Gegenklage Elon Musk wirft Twitter Betrug vor

Schlammschlacht: Elon Musk sieht von Twitter über wesentliche Daten falsch informiert
Foto: DADO RUVIC / REUTERSDie von Elon Musk abgeblasene Übernahme des Kurznachrichtendienstes Twitter entwickelt sich nicht ganz unerwartet zur juristischen Schlammschlacht. Schließlich geht es um 44 Milliarden Dollar, die der Tesla-Chef für die Übernahme vertraglich zugesagt hatte, jetzt aber nicht mehr zahlen will. Twitter hatte daraufhin den Milliardär verklagt und Musk hatte vergangene Woche Gegenklage eingereicht. Die Klageschrift wurde am Donnerstagabend (Ortszeit) entsiegelt, Musk erhebt darin schwere Vorwürfe gegen Twitter.
In der Klageschrift, in die das "Wall Street Journal" und die "Financial Times" Einblick haben, wirft Musk den Berichten zufolge dem Management von Twitter Betrug vor, Twitter habe vor der vertraglich zugesagten Übernahme im vergangenen April wichtige Kennzahlen über die Nutzer der Plattform falsch dargestellt.
Streit um "monetarisierbare, täglich aktive Nutzer"
Im Kern geht es um die Frage, wie viel Geld sich mit den Nutzern von Twitter verdienen lässt. So habe Twitter gegenüber Musk zwar 238 Millionen "monetarisierbare, täglich aktive Nutzer" angegeben. Die Zahl der Nutzer, die tatsächlich Werbung sähen – und daher sinnvollerweise als "monetarisierbar" angesehen werden können – sei jedoch um etwa 65 Millionen niedriger sei als die von Twitter kommunizierte Zahl, berichtet das WSJ über einen zentralen Vorwurf aus der Klageschrift. Ein anderer lautet bekanntermaßen, dass ein Teil der Twitter-Nutzer angeblich gar nicht existiere und es sich um Fake-Konten handele.
Twitter widerspricht den Darstellungen von Musk entschieden. Seine Behauptungen seien "faktisch ungenau, rechtlich unzureichend und kommerziell irrelevant", twitterte Brad Taylor, Vorstandschef des Kurznachrichtendienstes und verlinkt dabei zugleich auf eine mehr als 100 Seiten umfassende Antwort des Unternehmens.
Misst Musk falsch?
Die Methode, die Musks Schätzungen zugrunde läge, sei "nicht haltbar" und "misst nicht das Gleiche wie Twitter oder verwendet sogar die gleichen Daten wie Twitter", konterte der Kurznachrichtendienst noch am Donnerstag. Twitter stellt den Wahrheitsgehalt der Daten von Musk infrage und behauptet, ein Tool, das angeblich zur Analyse der Daten verwendet wurde, habe den Account des Milliardärs als "wahrscheinlichen Bot" eingestuft.
Entgegnung von Twitter auf Musks Vorwürfe in der Klageschrift
Twitter schließt laut FT daraus: "Musks Gegenbehauptungen, die auf Verdrehung, Falschdarstellung und offener Täuschung beruhen, ändern nichts". Der Milliardär habe nicht das Recht, aufgrund seiner Bedenken über die Anzahl von Spam oder womöglich gefälschten Konten auf der Plattform einen Rückzieher zu machen.
Musks eigene Analyse soll sich auf eine nicht genannte, aber öffentlich zugängliche Website stützen. Demnach würden falsche oder Spam-Accounts mindestens 10 Prozent der täglich aktiven und monetarisierbaren Nutzer von Twitter ausmachen, zitieren die Zeitungen weiter aus der Klage.
Twitter widerspricht in seiner Stellungnahmen erneut der Behauptung, das Unternehmen habe Musk nicht die notwendigen Daten und Informationen zur Verfügung gestellt, die er benötige, um die Verbreitung möglicher Fake-Konten zu beurteilen. Im Gegenteil habe Twitter ihm "massive Datenströme" zur Verfügung gestellt und dafür "erhebliche Zeit und Ressourcen aufgewendet", um Musk die angeforderten Datensammlungen und Informationen zusammenzustellen.
Allerdings räumte Twitter in seiner Stellungnahme vom Donnerstag ein, dass es Musk vor Vertragsschluss am 25. April nicht darüber informiert hatte, dass es seine Nutzerbasis etwa drei Jahre lang bis Ende 2021 zu hoch angesetzt hatte. Twitter aktualisierte die Zahlen, die letztlich eine geringfügige Veränderung von 1 Prozent darstellten, in seinem Geschäftsbericht vom 28. April. Das Unternehmen betont aber zugleich, dass der Geschäftsbericht keinerlei materiell falschen Aussagen oder Eingeständnisse enthalte.
Musk und Twitter nehmen Banken der jeweiligen Gegenseite ins Verhör
Klar ist, dass der Streit mit der Gegenklage und der prompten Erwiderung von Twitter juristisch an Fahrt gewinnt und jede Seite bis zum angesetzten Gerichtstermin am 17. Oktober in Delaware noch reichlich Material sammeln wird.
So haben die Anwälte von Musk Goldman Sachs und JPMorgan Chase vorgeladen, um Details darüber zu erfahren, wie sie Twitter beraten haben, schreibt die "Financial Times". Demnach habe Musk alle Dokumente angefordert, in denen die finanzielle Leistung, die Gespräche mit dem Unternehmen über den Deal und die Analyse der Bewertung im Detail beschrieben sind. Umgekehrt habe Twitter Auskunftsersuchen an die Banken von Musk gerichtet, die den Deal begleiteten, als auch an Mitinvestoren und andere Personen aus dem Umfeld des Milliardärs.