Preisdruck in der Radbranche Warum die Preise für Fahrräder sinken

Schnell unterwegs: Begeisterte Radfahrer können schon jetzt so manches Schnäppchen schießen, selbst bekannte Markenhersteller senken die Preise deutlich
Foto: Westend61 / Getty ImagesDieser Artikel gehört zum Angebot von manager-magazin+. Sie können ihn auch ohne Abonnement lesen, weil er Ihnen geschenkt wurde.
Lange kannten die Preise für Fahrräder nur eine Richtung: nach oben. Jetzt sieht es danach aus, dass die Preise in großen Teilen des Marktes in diesem Jahr wieder sinken werden.
Einige Hersteller und Händler sind bereits vorgeprescht: Direktversender Rose Bikes hat seine Preise schon im Herbst 2022 im Schnitt um 15 Prozent gesenkt. Inzwischen bieten auch YT Industries und Canyon ihre Fahrräder bis zu 25 beziehungsweise 30 Prozent günstiger an, Online-Händler Bike24 wirbt mit Rabatten von bis zu 34 Prozent.
Marktexperten erwarten, dass andere bald nachziehen werden. "Die Lage am deutschen Fahrradmarkt hat sich in den letzten Monaten spürbar geändert", sagte Ryan McMillan, CEO des Online-Händlers BikeExchange kürzlich dem Fachmagazin Tour. Ein ähnliches Bild zeichnet Sebastian Tegtmeier vom Online-Spezialist bike-components.de, der von "Preiskämpfen" sprach.
Ursachen für die Preisnachlässe sind vor allem drei Entwicklungen am Markt:
Entwicklung 1: Lieferketten entspannen sich
Während der Corona-Pandemie hatten viele Hersteller Lieferschwierigkeiten. Räder standen teilweise monatelang halb fertig in den Lägern, weil ihnen wichtige Teile fehlten. "Die Zulieferer hatten ihre Lieferungen nicht mehr unter Kontrolle. Wir als Hersteller haben die ganze Zeit Teile gesammelt, bis alles vollständig war", erzählt Todor Lohwasser, Geschäftsführer von Storck Bicycle. Der Hersteller von Premium-Rennrädern musste deswegen seine Lagerkapazitäten nahezu verdreifachen.
Nun entspannen sich die Lieferketten. Die Lieferengpässe haben spürbar nachgelassen, wodurch wieder mehr Fahrräder fertig gebaut werden und auf den Markt kommen.
Entwicklung 2: Nachfrage fällt
Zudem erlebten Bikes während der Pandemie einen wahren Boom, viele Hersteller hatten die Produktion ausgeweitet. "Mancher Hersteller und Händler hat für 2022/2023 mit berechtigter Zuversicht auf eine weiterwachsende Nachfrage sicher höhere Mengen als üblich geordert", sagt Burkhard Stork, Geschäftsführer beim Zweirad-Industrie-Verband (ZIV).
Doch im vergangenen Jahr traf das erhöhte Angebot plötzlich auf eine fallende Nachfrage, denn Verbraucher zögerten im zweiten Halbjahr mit teuren Anschaffungen. Viele Kunden haben ihre Fahrradkäufe aufgeschoben. Diese Kaufzurückhaltung sei nicht absehbar gewesen, sagt Stork.
Das Überangebot muss jetzt abgebaut werden, wie kürzlich ein Brancheninsider dem manager magazin sagte. Händler klagen über hohen Druck, den die Hersteller ihnen gegenüber ausüben, um ihre Räder loszuwerden, beklagte jüngst auch der Verband Deutscher Zweiradhandel (VDZ).
Entwicklung 3: Rohstoffe und Transporte werden günstiger
Hinzu kommen die Preissenkungen bei Rohstoffen. Während der Pandemie hatten sich nicht nur die Lieferzeiten verlängert, auch die Preise für Teile, Rohstoffe und Transportkosten waren in die Höhe geschossen. "Davon betroffen war auch die Fahrradbranche", sagt Stork.
Die enormen Preissteigerungen bei den Vorprodukten hatten in den vergangenen drei Jahren auch zu den höheren Preisen auf dem Fahrradmarkt beigetragen. Allmählich sinken die Preise in der Vorproduktion wieder, da die Lieferketten besser funktionieren. Ebenso bewegen sich die Transportkosten wieder in Richtung eines normalen Vor-Corona-Niveaus.
Online-Händler befeuern Preiskampf
Besonders der Online-Handel heizte zuletzt die Preiskämpfe an, sagt Lohwasser. Das ging am vergangenen Black Friday im November bereits so weit, dass aktuelle Ware unterhalb des Einkaufspreises an Endkunden angeboten worden sei. Das hat auch Tegtmeier beobachtet, der nicht von einer kurzfristigen Erholung ausgeht.
Die Hersteller versuchen gegenzusteuern – mit Preisnachlässen, aber auch damit, dass sie ihre Modelle länger als üblich im Portfolio behalten. "Teilweise verzichten Hersteller darauf einen jährlichen Modellwechsel zu machen, um erstmals wieder alles in gewohnte Abläufe und Zeitabläufe zu bekommen", teilt der Händlerverband VDZ mit.
Massenmarkt besonders anfällig
Die größten Rabatte dürfte es beim mittleren Preissegment geben, erwartet Marktexperte Bastian Dietz, Leiter für internationale Entwicklung bei SQlab, einem deutschen Spezialisten von ergonomischen Radsport-Zubehör. Beim untersten Preissegment sieht Dietz wenig Spielräume angesichts knapper Margen. Das Premiumsegment ist seiner Einschätzung nach relativ preisstabil. Wenn überhaupt, dürfte es hier nur zu geringen Rabatten kommen.
Deutliche Preisnachlässe dürfte es vor allem für zwei Arten von Fahrrädern geben: Zum einen im Massenmarkt, also bei in hoher Stückzahl produzierten Modelle. Zum anderen bei Rädern, wo Kunden stärker auf die neueste technische Ausstattung achten. Das sagt Wasilis von Rauch, Geschäftsführer bei Zukunft Fahrrad, ein Zusammenschluss aus Händlern, Herstellern und anderen Marktteilnehmern. "Das ist bei E-Mountainbikes eher der Fall als bei klassischen Hollandrädern oder Cityrädern."
In der Masse erwartet Brancheninsider Dietz Preisnachlässe von 20 bis 40 Prozent, die vergleichsweise früh in der Saison beginnen, also im Mai oder Juni. Normalerweise seien die Rabattaktionen frühestens ab August oder September üblich.
Premiumsegment kann sich Preisdruck eher entziehen
Auch der ZIV rechnet mit einer höheren Preisstabilität bei hochwertigen Rädern als bei den unteren Preiskategorien. Hochwertige Fahrräder und E-Bikes würden weiterhin gut nachgefragt, meldet der Verband.
Die Branchenverbände geben sich optimistisch, dass der Preisdruck bald den Boden erreicht hat. "Wir rechnen damit, dass sich die Lage bis Ende des Jahres normalisiert", sagt von Rauch. Das allgemeine Konsumklima steige bereits, der Frühjahr stehe vor der Tür. Schon jetzt lasse das gute Wetter die Nachfrage im Fahrradhandel bereits wieder steigen.