Führungsqualitäten Wer Erfolg haben will, darf kein Arschloch sein

Marcus Diekmann
Johannes Kliesch
Eine Kolumne von Marcus Diekmann und Johannes Kliesch
Der Silicon-Valley-Kult um menschlich eher fragwürdige Führungs- und Gründerfiguren ist nichts zum Nachahmen. Denn der am meisten unterschätzte Erfolgsfaktor für Führungskräfte ist: Inspirationsfähigkeit. Und die lässt sich trainieren.
"Drisch deine Excel-Listen, aber niemals deine Leute"

"Drisch deine Excel-Listen, aber niemals deine Leute"

Foto: Westend61 / Getty Images

Keine Zeit? Hier die Executive Summary:

  • Operative Exzellenz ist für die Beurteilung von Führungskräften völlig überbewertet. Worauf es viel mehr ankommt: die Fähigkeit, Leute mitzureißen.

  • Der Mythos des Business-Genies, das eine zwischenmenschliche Vollkatastrophe ist, ist genau das: ein Mythos.

  • Leute zu motivieren, kann man lernen. Und eine der besten Investitionen, um den Spaßfaktor im Team hochzutreiben: der Kauf einer Spielekonsole. Vorausgesetzt, man spielt selbst mit.

Das Autoren-Team
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privat

Marcus Diekmann und Johannes Kliesch (l.) schreiben seit Januar 2023 regelmäßig eine Kolumne zu Tech- und Start-up-Themen für das manager magazin. Digital-Unternehmer Diekmann ist Beirat von Rose Bikes, wo er lange Co-CEO war; er ist parallel Investor und engagiert bei Unternehmen wie Shopware oder Scala. Kliesch ist Co-Gründer der Lifestyle-Modemarke Snocks, mit speziellem Fokus auf Social-Media-Branding. Gemeinsam haben sie mit prominenten Partnern die Founders League gegründet, eine Plattform für Business-Angels und Investoren im deutschsprachigen Raum.

Als Investoren fragen wir uns oft: Was sind eigentlich die Faktoren für Erfolg eines Start-ups? Oder übertragen auf die Welt der Konzerne: Woran kann man möglichst früh festmachen, ob ein Team seine Ziele erreichen wird oder nicht? In der ersten Folge unserer Kolumne haben wir dargelegt, dass dabei oft die falschen Parameter angelegt werden. Es schien uns darum passend, uns dem am meisten unterschätzten Faktor für den Erfolg von Teams zu widmen: der Inspirationsfähigkeit der Anführerinnen und Anführer.

Was wir darunter verstehen? Das Talent, zu begeistern. Leuten das Gefühl zu geben, sie seien wichtig und wertvoll. Die Fähigkeit, Alltagssituationen mit ein bisschen Frühling aufzuladen, lächeln zu können, Spaß zu verbreiten. Kurz: ein Team mitzureißen.

Natürlich, abgesehen von irgendwelchen Troglodyten-Chefs da draußen, wird kaum jemand die Wichtigkeit von Führungskompetenzen bestreiten. Aber Leadership und Inspirationsfähigkeit – das ist nicht ganz dasselbe. Die meisten Menschen sind auch keine Jerks, und trotzdem fehlt ihnen das Zeug fürs Siegertreppchen. Warum? Weil sie ihren Mitmenschen nicht das Gefühl vermitteln, etwas Besonderes zu sein. Sie leuchten nicht.

Es gibt darüber keine Statistik, aber für uns ist das einer der Hauptfaktoren, ob sich unternehmerische Ambitionen bei Start-ups oder, liebe Gehaltsempfänger, Konzernkarrieren realisieren oder ob sie sich in Richtung Konjunktiv 2 bewegen.

Vergiss deine Business-Details

Achtet mal drauf: Es sind die Leute in der ersten Reihe, die Vorstände, die Tripple-A's der deutschen Wirtschaft, die in aller Regel ausgesprochen charismatische Erscheinungen sind. Die können smalltalken, sind aufmerksam und herzlich. Wenn die reden, hört ihnen der Raum zu. Und es sind die zweiten, dritten, achten Führungskreise, in denen die Graumänner und -frauen sich die Füße platttreten. Wir haben das so oft erlebt: Da sprichst du mit jemandem, der ist charming und leutselig und was nicht noch – und in dem Moment, in dem du es mit der operativen Ebene zu tun bekommst, fällt die Raumtemperatur auf Energiekrisenniveau. Das ist kein Zufall. Das ist der Unterschied zwischen denen, die es drauf haben, und denen, die es gerne hätten.

Mag das für Chefinnen und Chefs im Allgemeinen gelten, gilt das für Gründerinnen und Gründer umso mehr: Es ist nicht irgendein fremdes Unternehmen, dem sie als Motivations-Pfropf ein paar Prozentpünktchen Ebit kosten. Es ist ihr eigenes, und ihre Unfähigkeit, Leute mitzuziehen, kostet sie vielleicht die Existenz.

Einer von uns, Johannes, ist mal einem Bundesliga-Trainer direkt vor einem wichtigen Spiel im Stadion begegnet. "Bist du aufgeregt?", hat er ihn gefragt. Die Antwort war: "Nö, gar nicht. Um die Aufstellung und alles andere kümmern sich meine Co-Trainer. Ich muss nur dafür sorgen, dass die Leute gute Laune haben." Was für ein toller, kluger Satz!

Die Operative wird bei der Auswahl und Bewertung von Führungskräften völlig überbewertet. Prozesse, KPIs, Strukturen, Artikelnummern, alles wichtig. Aber mal ganz ehrlich: Welches Start-up hat wirklich exzellente Prozesse? Und was nützen die, wenn die Mannschaft so drauf ist wie die Jünger am Karsamstag? Hochleistung kommt von Hochstimmung, das gilt in jedem Unternehmen, ob klein oder groß. Drisch deine Excel-Listen so viel, wie du magst und brauchst. Aber niemals deine Leute.

Der Mythos vom Jerk-Genie

Wer inspiriert, motiviert – und wer motiviert, kann den eigenen Leuten ein echter Coach sein. Nicht auf deren Spezialgebieten: Wie gesagt, nicht an operativen Details festbeißen – da gibt es im Team hoffentlich Experten, die darin viel besser sind. Aber die Person vorn kann den einzelnen dabei helfen, besser im Team zu funktionieren, kann sie entwickeln, sie befähigen, sie – mal ganz eigennützig gesprochen – besser für sich performen lassen.

Jaja, wir können ihn förmlich hören, den Einwand: Elon Musk, Steve Jobs, Mark Zuckerberg, Travis Kalanick und so weiter – das Silicon Valley ist doch voll von Milliardären, denen man nachsagt, dass sie auch den härtesten Asi-Test mit Leichtigkeit bestehen würden. Und Ellenbogen-Mindset und Alpha-Männchentum werden gemeinhin eher mit den oberen Sprossen der Karriereleiter verbunden als der Hang zum Gruppenkuscheln. Na und? Es mag ja zum Nimbus dieser "Tech-Genies" (voller Absicht in Anführungszeichen) gehören, dass ihr Jerktum irgendwie mit ihrer übermenschlichen Schaffenskraft verbunden sei oder diese sogar erst ermögliche. Aber selbst wenn das stimmte: Wer von uns ist schon ein Steve Jobs? Und wer will wirklich so sein wie Elon Musk?  Im Jahr 2023?

Solange die Führungsfähigkeiten also noch kein Halbgott-Level erreicht haben, solange kannst ist davon auszugehen, dass Jerkhaftigkeit in reziproker Korrelation mit Teamerfolg steht.

Und wer jetzt alle seine früheren und jetzigen Chefs und Vorgesetzten auf diese Formel hin abgleicht: Klar, da sind ein paar Team-Schinder und Motz-Lurche drunter, kennen wir alle. Und vielleicht sind diese Abteilungs-Scrooges auch sehr gut in dem, was sie tun. Aber sie wären bessere Chefs, wenn es Spaß machen würde, mit ihnen zu arbeiten. Oder? Wenn du das nächste Mal eine Führungsposition besetzen musst: Nimm nicht den fachlich besten – nimm den, der am besten begeistern kann. Wenn du eine Karriereentscheidung treffen musst, wechsle in die Firma oder in das Team, wo du am meisten Feuer spürst.

Inspirationsfähigkeit kann man lernen

Was ist nun mit denen unter uns, die nicht als Charme-Bolzen geboren sind? Die morgens nicht mit einem Zahnpasta-Werbelächeln aufwachen? Oder womöglich eher introvertiert sind? Werden die auf ewig verdammt in die zweite Reihe? Nicht unbedingt.

Wie für so vieles im Leben gilt auch für Inspirationsfähigkeit: Man kann sie lernen. Ist schwer, aber hat ja auch keiner gesagt, dass Gründen oder Führen einfach ist. Wir wollen an dieser Stelle keine der Myriaden an Ratgebern empfehlen, die es zu diesem Thema gibt; Amazon-Rezensionen kann sich jeder selbst durchlesen. Wir wollen lieber ein paar Denkanstöße geben.

Falls du es nicht schon tust: Grüß doch mal die Menschen am Empfang, an dem du jeden Morgen vorbeigehst. Nicht nur mit einem Nicken, sondern mit einem Lächeln. Bring deinem Team Kuchen mit. Frag deine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, was sie von dir brauchen könnten. Und geh mit ihnen essen – regelmäßig.

Was das alles mit Inspiration zu tun hat? Ganz einfach: Nur wer präsent ist, kann auch inspirieren. Ein Team braucht nicht die eine Tschakka-Rede zur Weihnachtsfeier. Sondern konstante, echte, gelebte Nähe. Man kann seine Leute auf ungefähr 1000 Arten inspirieren. Und jede einzelne bedingt, dass man sich um die Menschen kümmert. Dafür musst du keine Rampensau sein. Sondern einfach gut zuhören und vermitteln, dass du ihnen vertraust.

Der beste Business-Hack? Mario Kart

Unser nicht so geheimer Geheimtipp: Kaufe deinem Team eine Switch – und, ganz wichtig: Spiele selbst mit. Wenn du das Teil einfach nur in den Pausenraum stellst, ist das so sinnhaft wie die vielen Tausend glorreichen Kickertische, die in deutschen Unternehmensfluren leise vor sich hinweinen. Es führt kein Weg daran vorbei: Zocke "Mario Kart" mit deinem Team. Wenn’s geht: täglich. Das schweißt nicht nur zusammen, ist gelebte Mitarbeiter-Wertschätzung und macht dich menschlich, nahbar – nein, es macht tatsächlich sogar Spaß. Und damit wären wir wieder am Anfang. Remember? Ich muss nur dafür sorgen, dass die Leute gute Laune haben!

Einer von uns, wieder Johannes, hat genau das vor zwei Jahren gemacht (er spielt etwa dreimal die Woche). Die Switch war die beste Geschäftsinvestition, die er jemals für sein Unternehmen getätigt hat. Wir haben gerade nachgeschaut: Die Spielekonsole  gibt es für 339 Euro, Mario Kart 8  für rund 60 Euro und den Booster Streckenpass  (mehr Strecken, mehr Fun!) für 25 Euro.

Du bist wahrscheinlich am Handy, wahrscheinlich auch in deinem Amazon-Account eingeloggt. Also, worauf wartest du?

PS: Wir haben die Switch mit einem Affiliate-Link versehen, nicht damit das Manager Magazin ein paar Euros zusätzlich bekommt. Sondern weil wir wissen wollen, wie viele unserer Leserinnen und Leser den Kauf wirklich durchziehen.

PPS: Und wer es durchzieht, schreibe uns bitte an chefredaktion@manager-magazin.de , wie sich die Stimmung im Team verändert.

PPPS: Und wer noch viel bessere Hacks kennt, schreibe uns bitte erst recht. Wir sind gespannt – und lernen gerne dazu.

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