Softwarehersteller SAP streicht nach Gewinnrückgang 3000 Stellen

Streicht 3000 Stellen: SAP-Vorstandschef Christian Klein hofft auf das Cloud-Geschäft
Foto: Uwe Anspach / dpaEuropas größter Softwarehersteller SAP reiht sich mit dem Abbau Tausender Stellen in die jüngste Entlassungswelle in der weltweiten Technologiebranche ein. Bei der Umstrukturierung sollen 3000 Stellen wegfallen, kündigte Vorstandschef Christian Klein (42) am Donnerstag in Walldorf an. In Deutschland sollen 200 Mitarbeiter betroffen sein. Insgesamt beschäftigte der Software-Konzern zum Jahreswechsel weltweit rund 112.000 Menschen.
SAP wolle sich mit dem Jobabbau auf das Wachstum im angestammten Bereich mit Software zur Unternehmenssteuerung (ERP) konzentrieren, sagte Klein. Die Einschnitte werde es in anderen Bereichen geben. Der scheidende Finanzchef Luka Mucic (51) gab an, dass es auch Entlassungen geben dürfte. Das Unternehmen wolle die jährlichen Kosten mit dem Schritt um 350 Millionen Euro senken. Diese Einsparungen dürften aber großteils erst 2024 zum Tragen kommen.

Abgang eines Urgesteins: Luka Mucic (r.) ist seit 2014 Finanzvorstand von SAP, sein für März angekündigtes Ausscheiden aus dem Vorstand hatte intern für Unruhe gesorgt. Der Auftritt auf der Bilanz-Pressekonferenz mit CEO Christian Klein war sein letzter großer.
Foto: Uwe Anspach / dpaDas abgelaufene Geschäftsjahr war nicht leicht für den Softwarehersteller. Der Rückzug aus Russland und höhere Ausgaben für Forschung und Entwicklung brockten SAP im vergangenen Jahr einen Gewinnrückgang ein; hinzu kommen die teuren Investitionen ins Cloud-Geschäft. Das um Sondereffekte bereinigte Ergebnis vor Zinsen und Steuern schrumpfte im vergangenen Jahr um 2 Prozent auf 8,03 Milliarden Euro, wie SAP mitteilte. Der Jahresumsatz stieg zwar auch dank der anziehenden Geschäfte mit Cloudsoftware um 11 Prozent auf 30,9 Milliarden Euro. Ohne Währungseffekte aufgrund des schwachen Euro wäre der Erlös aber nur um 5 Prozent gewachsen.
SAP enttäuscht Analysten
Damit blieb SAP etwas hinter den Markterwartungen zurück. Unter dem Strich sackte der Nettogewinn um gut zwei Drittel auf 1,71 Milliarden Euro ab, vor allem weil die Risiko-Beteiligungen an Start-ups nicht so viel Bewertungserträge beisteuerten wie zuvor. Die Aktie des Dax-Schwergewichts gab am Donnerstag zunächst deutlich nach. Insgesamt hat der Konzern seit Beginn des vergangenen Jahres rund ein Fünftel seines Werts verloren, aktuell wird er noch mit rund 127 Milliarden Euro bewertet.
2023 soll nach zwei mageren Jahren will Konzernchef Klein wieder spürbar mehr Gewinn aus dem Tagesgeschäft einfahren. Größter Hoffnungsträger: das Cloud-Geschäft, Kleins Lieblingsthema. Er glaubt, nach schweren Transformationsjahren nun einen Wendepunkt erreicht zu haben. "SAP ist jetzt ein richtiges Cloud-Unternehmen."
Mit der Cloudsoftware will er im laufenden Jahr währungsbereinigt zwischen 22 und 25 Prozent mehr Umsatz machen, im gesamten Produktumsatz erwartet der CEO ein Plus zwischen 6 und 8 Prozent. Seinen zuletzt unruhigen Investoren verspricht er wieder steigende Gewinne. Insgesamt, so die Prognose, rechnet er mit einem währungsbereinigten Anstieg des um Sondereffekte bereinigten Ergebnisses vor Zinsen und Steuern (bereinigtes Ebit) um 10 bis 13 Prozent.
"Wir haben nicht zuviel eingestellt"
Zur schon länger in Aussicht gestellten Wende beim operativen Ergebnis dürften die Stellenstreichungen in diesem Jahr noch nicht viel beitragen, sagte Finanzchef Mucic. Die jährlichen Kosten sollen durch den Schritt um bis zu 350 Millionen Euro sinken. Vor allem ab 2024 komme das zum Tragen. Die Belastungen für Abfindungen taxierte er auf 250 bis 300 Millionen Euro. Der vom Unternehmen als "gezielte Restrukturierung" bezeichnete Jobabbau wird demnach keine Vorruhestandregelungen umfassen. Stattdessen will SAP da abbauen, wo man derzeit eher weniger Erfolg hat - im Bereich der Kundenmanagementsoftware (CRM) etwa, das stärker in die Branchenlösungen für unterschiedliche Wirtschaftszweige integriert werden soll.
Die Entlassungswelle, die zuvor schon US-Techkonzerne wie Google, Microsoft, Amazon oder Salesforce erreicht hatte, trifft damit auch den wichtigsten Softwarekonzern Europas. Ähnlich wie die US-Konkurrenten hatte auch SAP in den vergangenen Jahren massiv eingestellt. Im Laufe des Jahres 2022 war die Mitarbeiterzahl um 4500 gestiegen. "Wir haben definitiv nicht zu viel eingestellt", verteidigte Klein sich auf der Bilanzpressekonferenz in Walldorf. Er grenzte sich damit gegen Eingeständnisse etwa von Google-Chef Sundar Pichai (50) ab, der nach eigenen Worten "für eine andere wirtschaftliche Realität" eingestellt hatte.
Der Qualtrics-Irrtum soll Milliarden bringen
Parallel dazu gab Klein bekannt, einen Verkauf der Beteiligung an Qualtrics prüfen zu wollen. Sein Vorgänger Bill McDermott (61) hatte die Datenanalyse-Firma 2018 für teure acht Milliarden Dollar übernommen. Ein Verkauf könne die Profitabilität heben und mehr Fokus auf die Kerngeschäfte erlauben, sagte Klein nun.
Der Vorstoß in die Marktforschung, vor allem um den US-Rivalen Salesforce in dessen Domäne bei Vertriebs- und Kundenmanagementsoftware anzugreifen, kann damit wohl als gescheitert gelten. Ohnehin hatte SAP die Tochterfirma 2021 bereits in Teilen an die US-Börse gebraucht und damit eingestanden, sie nicht richtig in das Stammgeschäft integrieren zu können. Dort wurde Qualtrics zuletzt nur noch mit nicht mal mehr 7 Milliarden Dollar bewertet. SAP hält laut Finanzchef Mucic nominal noch 71 Prozent der Anteile, doch über die teuren Vereinbarungen für aktienbasierte Vergütungen in der Firma sind es verwässert durch neue Anteile nur noch 61 Prozent. Nun hofft er auf einen guten Verkaufserlös. Und immerhin: Nach der Ankündigung stieg die Qualtrics-Aktie um rund ein Drittel.