Zweiter Corona-Impfstoff
Moderna-Vakzin in Deutschland angekommen, EU will angeblich teuer nachordern
Deutschland hat die erste Lieferung des zweiten Corona-Impfstoffs erhalten. Am Dienstag wird das Mittel von US-Hersteller Moderna an die Länder verteilt. Angeblich will die EU davon noch mehr ordern, auch zu deutlich höherem Preis.
Zentrales Impfstofflager: Lastwagen der Bundeswehr auf dem Gelände der Artlandkaserne im niedersächsischen Quakenbrück
Foto: Hauke-Christian Dittrich / dpa
Die erste Lieferung mit rund 60.000 Dosen des Corona-Impfstoffs des US-Herstellers Moderna ist am Montag in Deutschland angekommen. Das bestätigte ein Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums. Zuvor hatte "Bild" darüber berichtet. Zur Frage, wo der Impfstoff zwischengelagert wird, bevor er am Dienstag an die Bundesländer ausgeliefert wird, äußert sich das Ministerium nicht. Nach Informationen von "Bild" und NDR wird als Lager eine Bundeswehrkaserne in Quakenbrück im niedersächsischen Landkreis Osnabrück genutzt.
Beim dortigen Versorgungs- und Instandsetzungszentrum für Sanitätsmaterial handelt sich um eine der Marine zugeordnete Bundeswehrapotheke mit größeren logistischen Fähigkeiten. So werden von dort laufende Bundeswehreinsätze wie in Mali mit Gerät und Medikamenten versorgt. Auch Schiffe und Boote der Marine werden mit Sanitätsmaterial beliefert.
Gut zwei Wochen nach dem Beginn der Impfungen mit dem ersten in der EU zugelassenen Corona-Impfstoff von Biontech und Pfizer soll an diesem Dienstag die Auslieferung des zweiten zugelassenen Vakzins von Moderna an die Bundesländer und deren Impfzentren beginnen. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (40, CDU) rechnet bis Ende des Quartals mit zwei Millionen Dosen von Moderna für Deutschland, im Laufe des Jahres mit 50 Millionen Dosen.
Wie auch beim Impfstoff der Mainzer Firma Biontech und des US-Herstellers Pfizer handelt es sich um einen sogenannten mRNA-Impfstoff. Beide Impfstoffe sind nach Angaben des Chefs der Ständigen Impfkommission, Thomas Mertens, "äquivalent in Wirksamkeit und Sicherheit". Eine Wahlmöglichkeit, wer welchen Impfstoff bekommt, soll es nicht geben.
Insider: EU will Moderna-Bestellung zu hohem Preis aufstocken
Die Europäische Union will laut der Nachrichtenagentur Reuters zusätzliche Corona-Impfdosen von Moderna sichern und muss dafür möglicherweise tiefer in die Tasche greifen. Die EU verhandele mit dem US-Biotechunternehmen über eine Aufstockung der Bestellung, wie aus einem internen Dokument hervorgehe und zwei EU-Vertreter anonym sagten. Moderna verlange einen doppelt so hohen Preis wie bei der bisherigen Bestellung, sagte einer der Insider. Unklar blieb, um wie viele zusätzliche Dosen es geht. Moderna und die EU wollten keinen Kommentar abgeben. Angesichts stark steigender Infektionszahlen sowie großer wirtschaftlicher Schäden war massive Kritik an der EU wegen der bislang nur geringen Verfügbarkeit von Impfstoffen laut geworden.
Verhandlungen auch mit Novavax angeblich vor dem Abschluss
Daneben stehe die EU kurz davor, sich bis zu 200 Millionen Dosen des Impfstoffes von Novavax zu sichern, der bisher nicht zugelassen ist, sagte ein Insider. Im Dezember hatte die EU erklärt, sie habe vorläufige Gespräche mit dem US-Konzern abgeschlossen. Von Novavax war zunächst keine Stellungnahme zu erhalten.
Foto: MENAHEM KAHANA / AFP
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Diese Impfstoffprojekte gegen Covid-19 sind am weitesten
Erst vergangene Woche hatte die EU ihre Bestellung von Impfstoffdosen bei Pfizer und dessen deutschem Partner Biontech auf bis zu 600 Millionen Einheiten verdoppelt. Von dem Moderna-Impfstoff, der vergangene Woche als zweites Vakzin gegen Covid-19 in der EU zugelassen wurde, hat die EU bisher 160 Millionen Dosen bestellt. Beide Impfstoffe basieren auf einer neuen Technologie, der sogenannten Boten-RNA (mRNA), die den menschlichen Zellen die Information zur Produktion von Proteinen und damit zur Bekämpfung der Krankheitserreger vermitteln soll.
Für beide Mittel wurde in Studien eine Wirksamkeit von rund 95 Prozent festgestellt. Ein wesentlicher Unterschied: Der Moderna-Impfstoff muss mit minus 20 Grad nicht so extrem tief gekühlt werden wie das Mittel von Pfizer und Biontech mit minus 80 Grad und ist auch spürbar länger bei Kühlschranktemperatur haltbar. Bei beiden Vakzinen müssen jeweils zwei Dosen für einen vollständigen Impfschutz verabreicht werden.
Bei den Verhandlungen mit Moderna über die erste Bestellung von 160 Millionen Dosen hatte die EU einen Preis unter 25 Dollar je Dosis verlangt, wie ein an den Verhandlungen beteiligter EU-Vertreter im November zu Reuters gesagt hatte. Moderna hatte vor dem Vertragsschluss im November erklärt, abhängig von der Bestellmenge koste der Impfstoff zwischen 25 und 37 Dollar je Dosis. Auf welchen Preis sich Moderna und die EU einigten, wurde nicht mitgeteilt. Das Mittel gilt als der teuerste Corona-Impfstoff auf dem Markt.
Valneva aus Frankreich könnte auch noch auf die Kaufliste
Zudem verhandelt die EU mit der französischen Valneva über den Kauf ihres Impfstoffkandidaten, sagten zwei an den Verhandlungen beteiligte EU-Vertreter. Großbritannien hat mit den Franzosen bereits die Lieferung mehrerer Millionen Dosen vereinbart. Valneva hatte im Dezember ihre klinischen Studien der Phase I und Phase II für den Impfstoff gestartet. Vor einer Zulassung müssen aber erst Ergebnisse aus einer Phase-III-Studie vorliegen. Mit der deutschen Firma Curevac, die erst im Dezember ihre Phase-III-Studie begann, hatte die EU bis dahin ihre größte Bestellung über 405 Millionen Dosen bereits vereinbart.
Bisher hat die EU insgesamt rund 2,3 Milliarden Dosen sechs verschiedener Corona-Impfstoffe für ihre 447 Millionen Bürger bestellt. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (62) sagte in der vergangenen Woche, Stoffe weiterer Lieferanten wie der Impfstoff Sputnik-V aus Russland würden nicht benötigt.
15 BilderDiese Impfstoffprojekte gegen Covid-19 sind am weitesten
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Das wohl begehrteste Produkt des Jahres: Zum Jahresbeginn läuft die Impfung gegen das Coronavirus wie hier in Israel auf Hochtouren. Mehrere Millionen Menschen haben bereits ihre erste Spritze erhalten. Von weit mehr als hundert Impfstoffprojekten sind bislang zehn in einzelnen Ländern zugelassen (Stand: 6. Januar)
Foto: MENAHEM KAHANA / AFP
2 / 15
Curevac hat sich mit dem Bayer-Konzern für die Impfstoffproduktion zusammengeschlossen - ein Signal, dass die Biotechhoffnung aus Tübingen als Nachzügler doch noch Wucht entfalten könnte. Im Frühjahr 2020 galt Curevac als Vorreiter im Impfstoffrennen, zeitweise ging gar die Angst um, die USA würden die deutsche Biotechfirma kapern.
Es folgten ein Einstieg des Bundes und ein furioser Börsengang an der Nasdaq. Im Oktober 2020, für den Hauptaktionär Dietmar Hopp (80) anfangs schon ein fertiges Produkt verheißen hatte, wurden erst positive Zwischenergebnisse aus Tierversuchen verkündet. Erst im Dezember begannen die klinischen Großversuche der Phase 3 - Curevac glaubt aber, mit dem besseren Impfstoff gut im Rennen zu sein, wenn auch nicht mehr rechtzeitig für den nordamerikanischen Markt. Erst Mitte 2021 wird die Zulassung erwartet.
Foto: Nasdaq MarketSite / dpa
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Das erste Vakzin aus westlicher Produktion kam mit der Impfung der 90-jährigen Margaret Keenan im britischen Coventry am 8. Dezember zum Einsatz. Der unter dem Produktnamen Comirnaty vermarktete Impfstoff BNT162b2 wurde nach beeindruckenden Daten aus den klinischen Studien - 95 Prozent Schutz gegen Erkrankung, keine schweren Nebenwirkungen - von Großbritannien zugelassen, gefolgt von den USA, Europa, vielen weiteren Ländern und schließlich auch der Weltgesundheitsorganisation.
Foto: JONNY WEEKS / AFP
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Mit dem schützenden Stoff gegen die Pandemie bekommt die von Uğur Şahin (55) geführte Mainzer Firma Biontech eine globale Führungsrolle. Gemeinsam mit dem US-Konzern Pfizer verspricht das Unternehmen 1,3 Milliarden Dosen für 2021 - genug für ein Zwölftel der Menschheit und komplett ausgebucht. Es ist die erste Zulassung eines Impfstoffs der sogenannten mRNA-Technik überhaupt. Größter Nachteil: Das Mittel muss auf minus 70 Grad gekühlt werden. Doch es kommen ja noch Alternativen hinzu.
Foto: FABIAN BIMMER / REUTERS
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Die US-Biotechfirma Moderna begann Mitte März als erste mit klinischen Studien. Inzwischen konnte auch die Moderna-Studie eine Wirksamkeit über 90 Prozent belegen. Weiterer Vorteil: Das Mittel ist bei deutlich weniger aufwändiger Kühlung haltbar. Und vor allem: Moderna-Chef Stéphane Bancel (48) hat die Operation "Warp Speed" mit logistischer Hilfe des US-Mililtärs im Rücken. Die Firma setzt wie Biontech auf die mRNA-Technologie, die noch nie in einem zugelassenen Impfstoff zum Einsatz kam - bis Dezember 2020. In den USA gab die Arzneimittelbehörde FDA das Vakzin schon frei, die EU-Behörde EMA folgte nach Kanada und Israel am 6. Januar.
Foto: Bill Sikes / AP Photo
6 / 15
Solange nur die Vakzine von Biontech und Moderna zur Verfügung stehen, reichen die bestellten und lieferbaren Mengen nicht einmal für Europa aus - geschweige denn für einen globalen Schutz. Am meisten Hoffnung auf schnellen Ersatz verspricht das im September in die abschließende klinische Studie gestartete Projekt des US-Pharmakonzerns Johnson & Johnson mit 60.000 Studienteilnehmern in acht Ländern. Das Mittel basiert auf einer bereits im Juli zugelassenen Ebola-Impfung der belgischen Tochterfirma Janssen. Größter Vorteil: Es wird nur eine Dosis pro Person benötigt. Ende Januar wird mit ersten Ergebnissen gerechnet.
Am 4. Januar kam - im Beisein von Premierminister Boris Johnson (56) - auch ein von der Universität Oxford und dem britischen Konzern Astrazeneca entwickelter Impfstoff in britischen Krankenhäusern zum Einsatz. Das Projekt bekam ein frühes Lob der Weltgesundheitsorganisation und milliardenschwere Großaufträge von EU und USA. Der Vektorimpfstoff ist mit rund zwei Euro pro Dosis deutlich günstiger als die mRNA-Mittel von Biontech und Moderna, mit Lagerung zu Kühlschranktemperaturen leichter zu handhaben - und vor allem steht eine Produktionskapazität von drei Milliarden Dosen bereit. Doch Zweifel lasten auf dem Hoffnungsträger ...
Foto: WPA Pool / Getty Images
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Im November präsentierte Astrazeneca zwar positive Zwischenergebnisse aus den klinischen Studien in Brasilien und Großbritannien, allerdings mit verwirrenden Daten zur Wirksamkeit bei unterschiedlicher Dosierung. Zur Klärung versprach der Konzern eine weitere Studie. Sicherheit vor Schnelligkeit, wie bis zum Herbst von allen Seiten gepredigt - doch das kostet Zeit. Dann gerieten auch noch die Projektpartner in Streit - und nun versucht der britische Konzern die Flucht nach vorn durch eine Allianz mit Russland. Trotz aller Wirren setzen auch Argentinien und Indien auf das Astrazeneca-Mittel. Viele europäische Politiker wie Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (40) wünschen sich den schnellen Einsatz auch hier.
Foto: Ben Birchall / dpa
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Dem Astrazeneca-Produkt sehr ähnlich ist der Impfstoff "Sputnik-V" des staatlichen russischen Gamaleya-Instituts. Der ebenfalls auf Adenoviren, die herkömmliche Erkältungen auslösen, basierende Stoff wurde bereits im August zugelassen, ohne die Prüfung von Wirksamkeit und Sicherheit in klinischen Großstudien abzuwarten. Erst zwei Wochen später kam das russische Vakzin in Phase 3, inzwischen in mehreren Ländern. Immerhin bestätigten die Ergebnisse, dass auch das russische Vakzin extrem gut wirkt. Und Astrazeneca will nun sogar prüfen, ob eine Kombination beider Wirkstoffe die beste Lösung sein könnte. Mit einem zweiten Impfstoff des Vektor-Instituts wiederholte Moskau das Prozedere.
Foto: RDIF HANDOUT/EPA-EFE/Shutterstock
10 / 15
In China, wo das Coronavirus im Januar 2020 entdeckt wurde, sind mehrere Impfstoffe bereits seit Sommer im Einsatz an medizinischem Personal und Risikogruppen. Die staatliche Firma Sinopharm hat zwei verschiedene Impfstoffe auf den Markt gebracht. Ein vom Pekinger Institut für Biologische Produkte entwickelter Totimpfstoff erhielt am 30. Dezember die erste Zulassung für die Allgemeinheit in China - nachdem in Studien eine Wirksamkeit von 79 Prozent gezeigt wurde. Nach Angaben aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, die das Mittel ebenso wie Bahrain und Ägypten ebenfalls freigaben, sind es gar 86 Prozent.
Foto: Zhang Yuwei / dpa
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Die Privatfirma Sinovac hat nach eigenen Angaben vom 20. Oktober schon mehr als eine Million Menschen geimpft. Testen lässt sie ihren Impfstoff seit Juli in Brasilien und Indonesien - in China selbst gibt es längst nicht mehr genügend Infizierte für die Kontrollgruppe. In Brasilien ist die Kooperation mit China heftig umstritten, Präsident Jair Bolsonaro will sie stoppen. Die Behörden unterbrachen die Studie im November wegen eines Todesfalls - der sich als Selbstmord herausstellte. Die Veröffentlichung der Studienergebnisse wurde mehrfach verschoben, nun soll sie Anfang Januar folgen.
Ein Impfstoff der chinesischen Biotech-Firma Cansino Bio und ein weiteres Sinopharm-Produkt aus den Laboren des Wuhan-Instituts - am Ursprungsort der Krise - sind in China und einigen weiteren Ländern ebenfalls vorläufig zugelassen.
Foto: Nicolas Asfouri / AFP
12 / 15
Aus Indien kommt neben der massenhaften Auftragsproduktion für westliche Pharmariesen auch eine Eigenentwicklung: Die mit staatlichen Instituten kooperierende Biotechfirma Bharat aus dem "Genome Valley" von Hyderabad startete Ende Oktober in Phase 3, am 3. Januar erteilte die indische Regierung die Freigabe für den Noteinsatz. Ergebnisse der klinischen Studie wurden bis dato nicht veröffentlicht.
Foto: Stringer . / REUTERS
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Der von Emma Walmsley (51) geführte weltgrößte Impfstoffhersteller Glaxosmithkline scheint etwas an der Seitenlinie zu stehen - zumal die spektakuläre Kooperation mit dem Branchenzweiten Sanofi im Dezember enttäuschende Ergebnisse brachte und mit einer neuen Phase 1/2-Studie von vorn beginnen muss.
Doch schon im November begann eine Phase 2/3-Studie, für die Glaxosmithkline ebenfalls den Wirkstoffverstärker liefert. Die kanadische Firma Medicago züchtet den neuen Impfstoff, indem sie Tabakpflanzen das Erbgut der Viren injiziert. In dieses Projekt hat passenderweise auch der Tabakkonzern Philip Morris investiert.
Auch die chinesische Firma Clover Biopharmaceuticals, die im Dezember eine Phase-3-Studie aufnahm, nutzt den GSK-Turbo.
Foto: HANDOUT / AFP
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Auch der US-Konzern Novavax startete im September in Großbritannien in Phase 3, eine US-Studie folgte wegen Produktionsproblemen erst Ende Dezember. Der scheidende US-Präsident Donald Trump zeigte sich schon vor seiner eigenen Corona-Erkrankung als Fan der Produktion, die mit Staatsgeld gefördert wird. Mit dem Massenhersteller Serum Institute of India hat Novavax einen Deal zur Produktion von zwei Milliarden Impfstoffdosen abgeschlossen. Trump hatte lange auf eine Impfung noch vor der US-Präsidentenwahl am 3. November gedrängt.
Foto: CARLOS BARRIA/ REUTERS
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Ebenfalls in Phase 3 befindet sich ein Impfstoff, der nicht erst neu entwickelt werden musste. Das über ein Jahrhundert alte Bacillus Camille-Guérin, traditionell im Einsatz gegen Tuberkulose, wird vom australischen Murdoch Children's Research Institute auf seine Eignung gegen Corona überprüft.
Foto: RODGER BOSCH/ AFP
Das wohl begehrteste Produkt des Jahres: Zum Jahresbeginn läuft die Impfung gegen das Coronavirus wie hier in Israel auf Hochtouren. Mehrere Millionen Menschen haben bereits ihre erste Spritze erhalten. Von weit mehr als hundert Impfstoffprojekten sind bislang zehn in einzelnen Ländern zugelassen (Stand: 6. Januar)
Foto: MENAHEM KAHANA / AFP
Curevac hat sich mit dem Bayer-Konzern für die Impfstoffproduktion zusammengeschlossen - ein Signal, dass die Biotechhoffnung aus Tübingen als Nachzügler doch noch Wucht entfalten könnte. Im Frühjahr 2020 galt Curevac als Vorreiter im Impfstoffrennen, zeitweise ging gar die Angst um, die USA würden die deutsche Biotechfirma kapern.
Es folgten ein Einstieg des Bundes und ein furioser Börsengang an der Nasdaq. Im Oktober 2020, für den Hauptaktionär Dietmar Hopp (80) anfangs schon ein fertiges Produkt verheißen hatte, wurden erst positive Zwischenergebnisse aus Tierversuchen verkündet. Erst im Dezember begannen die klinischen Großversuche der Phase 3 - Curevac glaubt aber, mit dem besseren Impfstoff gut im Rennen zu sein, wenn auch nicht mehr rechtzeitig für den nordamerikanischen Markt. Erst Mitte 2021 wird die Zulassung erwartet.
Foto: Nasdaq MarketSite / dpa
Das erste Vakzin aus westlicher Produktion kam mit der Impfung der 90-jährigen Margaret Keenan im britischen Coventry am 8. Dezember zum Einsatz. Der unter dem Produktnamen Comirnaty vermarktete Impfstoff BNT162b2 wurde nach beeindruckenden Daten aus den klinischen Studien - 95 Prozent Schutz gegen Erkrankung, keine schweren Nebenwirkungen - von Großbritannien zugelassen, gefolgt von den USA, Europa, vielen weiteren Ländern und schließlich auch der Weltgesundheitsorganisation.
Foto: JONNY WEEKS / AFP
Mit dem schützenden Stoff gegen die Pandemie bekommt die von Uğur Şahin (55) geführte Mainzer Firma Biontech eine globale Führungsrolle. Gemeinsam mit dem US-Konzern Pfizer verspricht das Unternehmen 1,3 Milliarden Dosen für 2021 - genug für ein Zwölftel der Menschheit und komplett ausgebucht. Es ist die erste Zulassung eines Impfstoffs der sogenannten mRNA-Technik überhaupt. Größter Nachteil: Das Mittel muss auf minus 70 Grad gekühlt werden. Doch es kommen ja noch Alternativen hinzu.
Foto: FABIAN BIMMER / REUTERS
Die US-Biotechfirma Moderna begann Mitte März als erste mit klinischen Studien. Inzwischen konnte auch die Moderna-Studie eine Wirksamkeit über 90 Prozent belegen. Weiterer Vorteil: Das Mittel ist bei deutlich weniger aufwändiger Kühlung haltbar. Und vor allem: Moderna-Chef Stéphane Bancel (48) hat die Operation "Warp Speed" mit logistischer Hilfe des US-Mililtärs im Rücken. Die Firma setzt wie Biontech auf die mRNA-Technologie, die noch nie in einem zugelassenen Impfstoff zum Einsatz kam - bis Dezember 2020. In den USA gab die Arzneimittelbehörde FDA das Vakzin schon frei, die EU-Behörde EMA folgte nach Kanada und Israel am 6. Januar.
Foto: Bill Sikes / AP Photo
Solange nur die Vakzine von Biontech und Moderna zur Verfügung stehen, reichen die bestellten und lieferbaren Mengen nicht einmal für Europa aus - geschweige denn für einen globalen Schutz. Am meisten Hoffnung auf schnellen Ersatz verspricht das im September in die abschließende klinische Studie gestartete Projekt des US-Pharmakonzerns Johnson & Johnson mit 60.000 Studienteilnehmern in acht Ländern. Das Mittel basiert auf einer bereits im Juli zugelassenen Ebola-Impfung der belgischen Tochterfirma Janssen. Größter Vorteil: Es wird nur eine Dosis pro Person benötigt. Ende Januar wird mit ersten Ergebnissen gerechnet.
Am 4. Januar kam - im Beisein von Premierminister Boris Johnson (56) - auch ein von der Universität Oxford und dem britischen Konzern Astrazeneca entwickelter Impfstoff in britischen Krankenhäusern zum Einsatz. Das Projekt bekam ein frühes Lob der Weltgesundheitsorganisation und milliardenschwere Großaufträge von EU und USA. Der Vektorimpfstoff ist mit rund zwei Euro pro Dosis deutlich günstiger als die mRNA-Mittel von Biontech und Moderna, mit Lagerung zu Kühlschranktemperaturen leichter zu handhaben - und vor allem steht eine Produktionskapazität von drei Milliarden Dosen bereit. Doch Zweifel lasten auf dem Hoffnungsträger ...
Foto: WPA Pool / Getty Images
Im November präsentierte Astrazeneca zwar positive Zwischenergebnisse aus den klinischen Studien in Brasilien und Großbritannien, allerdings mit verwirrenden Daten zur Wirksamkeit bei unterschiedlicher Dosierung. Zur Klärung versprach der Konzern eine weitere Studie. Sicherheit vor Schnelligkeit, wie bis zum Herbst von allen Seiten gepredigt - doch das kostet Zeit. Dann gerieten auch noch die Projektpartner in Streit - und nun versucht der britische Konzern die Flucht nach vorn durch eine Allianz mit Russland. Trotz aller Wirren setzen auch Argentinien und Indien auf das Astrazeneca-Mittel. Viele europäische Politiker wie Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (40) wünschen sich den schnellen Einsatz auch hier.
Foto: Ben Birchall / dpa
Dem Astrazeneca-Produkt sehr ähnlich ist der Impfstoff "Sputnik-V" des staatlichen russischen Gamaleya-Instituts. Der ebenfalls auf Adenoviren, die herkömmliche Erkältungen auslösen, basierende Stoff wurde bereits im August zugelassen, ohne die Prüfung von Wirksamkeit und Sicherheit in klinischen Großstudien abzuwarten. Erst zwei Wochen später kam das russische Vakzin in Phase 3, inzwischen in mehreren Ländern. Immerhin bestätigten die Ergebnisse, dass auch das russische Vakzin extrem gut wirkt. Und Astrazeneca will nun sogar prüfen, ob eine Kombination beider Wirkstoffe die beste Lösung sein könnte. Mit einem zweiten Impfstoff des Vektor-Instituts wiederholte Moskau das Prozedere.
Foto: RDIF HANDOUT/EPA-EFE/Shutterstock
In China, wo das Coronavirus im Januar 2020 entdeckt wurde, sind mehrere Impfstoffe bereits seit Sommer im Einsatz an medizinischem Personal und Risikogruppen. Die staatliche Firma Sinopharm hat zwei verschiedene Impfstoffe auf den Markt gebracht. Ein vom Pekinger Institut für Biologische Produkte entwickelter Totimpfstoff erhielt am 30. Dezember die erste Zulassung für die Allgemeinheit in China - nachdem in Studien eine Wirksamkeit von 79 Prozent gezeigt wurde. Nach Angaben aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, die das Mittel ebenso wie Bahrain und Ägypten ebenfalls freigaben, sind es gar 86 Prozent.
Foto: Zhang Yuwei / dpa
Aus Indien kommt neben der massenhaften Auftragsproduktion für westliche Pharmariesen auch eine Eigenentwicklung: Die mit staatlichen Instituten kooperierende Biotechfirma Bharat aus dem "Genome Valley" von Hyderabad startete Ende Oktober in Phase 3, am 3. Januar erteilte die indische Regierung die Freigabe für den Noteinsatz. Ergebnisse der klinischen Studie wurden bis dato nicht veröffentlicht.
Foto: Stringer . / REUTERS
Der von Emma Walmsley (51) geführte weltgrößte Impfstoffhersteller Glaxosmithkline scheint etwas an der Seitenlinie zu stehen - zumal die spektakuläre Kooperation mit dem Branchenzweiten Sanofi im Dezember enttäuschende Ergebnisse brachte und mit einer neuen Phase 1/2-Studie von vorn beginnen muss.
Doch schon im November begann eine Phase 2/3-Studie, für die Glaxosmithkline ebenfalls den Wirkstoffverstärker liefert. Die kanadische Firma Medicago züchtet den neuen Impfstoff, indem sie Tabakpflanzen das Erbgut der Viren injiziert. In dieses Projekt hat passenderweise auch der Tabakkonzern Philip Morris investiert.
Auch die chinesische Firma Clover Biopharmaceuticals, die im Dezember eine Phase-3-Studie aufnahm, nutzt den GSK-Turbo.
Foto: HANDOUT / AFP
Auch der US-Konzern Novavax startete im September in Großbritannien in Phase 3, eine US-Studie folgte wegen Produktionsproblemen erst Ende Dezember. Der scheidende US-Präsident Donald Trump zeigte sich schon vor seiner eigenen Corona-Erkrankung als Fan der Produktion, die mit Staatsgeld gefördert wird. Mit dem Massenhersteller Serum Institute of India hat Novavax einen Deal zur Produktion von zwei Milliarden Impfstoffdosen abgeschlossen. Trump hatte lange auf eine Impfung noch vor der US-Präsidentenwahl am 3. November gedrängt.
Foto: CARLOS BARRIA/ REUTERS
Ebenfalls in Phase 3 befindet sich ein Impfstoff, der nicht erst neu entwickelt werden musste. Das über ein Jahrhundert alte Bacillus Camille-Guérin, traditionell im Einsatz gegen Tuberkulose, wird vom australischen Murdoch Children's Research Institute auf seine Eignung gegen Corona überprüft.