digital verwalten können. Dafür kassiert Wefox Provisionen von den Versicherern, was den Großteil des Geschäfts ausmacht.
Ziel sei es, das Maklergeschäft zu digitalisieren, sagte Teicke und verwies darauf, dass in den USA noch neun von zehn Policen durch Makler oder Vermittler verkauft würden. Einblick in die bis dato verkauften Wefox-Policen oder eigenen Kunden wollen die Berliner mit Verweis auf die Konkurrenz genauso wenig bekannt geben wie die Zahl der über ihre Plattform agierenden Makler.
Wefox-Gründer Teicke und Dario Fazlic (35) hatten 2015 ihr Gutscheinunternehmen Dein Deal verkauft, bevor sie sich der Fintech-Branche zuwandten. Ursprünglich hatte Teicke wenig Interesse an einem Versicherungs-Start-up: Er kannte das Geschäft, denn sein Vater Hartmut hatte selbst einen Strukturvertrieb aufgebaut und an AWD-Gründer Carsten Maschmeyer (62) verkauft.
Bei einem Meeting mit einem potenziellen Insurtech-Investor punktete Teicke aber mit seinem Verkaufstalent – und hatte nach einer dreiviertel Stunde bereits eine Zusage für 300.000 Dollar in der Tasche. Ihm sei danach nichts mehr anderes übrig geblieben, als anzufangen, erzählte er manager magazin 2019 . Mittlerweile hat der Digital-Versicherungsmakler mehr als 600 Mitarbeiter und zählte zuletzt acht Standorte.