Das "trojanische Pferd" Chinas US-Regierung will Tiktok landesweit verbieten

Die USA erwägen die Nutzung der Kurzvideo-App Tiktok aufgrund seiner Nähe zu China landesweit zu verbieten. Seit dieser Woche gilt schon ein Verbot für Regierungsmitarbeiter auf Diensthandys. Viele andere Länder haben ähnliche Pläne.
Sprecherin des Weißen Hauses, Karine Jean-Pierre: "Wir haben Bedenken, was das Sammeln von Daten von Amerikanern betrifft und das mögliche Risiko für die nationale Sicherheit"

Sprecherin des Weißen Hauses, Karine Jean-Pierre: "Wir haben Bedenken, was das Sammeln von Daten von Amerikanern betrifft und das mögliche Risiko für die nationale Sicherheit"

Foto: MICHAEL REYNOLDS / EPA

Die US-Regierung hat Tiktok erneut als mögliches Risiko für die nationale Sicherheit bezeichnet. "Wir haben Bedenken, was das Sammeln von Daten von Amerikanern betrifft und das mögliche Risiko für die nationale Sicherheit", sagte die Sprecherin des Weißen Hauses, Karine Jean-Pierre (48), am Mittwoch mit Blick auf Bemühungen, Tiktok in den USA zu verbieten.

Der Auswärtige Ausschuss im US-Repräsentantenhaus brachte am Mittwoch einen Gesetzentwurf auf den Weg, der es Präsident Joe Biden (80) erlauben würde, Tiktok in den USA zu verbieten. "Tiktok ist ein modernes trojanische Pferd der Kommunistischen Partei Chinas, das dazu verwendet wird, persönliche Informationen von Amerikanern zu überwachen und auszunutzen", sagte der Vorsitzende des Ausschusses, der republikanische Abgeordnete Michael McCaul. Noch ist der Vorschlag aber kein Gesetz. Erst muss im Plenum des Parlaments darüber abgestimmt werden, bevor er dem Senat vorgelegt werden kann.

Tiktok erklärte, ein derartiges Gesetz hätte beträchtliche negative Auswirkungen auf das Recht auf freie Meinungsäußerung von Millionen Amerikanern, die Tiktok nutzten und liebten.

Verbot für Regierungshandys gilt bereits

Das Weiße Haus hatte die Social-Media-App, die zum chinesischen Techkonzern Bytedance gehört, am Montag auf Regierungshandys verboten. Auch das US-Repräsentantenhaus, das Außenamt sowie die Ministerien für Verteidigung und Heimatschutz haben die Nutzung untersagt. Über die Hälfte der US-Bundesstaaten hat Tiktok auf Diensthandys ebenfalls verboten. Zahlreiche Universitäten des Landes blockieren zudem den Zugang zur Videoplattform über ihre Wlan-Netze.

Peking kritisierte das Verbot. Außenamtssprecherin Mao Ning (50) sagte, die USA müssten "die ungerechtfertigte Unterdrückung relevanter Unternehmen beenden und ein offenes, faires und diskriminierungsfreies Umfeld für Unternehmen aus aller Welt schaffen".

Weltweit schränken Regierungen Nutzung ein

Auch in anderen Teilen der Welt steht die Kurzvideo-App wegen der Nähe zur chinesischen Regierung und der Sorge vor Datenabfluss in der Kritik . Zahlreiche Staaten befürchten, dass sie die öffentliche Meinung manipulieren kann. Aus diesem Grund haben folgende Staaten die Nutzung von Tiktok bereits teilweise verboten oder planen einen solchen Schritt:

  • Deutschland: Bediensteten des Bundespresseamts ist die Nutzung von Tiktok auf ihren dienstlichen Geräten untersagt. Die Regierung prüfe immer wieder, ob sie dort aktiv werden wolle, sagte der Regierungssprecher. Einem Medienbericht zufolge prüfte das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) mögliche Risiken der App. Die Ergebnisse dieser Untersuchung wurden zunächst nicht öffentlich gemacht. Der Beauftragte für Datenschutz (BfDI), Ulrich Kelber, hat nach eigenen Aussagen bereits 2021 sämtlichen Bundesministerien und -behörden von einer Installation der App auf Diensthandys abgeraten.

  • Europäische Union: Beschäftigte der EU-Kommission dürfen Tiktok auf dienstlichen Geräten nicht nutzen. Dies gelte auch für private Geräte, die bei der Kommission angemeldet seien. Die Maßnahme ziele darauf ab, die Kommission vor Cyber-Bedrohungen zu schützen.

  • Lettland: Das lettische Außenministerium hat aus Sicherheitsgründen die Nutzung der App auf Diensthandys und anderen offiziellen Geräten untersagt. Dabei handle es sich um eine präventive Maßnahme, die vom internen Sicherheitsdienst des Ministeriums empfohlen worden sei, sagte eine Sprecherin am Donnerstag in Riga dem lettischen Rundfunk.

  • Kanada: Die kanadische Regierung verbannt Tiktok wegen "inakzeptabler Risiken" von sämtlichen Diensthandys, obwohl es bislang keine konkreten Anhaltspunkte für den Abfluss von Daten gebe. Ministerpräsident Justin Trudeau schloss dennoch weitere Schritte gegen die App nicht aus.

  • Indien: Das Land verbot bereits 2020 Tiktok und Dutzende andere Apps chinesischer Firmen landesweit, als die Spannungen mit dem Nachbarstaat wegen des umstrittenen Grenzverlaufs in der Himalaya-Region wieder zugenommen hatten. Es begründete die Entscheidung mit Risiken für die nationale Sicherheit. Die Regierung in Peking sieht darin einen Verstoß gegen die Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) und fordert die Aufhebung des Banns.

  • Taiwan: Der Inselstaat verbannte Tiktok und einige andere chinesische Apps Ende 2022 von staatlichen Smartphones. Außerdem leitete die Regierung eine Untersuchung wegen mutmaßlicher illegaler Aktionen ein. Die Regierung in Peking betrachtet Taiwan als Teil des chinesischen Staatsgebiets.

  • Afghanistan: In Afghanistan wird ein Verbot von Tiktok und des Video-Kampfspiels PUBG des chinesischen Konzerns Tencent diskutiert. Den regierenden Taliban zufolge bringen diese Programme die Jugend des Landes "vom Weg ab".

  • Pakistan: Die pakistanische Regierung hat Tiktok mindestens viermal vorübergehend verboten. Der bislang letzte Bann wegen angeblich unmoralischer und anstößiger Inhalte endete im November 2022.

Zeitlimits für Jugendliche

Tiktok selbst plant die Nutzung bei Minderjährigen auf eine Stunde täglich begrenzen. Konten von Nutzern unter 18 Jahren hätten automatisch ein Zeitlimit von einer Stunde pro Tag, teilte das Unternehmen am Mittwoch in einem Blog mit. Minderjährige müssten ein Passwort eingeben, um die App weiter nutzen zu können. Sollten sie das Tageslimit aufheben und mehr als 100 Minuten pro Tag auf Tiktok aktiv sein, wolle die App sie künftig mit einem Hinweis auffordern, sich ein Zeitlimit zu setzen. Ferner würden Eltern nun auch in der Lage sein, individuelle Zeitlimits für die Tiktok-Nutzung ihrer Kinder je nach Wochentag festzulegen. Ferner kündigte Tiktok an, ein Programm entwickeln zu wollen, mit dem Eltern verhindern können, dass ihre Kinder Inhalte mit bestimmten Wörtern oder Hashtags sehen können.

Da die Kurzvideo-App bei Jugendlichen sehr beliebt ist, hat Tiktok auch für Unternehmen enorm an Bedeutung gewonnen, etwa um Nachwuchstalente der Generation Z zu gewinnen, wie Recruiting-Berater empfehlen .

dri/dpa-afxp, Reuters
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