Internetzugang via Ballons
Alphabet bläst Ballonunternehmen Loon ab
Dieser Moonshot ging ins Leere: Nach zehn Jahren stellt der Alphabet-Konzern das Unternehmen Loon ein. Für Ballons, die auf der Erde flächendeckend Internetzugang liefern, gebe es doch kein Geschäftsmodell.
Am Boden: Loon-Ballon 2016 auf der Google-Entwicklerkonferenz I/O im kalifornischen Mountain View
Foto: Stephen Lam / REUTERS
Die Idee war gut, aber zu teuer: Der Google-Mutterkonzern Alphabet beendet seinen Versuch, entlegene Regionen mithilfe von Ballons mit schnellem Internet zu versorgen. Die dafür gegründete Tochterfirma Loon wird geschlossen. "Wir haben keinen Weg gefunden, die Kosten so weit zu senken, dass ein langfristig nachhaltiges Geschäft möglich wird", schrieb Loon-Chef Alastair Westgarth am Freitag in einem Blogeintrag.
Google hatte die großen Ballons, die wochenlang in der Luft bleiben können, bereits im Jahr 2013 vorgestellt. Die Idee war, dass entlegene und dünn besiedelte Gegenden sich auf diese Weise günstiger mit Internet versorgen lassen könnten als mit herkömmlicher Telekommunikationsinfrastruktur. Zwischenzeitlich probierten Google und auch Facebook dafür zudem Drohnen aus, gaben diese Pläne aber relativ schnell auf.
Bei den Ballons sah Google dagegen durchaus Geschäftspotenzial. Unter dem Dach der später geschaffenen Konzernmutter Alphabet wurde das Projekt 2018 in die eigenständige Firma Loon gebracht. Erst im vergangenen Jahr startete Loon in Kooperation mit einem lokalen Netzbetreiber die Versorgung einer Region in Kenia.
"Wahres Versagen ist, wenn man trotzdem weitermacht"
Loon musste enorme technische Herausforderungen überwinden: Die Ballons schweben umher und übermitteln Daten untereinander. Doch am Ende war es noch schwieriger, ein Geschäftsmodell aufzubauen. Internetzugänge wurden in den vergangenen Jahren in immer mehr Regionen verfügbar - und in den verbliebenen sind sie für die Einwohner zu teuer oder uninteressant. Deshalb sei er zu dem Schluss gekommen, dass Loon nie einen Beitrag zu den Gewinnen des Konzerns leisten werde, sagte der Chef des Alphabet-Innovationslabors X, Astro Teller (50), dem Magazin "Wired". Er betrachte es trotzdem als erfolgreiches Experiment: "Wahres Versagen ist, wenn die Daten zeigen, dass man nicht das Richtige tut - und man trotzdem weitermacht."
Laut früheren Prognosen hatte der Konzern in Loon Potenzial für zig Milliarden Dollar jährlicher Umsätze gesehen, wenn nur ein Teil der Menschen ohne Internetzugang dafür einige Dollar pro Monat zahle - und sich gleichzeitig die Betriebskosten senken ließen. Im April 2019 hatte sich eine Tochter des japanischen Risikoinvestors Softbank mit 125 Millionen Dollar an Loon beteiligt. Nun geht es ans Aufräumen. Mehrere Dutzend Loon-Ballons sind noch in der Luft. Sie werden voraussichtlich im Laufe der kommenden neun Monate zur Erde absinken und sollen dann eingesammelt werden. In Kenia will das Unternehmen an Initiativen spenden, die den Internetzugang auf dem Land verbessern helfen.
Alphabet lässt sich Zukunftswetten wie Loon Jahr für Jahr Milliarden kosten, während das Google-Kerngeschäft mit Onlinewerbung nach wie vor das Geld dafür liefert. Das bisher bekannteste Innovationsprojekt ist die Roboterwagenfirma Waymo, die als ein führender Player beim autonomen Fahren gilt und auch externe Investoren anlockte. "Ich bin mir sicher, dass das ein sehr profitables Geschäft wird", erklärt Waymo-Chef John Krafcik (59) im Interview mit dem manager magazin - allerdings dürften bis dahin noch mehrere Jahre vergehen.
Elon Musk und die Deutsche Telekom glauben noch an das Geschäft
Im Gegensatz zu Alphabet sieht Silicon-Valley-Starunternehmer Elon Musk (49) durchaus eine Perspektive, auch entlegene Gegenden aus der Luft mit einer Internetverbindung zu versorgen. Mit dem Projekt Starlink setzt sein Raumfahrtunternehmen SpaceX allerdings nicht auf Ballons oder Drohnen, sondern auf eine Flotte von bis 42.000 Satelliten, die einen globalen Breitbandinternetgürtel um die Erde legen sollen. Die Starlink-Satelliten fliegen in einer relativ niedrigen Umlaufbahn von 550 Kilometer Höhe, die Loon-Ballons schweben dagegen viel dichter an der Erdoberfläche, nämlich in einer Höhe von 20 Kilometer. Auch die Deutsche Telekom hat Pläne für die Stratosphäre.
Bislang hat Starlink rund 900 Satelliten im Orbit. Das soll nicht nur ausreichen, um große Teile der USA und Kanadas zu versorgen. Auch in Deutschland soll ein Start des Dienstes bevorstehen. Allerdings blieb der für Ende 2020 in Aussicht gestellte Marktstart in Deutschland aus. In den USA verlangt Starlink in seinem Beta-Test-Programm "Besser-als-nichts" von seinen Kunden 500 Dollar für ein Startpaket mit Satellitenschüssel und Empfangsgerät inklusive WLAN-Router. Dazu kommen 99 Dollar Gebühren pro Monat. Dafür erhalten die Kunden zu 95 Prozent der Zeit Internet.
Starlink wird in Deutschland vor allem mit den Satellitendiensten Tooway von Eutelsat und Astra Connect konkurrieren, die ohne einen Rückkanal über eine Telefonleitung funktionieren. Die Astra-Dienste werden von den Serviceprovidern Filiago und Novostream angeboten, die Satellitenverbindungen von Eutelsat werden von den Firmen Bigblu, Eusanet, SkyDSL und StarDSL vermarktet.
Die aktuell in Deutschland verlangten Preise bewegen sich im Bereich zwischen 30 und 150 Euro im Monat. Dafür wird eine maximale Downloadgeschwindigkeit von bis zu 100 MBit pro Sekunde in Aussicht gestellt. Bei den Satellitenverbindungen handelt es sich aber - ähnlich wie im Mobilfunk oder bei Kabelanschlüssen - um ein "geteiltes Medium". Je mehr Anwender die Verbindung gleichzeitig nutzen, desto geringer fällt die Geschwindigkeit für den einzelnen Anwender aus. Die Tarife sind in der Regel keine Flatrate, sondern begrenzen das Datenvolumen pro Monat, auch um die Rentabilität des Dienstes zu gewährleisten.