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"Unsinnige Kurse"

Euro: Geldexperte Bofinger über den niedrigen Wechselkurs und die Strategie der Bundesbank.
aus manager magazin 3/2000

mm Sie gehörten zu den engagiertesten Befürwortern einer gemeinsamen europäi- schen Währung. Sind Sie enttäuscht von der Entwicklung des Euro-Außenwerts?

Bofinger Im Gegenteil. Ich fühle mich durch die Entwicklung der vergangenen 13 Monate bestätigt.

mm Wie das?

Bofinger Der Euro ist ja gerade deswegen eingeführt worden, damit man innerhalb Eurolands nicht mehr durch die Kapriolen der Devisenmärkte gestört wird. Und was wir jetzt hier sehen, zeigt, wie unsinnig die Kursverläufe sind, die sich durch den Devisenmarkt ergeben.

mm Sie meinen, es gibt keinen rational nachvollziehba-

ren Grund für die Euroschwäche?

Bofinger

Genau. Neh- men Sie den Kurs des Euro gegenüber

dem Yen. Da ist die Abwertung noch heftiger als gegenüber dem Dollar, obwohl alle Faktoren für einen extrem starken Euro sprechen.

mm Weil die japanische Situation schlechter ist als die europäische?

Bofinger Ja. Das japanische Fiskaldefizit ist erschreckend. Das Wachstum liegt bei null, die Zinsen sind bei null. Die strukturellen Probleme Japans sind immens. Es gäbe nicht den geringsten Grund, dass der Euro gegenüber dem Yen an Wert verliert.

mm Sehen Sie dennoch einen rationalen Grund für die Euro-Schwäche, vor allem gegenüber dem Dollar?

Bofinger Nein. Im Gegenteil, volkswirtschaftlich würde vor allem das enorme Leistungsbilanzdefizit der USA für einen schwachen Dollar sprechen.

mm Es wird immer gesagt, dass der Reformstau in Europa zu dieser Euroschwäche geführt hat.

Bofinger Der Aktienmarkt scheint von diesem Reformstau ja nichts zu spüren, da scheinen die Bäume in den Himmel zu wachsen. Das heißt, einer dieser beiden Märkte, der Devisenmarkt oder der Aktienmarkt, muss verrückt spielen.

mm Sollte die Europäische Zentralbank mehr Kurspflege betreiben?

Bofinger Auf keinen Fall.

mm Sie finden die Linie der EZB richtig?

Bofinger Absolut. Die EZB muss sich verhalten wie bisher die US-Notenbank. Der Grundsatz lautet: Es ist unsere Währung, aber euer Prob- lem.

mm Weil die heimische Industrie profitiert?

Bofinger Die Unternehmen im Eu- roland machen unglaubliche Gewinne durch diese Abwertung. Im Prinzip bedeutet die derzeitige Schwäche des Euros, dass die Kosten in Euroland gegenüber dem Dollar-Raum um fast 20 Prozent gesenkt worden sind.

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