"Courtage" für Microsoft-Einstieg Trump fordert Anteil am TikTok-Deal für den Staat

Donald Trump am 3. August
Foto: MICHAEL REYNOLDS/POOL/EPA-EFE/ShutterstockUS-Präsident Donald Trump (74) mischt sich tiefer in die Zukunft der Videoplattform TikTok ein. Wenn der Software-Gigant Microsoft dem chinesischen Mutterkonzern ByteDance das US-Geschäft abkaufe, erwarte er "eine Menge Geld für die Staatskasse", erklärte Trump am Montagabend. Ein derartiger Eingriff ist bislang ohne Beispiel in den USA.
Wie hoch auch immer der Kaufpreis ausfalle, "ein sehr substanzieller Anteil dieses Preises wird in den Haushalt der Vereinigten Staaten fließen müssen, weil wir diesen Deal möglich machen", erklärte Trump. Ob Microsoft oder "China" dafür zahle, sei unerheblich. Er betonte zugleich, ohne seine Erlaubnis könne das populäre Geschäft nicht weiterbetrieben werden. Seine Berater nahmen derweil weitere chinesische Techkonzerne wie Tencent ins Visier.
US-Rechtsexperten zeigten sich konsterniert. Die Gesetze gäben einen solchen Anspruch nicht her, erklärte Anwalt Nicholas Klein von der Kanzlei DLA Piper. Das "Wall Street Journal" zitierte Juraprofessor Carl Tobias von der Universität Richmond, Trumps Idee sei nicht nur "völlig unorthodox", sondern auch "wahrscheinlich illegal und unethisch".
"Das verstößt gegen die Prinzipien der Marktwirtschaft und gegen die Prinzipien der Welthandelsorganisation", kommentierte der Sprecher des chinesischen Außenministeriums die Drohung aus Amerika.
Trump selbst räumte ein, außer ihm wäre niemand auf die Idee gekommen, eine Art Provision zu verlangen. "Aber das ist eben meine Art zu denken." Der frühere Immobilienunternehmer verglich TikTok auch mit einem Mieter: "Ohne Mietvertrag hat der Mieter nichts in der Hand. Also zahlt er die Courtage oder was immer."
Deal oder Verbot - Frist bis 15. September
Zuvor hatte der Präsident sich noch als Wegbereiter der Einigung gegeben. Er habe eine großartige Unterhaltung mit Konzernchef Satya Nadella (52) gehabt und habe keine Einwände gegen den Kauf, teilte Trump am Montag mit. Es käme aber auch ein anderes amerikanisches Unternehmen als Käufer infrage.
Microsoft hatte erklärt, die Gespräche mit dem chinesischen Mutterkonzern ByteDance über eine mögliche Übernahme des Geschäftes von TikTok in den USA, Kanada, Australien und Neuseeland fortzusetzen. Ziel sei es, diese Gespräche bis zum 15. September zu beenden - entsprechend der von Trump gesetzten 45-tägigen Frist. TikTok wird von Kritikern vorgeworfen, Nutzerdaten an die chinesische Regierung weiterzugeben. TikTok und ByteDance bestreiten das.
Als Alternative zum Microsoft-Deal wurde am Montag in Presseberichten über eine Verlegung des Hauptsitzes von TikTok nach London spekuliert - als Zeichen, dass das Unternehmen sich der chinesischen Gesetzgebung entziehe.
Trump hatte am Freitagabend angekündigt, er wolle TikTok in den USA verbieten - und werde womöglich schon Samstag zur Tat schreiten. Bis Sonntag passierte allerdings nichts; auch blieb unklar, wie ein Verbot durchgesetzt werden könnte. Laut "Wall Street Journal" hatte Microsoft daraufhin die weit fortgeschrittenen Kaufverhandlungen zwischenzeitlich unterbrochen.
Vor der Verbotsankündigung durch Trump hatten US-Medien bereits berichtet, der Präsident wolle von ByteDance die Ausgliederung des US-Geschäfts von TikTok verlangen. Demnach galt Microsoft als potenzieller Käufer. TikTok hatte seinerseits am Samstag erklärt, dass es keinen Abschied aus den USA plane.
Fast eine Milliarde Nutzer
US-Behörden hatten wiederholt Bedenken geäußert, dass das weltweit von fast einer Milliarde Menschen genutzte Netzwerk Nutzerdaten an die chinesische Regierung weitergibt. Unter anderem das Committee on Foreign Investment (CFIUS), das Geschäfte untersucht, die die nationale Sicherheit der USA betreffen, äußerte derartige Sorgen. TikTok wies bislang alle Vorwürfe über die Weitergabe von Nutzerdaten zurück.
US-Außenminister Mike Pompeo (56) hatte am Sonntag dem Sender Fox News gesagt, Trump werde "in den kommenden Tagen Maßnahmen in Bezug auf ein breites Spektrum nationaler Sicherheitsrisiken ergreifen, die durch Software in Verbindung mit der chinesischen Kommunistischen Partei entstehen".
Microsoft betonte, dass eine Übernahme nur im Einvernehmen mit der Regierung und im Zuge einer Sicherheitsprüfung sowie klarer Belege für einen Nutzen der US-Wirtschaft infrage käme. Der Dialog mit der Trump-Regierung solle während der weiteren Gespräche mit ByteDance in den kommenden Wochen fortgeführt werden.
Dabei sei der Konzern auch offen gegenüber anderen Investoren, die sich als Minderheitspartner beteiligen. Damit könnte sich eine Tür für eine Reihe bestehender amerikanischer Anteilseigner von ByteDance um den Wagniskapitalgeber Sequoia Capital öffnen, die wegen des drohenden Verbots der US-Regierung angeblich ebenfalls schon seit längerem eine Übernahme auf eigene Faust anstreben. Microsoft betonte aber, dass die Verhandlungen in einem vorläufigen Stadium seien und es keine Sicherheit gebe, ob letztlich eine Einigung erzielt werde.
TikTok ist vor allem bei jungen Menschen beliebt und hat weltweit fast eine Milliarde Nutzer. Die Videoplattform entstand 2017 durch die Zusammenlegung mit der Mitsing-App Musical.ly, die mit einer Lippensynchronisierungsfunktion für selbstgedrehte Videos erfolgreich wurde. Die Mutter ByteDance ist derzeit einer der am stärksten wachsenden Datenverwertungs-Konzerne der Welt mit einem geschätzten Jahresumsatz von zuletzt 19 Milliarden Dollar und einer Firmenbewertung von mittlerweile geschätzten 100 Milliarden Dollar, schreibt das "Wall Street Journal".
Microsoft in dem politischen Konflikt lachender Dritter?
TikTok wird in 65 Sprachen auf 175 Märkten angeboten. Nutzer können dort selbsterstellte Clips hochladen oder die von anderen ansehen. In Festland-China gibt es nur die zensierte Version Douyin. TikTok versichert, es gehe der Plattform um kreative Inhalte, bei der "Privatsphäre und Sicherheit" geschützt würden. Chinas Regierung habe keinen Zugriff auf Nutzerdaten und habe dies auch nie verlangt. Die Nutzerdaten würden in den USA gespeichert und verarbeitet.
In den USA hat TikTok nach eigenen Angaben 100 Millionen Nutzer und ist damit ein äußerst attraktives Übernahmeziel. Microsoft könnte aus dem politischen Gerangel um die App somit als lachender Dritter hervorgehen - der Softwarekonzern hat bislang kein eigenes Social-Media-Geschäft. Wie viel Microsoft für TikTok zahlen müsste, ist bislang unklar.