Streik und Blockaden Zoff bei Gorillas in Berlin

Arbeitet womöglich unter schlechten Bedingungen: Ein Fahrer von Gorillas bei der Arbeit
Foto: Arnulf Hettrich / IMAGODass aufstrebende Tech-Start-ups Ärger mit ihren Mitarbeitern bekommen, weil die Arbeitsbedingungen womöglich nicht den Standards etablierter Unternehmen entsprechen, ist nichts Neues. Jetzt kocht ein solcher Konflikt auch beim Berliner Lebensmittellieferdienst Gorillas hoch: Am Mittwoch streikten Dutzende Lieferfahrer des Start-ups und blockierten zwei Warenlager in der Charlottenstraße sowie in der Torstraße. Nach stundenlanger Blockade machte das Gorillas-Management die Lager später vorübergehend dicht.
We are picketing the Mitte warehouse (Torstr. 205). @gorillasapp management is behaving aggressively. One manager pushed a few striking workers. Come and join us! pic.twitter.com/fHt9bvr2bH
— Gorillas Workers Collective (@GorillasWorkers) June 9, 2021
Anlass der Proteste, zu denen eine gewerkschaftsnahe Gruppe aufgerufen hatte, war einem Bericht des "Tagesspiegels " zufolge die Entlassung eines Gorillas-Fahrers. Die Protestierenden forderten dessen Wiedereinstellung und bessere Arbeitsbedingungen, so die Zeitung. Schon seit einer Weile habe es unternehmensintern Kritik an den Arbeitsbedingungen gegeben. So drücke das Management vor allem auf das Expansionstempo und kümmere sich dabei nicht um Missstände. Fahrerinnen und Fahrer würden ausgebeutet, die Gründung von Betriebsräten behindert. Die Entlassung des Fahrers namens "Santiago" habe das Fass offenbar zum Überlaufen gebracht.
Über die Aktionen gab es laufend Mitteilungen vonseiten des "Gorillas Workers Collective", eines Zusammenschlusses von Gorillas-Fahrern, auf dem Kurznachrichtendienst Twitter. Dort wurde beispielsweise kritisiert, dass das Berliner Gorillas-Management nicht mit den unzufriedenen Fahrern spreche, sondern stattdessen die Polizei gerufen habe. Laut "Tagesspiegel" verhinderte der stellvertretende Geschäftsführer Harm-Julian Schumacher allerdings eine Eskalation, indem er die Proteste nicht auflösen ließ.
Instead of negotiating with workers in good faith after firing a worker today, the Germany Gorillas manager called the police. Happening now at Charlottenstrasse 81 warehouse pic.twitter.com/xmtN5Pt7WH
— Gorillas Workers Collective (@GorillasWorkers) June 9, 2021
Ein Gorillas-Sprecher erklärte gegenüber manager magazin, das Unternehmen suche "einen sachlichen Dialog mit der Mitarbeitergruppe und eine Deeskalation der Lage vor Ort". Die Kündigung des Mitarbeiters sei "nach Fällen groben Fehlverhaltens" innerhalb der Probezeit erfolgt. Gorillas sei "bewusst kein Teil der Gig-Economy" und beschäftige alle Mitarbeiter in Fest- oder Teilzeitanstellung.
Auf Twitter wurde für Donnerstag indes bereits zu weiteren Streiks und Blockaden aufgerufen. Dabei konzentrieren sich die Aktionen dieses Mal auf den Standort Prenzlauer Allee 189 in Berlin. Nach Angaben der Fahrer wurde das Warenlager nach der Blockade am Nachmittag geschlossen.
We are successfully picketing warehouse PBERG (prenzlauer alle 189). The management is pressuring scabs to deliver orders. We need your support now! #b1006 #strike #gorillas pic.twitter.com/FvMOEh2Fg7
— Gorillas Workers Collective (@GorillasWorkers) June 10, 2021
Die Vorgeschichte der aktuellen Ereignisse: Die Gorillas-Fahrerinnen und Fahrer hatten erst am 3. Juni erstmals in Berlin einen Betriebsrat gegründet. Dabei kam es zu Auseinandersetzungen zwischen Organisatoren und Management. Das Gorillas-Management warf den Organisatoren vor, Mitarbeitern den Zutritt zur Versammlung zu verweigern und kündigte daraufhin an, zu überprüfen, die Wahlen rechtlich anzufechten.
Die Organisatoren sprachen hingegen von Führungskräften, die versucht hätten, sich widerrechtlich Zugang zu verschaffen. Das Management habe versucht, Beschäftigte von einer Teilnahme abzuhalten. Dem manager magazin hatte Gorillas-CEO Kağan Sümer im April noch gesagt: "Wir unterstützen die Bildung von Betriebsräten absolut."
Das Gorillas Workers Collective hatte zuvor immer wieder die Arbeitsbedingungen beim Lieferdienst kritisiert. Unter anderem wird über hohen Zeitdruck und die schwere Last vieler Lieferungen geklagt. Die Fahrerinnen und Fahrer verdienen 10,50 Euro pro Stunde. Die Konflikte werden wohl anhalten: Gorillas verliert laut internen Unterlagen mit jeder Bestellung Geld – und will die Auslieferungskosten künftig senken, um profitabel zu arbeiten.
Gorillas ist eines der bestfinanzierten Start-ups in Deutschland. Das erst im vergangenen Jahr gegründete Unternehmen hatte im April 245 Millionen Euro eingesammelt und dabei eine Bewertung von einer Milliarde Dollar erreicht. Derzeit wirbt das Unternehmen nach Informationen von manager magazin bei Investoren um eine weitere Finanzierung in Höhe von rund einer Milliarde Dollar.