Was macht eigentlich Klaus Wiegandt?
Klaus Wiegandt war gerade erst Anfang 50 und als Vorstandschef der Metro-Tochter Asko noch aktiv im Beruf. Doch schon damals machte er sich Gedanken über das Leben danach - nicht nur über das eigene, sondern auch über den Absturz vieler Managerkollegen in das Nichts des Ruhestands.
Eine Schande sei es, hoch qualifizierte Leute von heute auf morgen aufs Altenteil zu setzen, konstatierte Wiegandt im Freundeskreis, zu dem der im Badischen lebende Maler Martin Rabe gehörte. Warum nicht eine Art Seniorenhochschule gründen? Eine Einrichtung, die sich den Wurzeln der europäischen Kultur widmen könnte - und zwar weit über Volkshochschulniveau?
Die Runde war begeistert von der Idee. Das Projekt wurde fest vereinbart - für die Zeit nach Wiegandts Pensionierung, die er für Anfang 1999 anpeilte. Erst dann würde er sich auf die Suche nach den notwendigen Sponsoren machen können.
Doch Rabe und Freunde wollten nicht warten; schon 1995 drängelten sie. Wiegandt sagte moralische und finanzielle Unterstützung zu, aber vor- erst keinen Arbeitseinsatz. Schließlich hatte Metro-Aufsichtsratschef Erwin Conradi ihn gerade erst als künftigen Vorstandssprecher der Metro AG verpflichtet.
Der Standort für die Schule war schnell gefunden. Holzen im Markgräfler Land sollte es sein - dort, wo Rabe zu Hause ist. Die zum Freundeskreis gehörende Herforder Fabrikantenwitwe Rosemarie Nolting spendierte 7 Millionen Mark für das Gebäude.
Mit renommierten Professoren nahm die "Hochschule Holzen in Gründung" Ende 1996 den Lehrbetrieb auf. 50 Studenten, Altersschnitt Anfang 60, beschäftigen sich seither mit Kunst und Kultur, mit Wertordnungen und Politik. Während des dreijährigen Studiums sollen die Absolventen befähigt werden, öffentliche Kulturaufgaben zu übernehmen.
Wer sich bewerben will (Hochschu- le Holzen, Kirchstraße 8, 79400 Kandern-Holzen, Telefon: 0 76 26/9 15 80, www.ub.uni-freiburg.de/holzen), muss Lebens- und Berufserfahrung mitbringen, zudem die Bereitschaft, wissenschaftlich zu arbeiten und 5850 Mark pro Jahr zu bezahlen.
Die Studiengebühren decken den Jahresetat von 1,2 Millionen Mark bei weitem nicht. Um das Defizit sorgt sich Wiegandt, seitdem er sich Ende 1998 mit 59 Jahren von der Metro verabschiedete. Die Asko-Europa-Stiftung sagte ihm Hilfe zu, ebenfalls die Robert Bosch Stiftung; die Lidl Stiftung spendete eine Million Mark.
Zudem gründet Wiegandt, der bisher eine Million gab, nun selbst eine "Stiftung für nachberufliche wissenschaftliche Weiterbildung", die er mit einer weiteren Million ausstattet. Auf diese Weise ist der Etat der Hochschule vorerst gesichert.
Hierdurch bekommt Wiegandt Frei- raum für anderes, zum Beispiel für Schach. Als Jugendlicher hatte er im Verein gespielt; nach seinem Abschied von der Metro überredete er einen Großmeister, ihn zu trainieren. Seit Anfang 1999 spielen beide jede Woche einen Tag lang gegeneinander.
Dann gibt es im Leben des Ruheständlers noch die Landwirtschaft. In Irland besitzt er eine Farm mit 1000 Schafen. Dort - nicht weit entfernt von der Araberzucht seines ehemaligen Vorgesetzten Conradi - verbringt Wiegandt regelmäßig den Sommer.
Wenn er irgendwann genug hat von Schach und Schafen, will er sich selbst bei der Hochschule Holzen einschreiben. Aber das kann noch ein paar Jahre dauern. Sören Jensen