300 Millionen Impfstoffdosen zusätzlich EU verdoppelt Biontech-Order - und kritisiert deutschen Alleingang

Macht jetzt bei Corona-Impfstoffbestellungen Tempo: EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen (62)
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Macht jetzt bei Corona-Impfstoffbestellungen Tempo: EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen (62)
Foto: Johanna Geron / APDie EU-Kommission hat einen Vertrag über weitere bis zu 300 Millionen Dosen des Corona-Impfstoffs der Mainzer Firma Biontech und ihres US-Partners Pfizer abgeschlossen. 75 Millionen Dosen davon sollten bereits im zweiten Quartal 2021 zur Verfügung stehen, sagte EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen (62) am Freitag in Brüssel.
Es sei von vorneherein klar gewesen, dass man nicht "auf einen Schlag" alle impfen könne, verteidigte von der Leyen Europas Impfstrategie. Wenn man eines Tages zurückschaue, werde man sehen, dass es zu Beginn etwas holprig war. "Das ist immer so bei solchen großen Veränderungen, die man angeht. Aber in der Rückschau bin ich der festen Überzeugung, dass man sehen wird, dass hier viel geleistet worden ist in den Mitgliedstaaten, die Impfungen tatsächlich auch auf den Weg zu bringen." Die Anzahl der Impfungen müsse jedoch "zügig" angehoben werden.
Zugleich erklärte von der Leyen, nationale Deals der 27 Staaten seien nicht erlaubt, weil sie die gemeinschaftlichen Bestellungen gefährden könnten. Alle EU-Staaten hätten sich "rechtlich bindend" darauf verständigt, nur gemeinsam Impfstoffe zu ordern, sagte von der Leyen. Es könne deshalb "keine Parallelverhandlungen, keine Parallelverträge" geben.
Das Bundesgesundheitsministerium hatte aber im Dezember mitgeteilt, dass Berlin neben den Bestellungen über die EU national nochmals 30 Millionen Dosen bei Biontech und seinem US-Partner Pfizer geordert habe. Ein Sprecher des Ministeriums erklärte am Freitag, Verträge der EU würden dadurch nicht berührt. Der deutsche Vertrag mit Biontech und Pfizer sei noch nicht unterzeichnet, ebenso wenig wie ein weiterer mit dem deutschen Hersteller Curevac über 50 Millionen Dosen. Die zusätzlichen Dosen würden erst nach Deutschland geliefert, nachdem die europäischen Partner ihre Chargen aus dem gemeinsamen Vertrag erhalten hätten.
Kommissionschefin von der Leyen ließ offen, ob der nationale Alleingang Konsequenzen haben wird. In der EU hatte auch Ungarn separat bestellt und erhielt Ende Dezember 6000 Dosen des russischen Impfstoffs Sputnik V. Brüssel ist nicht dagegen vorgegangen. Für das russische Mittel wurde bislang keine europäische Zulassung beantragt, es steht daher auch nicht auf der Kaufliste der Union.
Die Europäische Union hatte nach monatelangen Verhandlungen erst im November einen Vertrag über 200 Millionen Impfdosen mit den Herstellerfirmen geschlossen. Eine in dem Vertrag vereinbarte Option für 100 Millionen weitere Dosen wurde Ende Dezember gezogen, als die Impfkampagne gegen das Coronavirus mit dem Biontech-Vakzin als bis dahin einzigen in Europa zugelassenen Mittel begann.
In vielen europäischen Ländern lief die Impfung zögerlich und mit zahlreichen Problemen an, was vielerorts heftige Kritik auslöste - auch daran, dass Europa weniger aggressiv bei Biontech und Pfizer eingekauft hatte als manche andere Länder.
Mit der aktuellen Nachbestellung verdoppelt die EU ihre Order des Biontech-Mittels. Da zwei Dosen pro Person benötigt werden, würden die 600 Millionen Dosen ausreichen, um zwei Drittel der 448 Millionen EU-Bürger zu impfen.
Insgesamt hat die EU mehr als zwei Milliarden Impfdosen bestellt:
600 Millionen von Biontech und Pfizer
160 Millionen von dem Mittel des US-Herstellers Moderna, das am Mittwoch auch in Europa zugelassen wurde und ab der kommenden Woche eingesetzt werden soll
400 Millionen vom britischen Konzern Astrazeneca, dessen Impfstoff in Großbritannien bereits verwendet wird - hierzu signalisierte die EU-Medizinbehörde EMA am Freitag, dass noch im Januar mit einer Freigabe zu rechnen sei
400 Millionen auch vom US-Konzern Johnson & Johnson, der noch im Januar Ergebnisse seiner Studie veröffentlichen will, ob auch mit einer einzelnen Dosis ausreichender Schutz entsteht
300 Millionen von den beiden weltgrößten Impfstoffherstellern Glaxosmithkline und Sanofi, deren Gemeinschaftsprojekt jedoch enttäuschende Zwischenergebnisse lieferte und wohl erst in der zweiten Jahreshälfte fertig wird
und 405 Millionen von dem deutschen Hersteller Curevac, der ebenfalls auf die Jahresmitte vertröstet, am Donnerstag aber eine Allianz mit dem Pharmariesen Bayer verkünden konnte.
Fast die Hälfte der geplanten Jahresproduktion des Biontech-Mittels von 1,3 Milliarden Dosen ist nun für Europa reserviert. Von der Leyen bekräftigte, die EU wolle auch Impfstoff an Länder außerhalb Europas weitergeben, die sich den Kauf der Impfstoffe nicht leisten könnten.
Der Impfstoff von Biontech und Pfizer wirkt laut einer ersten Analyse auch gegen zwei neue Varianten des Coronavirus, die zuerst in Großbritannien und Südafrika nachgewiesen wurden. Dies geht aus einer Studie von Wissenschaftlern der Universität Texas und dem US-Pharmaunternehmen Pfizer hervor, die am Donnerstag veröffentlicht wurde.
Untersucht wurden die Antikörper im Blut von 20 geimpften Menschen. Demnach erreicht der Impfstoff im Einsatz gegen die neuen Varianten wahrscheinlich ebenfalls eine Wirksamkeit von 95 Prozent. Die Studie wurde vorab veröffentlicht, sie wurde noch nicht in einem Fachjournal veröffentlicht und von unabhängigen Experten geprüft.
Bei Viren gibt es stetig zufällige Veränderungen im Erbgut, Mutationen genannt. Manche verschaffen dem Erreger Vorteile - etwa, indem sie ihn leichter übertragbar machen. Im Dezember wurden eine Variante des Coronavirus (B.1.1.7) in Großbritannien sowie eine ähnliche (501Y.V2) in Südafrika nachgewiesen, die ersten Analysen zufolge ansteckender sein könnten als die bisher kursierenden.
Das wohl begehrteste Produkt des Jahres: Zum Jahresbeginn läuft die Impfung gegen das Coronavirus wie hier in Israel auf Hochtouren. Mehrere Millionen Menschen haben bereits ihre erste Spritze erhalten. Von weit mehr als hundert Impfstoffprojekten sind bislang zehn in einzelnen Ländern zugelassen (Stand: 11. März)
Eine Pionierrolle hat die von Uğur Şahin (55) geführte Mainzer Firma Biontech. Der gemeinsam mit dem US-Konzern Pfizer entwickelte Impfstoff gegen Covid-19 ist der erste zugelassene der sogenannten mRNA-Technik überhaupt. Nach überzeugenden klinischen Daten - 95 Prozent Schutz gegen Erkrankung, keine schweren Nebenwirkungen - startete die Impfkampagne am 2. Dezember 2020 in Großbritannien. Inzwischen haben 27 Länder (wobei die EU als eines zählt) sowie die Weltgesundheitsorganisation das Mittel zugelassen. Zwei Milliarden Dosen sollen 2021 produziert werden. Da jede Person zwei Dosen bekommt, reicht das für ein Achtel der Menschheit. Größter Nachteil: Das Mittel muss auf minus 70 Grad gekühlt werden. Doch es kommen ja noch Alternativen hinzu.
Die US-Biotechfirma Moderna begann Mitte März 2020 als erste mit klinischen Studien. Auch diese konnten eine Wirksamkeit von gut 94 Prozent belegen. Weiterer Vorteil: Das Mittel ist bei deutlich weniger aufwendiger Kühlung haltbar. Und vor allem: Moderna-Chef Stéphane Bancel (48) hat die Operation "Warp Speed" mit logistischer Hilfe des US-Mililtärs im Rücken. Die Firma setzt wie Biontech auf die mRNA-Technologie. Nach den USA am 18. Dezember setzen auch Kanada, Israel, Großbritannien, die EU und die Schweiz das Vakzin ein.
Am 4. Januar kam - im Beisein von Premierminister Boris Johnson (56) - auch ein von der Universität Oxford und dem britischen Konzern Astrazeneca entwickelter Impfstoff in britischen Krankenhäusern zum Einsatz. Laut EU-Behörde EMA ist dieses Vakzin zu rund 60 Prozent wirksam, mit anderer Dosierung wurden aber auch mehr als 90 Prozent erreicht. Es handelt sich um einen Vektorimpfstoff - nicht ganz so revolutionär wie mRNA, diese Technik ist aber auch erst seit 2016 im kommerziellen Einsatz.
Die Uni Oxford hat Astrazeneca zu einem Non-Profit-Betrieb verpflichtet. Der Impfstoff ist mit rund zwei Euro pro Dosis deutlich günstiger als die mRNA-Mittel von Biontech und Moderna, mit Lagerung zu Kühlschranktemperaturen leichter zu handhaben - und vor allem steht eine Produktionskapazität von drei Milliarden Dosen bereit, ein Großteil davon in Indien für arme Länder. Doch der Hoffnungsträger sorgt immer wieder für Enttäuschungen, zuletzt setzten Dänemark und Norwegen die Impfungen sogar wegen eines Todesfalls aus. Deutschland hatte die knappen Dosen zunächst nur an die unter 65-Jährigen verimpft, am 4. März hat die Ständige Impfkommission das Vakzin aber auch für ältere Menschen empfohlen. Neue Studiendaten belegen zudem, dass das Mittel bei einem Abstand zwischen der Erst- und Zweitimpfung von zwölf Wochen noch wirksamer ist.
In den USA hat der Impfstoff von Johnson & Johnson (J&J) bereits am 27. Februar eine Notfallzulassung erhalten. In der EU gab die zuständige Behörde dann am 11. März die Empfehlung zur Zulassung.
Im Vergleich zu Biontech/Pfizer sowie dem Impfstoff von Moderna und Astrazeneca bietet das Mittel den Vorteil, dass eine Dosis ausreichen soll statt zwei. Zudem muss das Präparat nicht tiefgefroren gelagert werden, was die Verteilung erleichtert. J&J hatte Ende Januar für das Mittel eine Wirksamkeit von 66 Prozent beim Schutz vor mittelschweren bis schweren Covid-19-Verläufen in seiner weltweiten Untersuchung mit rund 44.000 Teilnehmern gemeldet. Bei der Vorbeugung einer Krankenhauseinweisung war das Vakzin 14 Tage nach der Impfung zu 85 Prozent wirksam und zu 100 Prozent nach 28 Tagen.
Dem Astrazeneca-Produkt sehr ähnlich (Vektorimpfstoff) ist der Impfstoff "Sputnik-V" des staatlichen russischen Gamaleya-Instituts. Der ebenfalls auf Adenoviren - die herkömmliche Erkältungen auslösen - basierende Stoff wurde von Russland bereits im August zugelassen, ohne die Prüfung von Wirksamkeit und Sicherheit in klinischen Großstudien abzuwarten. Erst zwei Wochen später kam das Vakzin in Phase 3. Für dieses Vorgehen hagelte es Kritik, doch inzwischen trägt der Impfstoff mit einer Wirksamkeit von 92 Prozent das Siegel der Wissenschaft.
Inzwischen wird das Vakzin in 46 Ländern eingesetzt, Ende Januar wurde auch die EU-Zulassung beantragt, nachdem Gamaleya und Astrazeneca eine Kooperation für einen Superimpfstoff ankündigten und sich auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (66) für das russische Mittel einsetzte. Einige europäische Länder wollen aber nicht mehr auf die Zulassung warten: In Ungarn, der Slowakei und Tschechien ist Sputnik V bereits zugelassen oder es laufen nationale Zulassungsverfahren.
In China, wo das Coronavirus im Januar 2020 entdeckt wurde, sind mehrere Impfstoffe bereits seit dem Sommer 2020 im millionenfachen Einsatz an medizinischem Personal und Risikogruppen oder auch dem Militär. Die staatliche Firma Sinopharm hat zwei verschiedene Impfstoffe auf den Markt gebracht. Ein vom Pekinger Institut für Biologische Produkte entwickelter Totimpfstoff erhielt am 31. Dezember die erste Zulassung für die Allgemeinheit in China - nachdem in Studien eine Wirksamkeit von 79 Prozent gezeigt wurde. Beide Impfstoffe von Sinopharm werden in Phase-III-Studien getestet. Nach Angaben aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, die das Mittel ebenso wie Bahrain und Ägypten ebenfalls freigaben, sind es gar 86 Prozent. In China selbst gibt es längst nicht mehr genügend Infizierte für die Kontrollgruppe.
Holpriger lief es für die Privatfirma Sinovac, deren Impfstoff in Brasilien nur etwas über 50 Prozent Wirksamkeit zeigte. Die Veröffentlichung der Studienergebnisse wurde mehrfach verschoben. In der Türkei hatten Wissenschaftler einen Wert von 92 Prozent genannt, dafür aber nur eine dünne Datenbasis. In Brasilien ist die Kooperation mit China heftig umstritten, Präsident Jair Bolsonaro versuchte sie zu stoppen. Mangels Alternativen setzen Brasilien, Indonesien und weitere Länder nun auch das Sinovac-Vakzin ein. Indonesien hat dem Impfstoff am 11. Januar als erstes Land außerhalb Chinas eine Notfallgenehmigung erteilt.
Ein Vektorimpfstoff der chinesischen Biotechfirma Cansino Bio und ein weiteres Sinopharm-Produkt aus den Laboren des Wuhan-Instituts - am Ursprungsort der Krise - sind in China und einigen weiteren Ländern ebenfalls vorläufig zugelassen.
Aus Indien kommt neben der massenhaften Auftragsproduktion für westliche Pharmariesen auch eine Eigenentwicklung: Die mit staatlichen Instituten kooperierende Biotechfirma Bharat aus dem "Genome Valley" von Hyderabad startete Ende Oktober in Phase 3, am 3. Januar erteilte die indische Regierung die Freigabe für den Noteinsatz. Ergebnisse der klinischen Studie wurden bis dato nicht veröffentlicht.
Zeitgleich mit Johnson & Johnson meldete auch die US-Firma Novavax Fortschritte, wiederum mit dem Nachteil, dass die südafrikanische Mutation offenbar die Impfung schwächt. In Großbritannien erreichte der Proteinimpfstoff aber 89 Prozent Wirksamkeit, die US-Studie startete wegen Produktionsproblemen trotz Milliardenförderung vom Staat erst Ende Dezember. Novavax hat mit derselben Technik bereits einen Impfstoff gegen Grippe entwickelt. Für die Covid-Impfung haben die Amerikaner früh mit dem Serum Institute of India einen Auftrag zur Massenproduktion von zwei Milliarden Dosen vereinbart. In den USA sei eine Notfallzulassung des Impfstoffs ab Mai möglich, sagte Novavax-Chef Stanley Erck.
Curevac hat sich mit dem Bayer-Konzern für die Impfstoffproduktion zusammengeschlossen - ein Signal, dass die Biotechhoffnung aus Tübingen als Nachzügler doch noch Wucht entfalten könnte. Im Frühjahr 2020 galt Curevac als Vorreiter im Impfstoffrennen, zeitweise ging gar die Angst um, die USA würden die deutsche Biotechfirma kapern.
Es folgten ein Einstieg des Bundes und ein furioser Börsengang an der Nasdaq. Im Oktober 2020, für den Hauptaktionär Dietmar Hopp (80) anfangs schon ein fertiges Produkt verheißen hatte, wurden erst positive Zwischenergebnisse aus Tierversuchen verkündet. Erst im Dezember begannen die klinischen Großversuche der Phase 3 mit 35.000 Teilnehmern - Curevac glaubt aber, mit dem besseren Impfstoff gut im Rennen zu sein, wenn auch nicht mehr rechtzeitig für den nordamerikanischen Markt. Erst Mitte 2021 wird die Zulassung erwartet. Dafür wird mithilfe von Glaxosmithkline gleich die nächste Generation vorbereitet - mutantensicher.
Der von Emma Walmsley (51) geführte weltgrößte Impfstoffhersteller Glaxosmithkline scheint etwas an der Seitenlinie zu stehen - zumal die spektakuläre Kooperation mit dem Branchenzweiten Sanofi im Dezember enttäuschende Ergebnisse brachte und mit einer neuen Phase 1/2-Studie von vorn beginnen muss. Beide Partner haben jedoch neue Aufgaben gefunden: Sanofi hilft bei der Produktion des Biontech-Mittels, Glaxosmithkline verbündet sich mit dem deutschen Hersteller Curevac. Zudem liefern die Briten ihren Wirkstoffverstärker für weitere Impfstoffprojekte, die bereits in Phase 3 sind: eines der chinesischen Firma Clover Biopharmaceuticals und eines der kanadischen Firma Medicago, die den neuen Impfstoff züchtet, indem sie Tabakpflanzen das Erbgut der Viren injiziert. In dieses Projekt hat passenderweise auch der Tabakkonzern Philip Morris investiert.
Das wohl begehrteste Produkt des Jahres: Zum Jahresbeginn läuft die Impfung gegen das Coronavirus wie hier in Israel auf Hochtouren. Mehrere Millionen Menschen haben bereits ihre erste Spritze erhalten. Von weit mehr als hundert Impfstoffprojekten sind bislang zehn in einzelnen Ländern zugelassen (Stand: 11. März)
Foto: MENAHEM KAHANA / AFPEine Pionierrolle hat die von Uğur Şahin (55) geführte Mainzer Firma Biontech. Der gemeinsam mit dem US-Konzern Pfizer entwickelte Impfstoff gegen Covid-19 ist der erste zugelassene der sogenannten mRNA-Technik überhaupt. Nach überzeugenden klinischen Daten - 95 Prozent Schutz gegen Erkrankung, keine schweren Nebenwirkungen - startete die Impfkampagne am 2. Dezember 2020 in Großbritannien. Inzwischen haben 27 Länder (wobei die EU als eines zählt) sowie die Weltgesundheitsorganisation das Mittel zugelassen. Zwei Milliarden Dosen sollen 2021 produziert werden. Da jede Person zwei Dosen bekommt, reicht das für ein Achtel der Menschheit. Größter Nachteil: Das Mittel muss auf minus 70 Grad gekühlt werden. Doch es kommen ja noch Alternativen hinzu.
Foto: FABIAN BIMMER / REUTERSDie US-Biotechfirma Moderna begann Mitte März 2020 als erste mit klinischen Studien. Auch diese konnten eine Wirksamkeit von gut 94 Prozent belegen. Weiterer Vorteil: Das Mittel ist bei deutlich weniger aufwendiger Kühlung haltbar. Und vor allem: Moderna-Chef Stéphane Bancel (48) hat die Operation "Warp Speed" mit logistischer Hilfe des US-Mililtärs im Rücken. Die Firma setzt wie Biontech auf die mRNA-Technologie. Nach den USA am 18. Dezember setzen auch Kanada, Israel, Großbritannien, die EU und die Schweiz das Vakzin ein.
Foto: Bill Sikes / AP PhotoAm 4. Januar kam - im Beisein von Premierminister Boris Johnson (56) - auch ein von der Universität Oxford und dem britischen Konzern Astrazeneca entwickelter Impfstoff in britischen Krankenhäusern zum Einsatz. Laut EU-Behörde EMA ist dieses Vakzin zu rund 60 Prozent wirksam, mit anderer Dosierung wurden aber auch mehr als 90 Prozent erreicht. Es handelt sich um einen Vektorimpfstoff - nicht ganz so revolutionär wie mRNA, diese Technik ist aber auch erst seit 2016 im kommerziellen Einsatz.
Die Uni Oxford hat Astrazeneca zu einem Non-Profit-Betrieb verpflichtet. Der Impfstoff ist mit rund zwei Euro pro Dosis deutlich günstiger als die mRNA-Mittel von Biontech und Moderna, mit Lagerung zu Kühlschranktemperaturen leichter zu handhaben - und vor allem steht eine Produktionskapazität von drei Milliarden Dosen bereit, ein Großteil davon in Indien für arme Länder. Doch der Hoffnungsträger sorgt immer wieder für Enttäuschungen, zuletzt setzten Dänemark und Norwegen die Impfungen sogar wegen eines Todesfalls aus. Deutschland hatte die knappen Dosen zunächst nur an die unter 65-Jährigen verimpft, am 4. März hat die Ständige Impfkommission das Vakzin aber auch für ältere Menschen empfohlen. Neue Studiendaten belegen zudem, dass das Mittel bei einem Abstand zwischen der Erst- und Zweitimpfung von zwölf Wochen noch wirksamer ist.
Foto: WPA Pool / Getty ImagesIn den USA hat der Impfstoff von Johnson & Johnson (J&J) bereits am 27. Februar eine Notfallzulassung erhalten. In der EU gab die zuständige Behörde dann am 11. März die Empfehlung zur Zulassung.
Im Vergleich zu Biontech/Pfizer sowie dem Impfstoff von Moderna und Astrazeneca bietet das Mittel den Vorteil, dass eine Dosis ausreichen soll statt zwei. Zudem muss das Präparat nicht tiefgefroren gelagert werden, was die Verteilung erleichtert. J&J hatte Ende Januar für das Mittel eine Wirksamkeit von 66 Prozent beim Schutz vor mittelschweren bis schweren Covid-19-Verläufen in seiner weltweiten Untersuchung mit rund 44.000 Teilnehmern gemeldet. Bei der Vorbeugung einer Krankenhauseinweisung war das Vakzin 14 Tage nach der Impfung zu 85 Prozent wirksam und zu 100 Prozent nach 28 Tagen.
Foto: © Sebastien Pirlet / Reuters/ REUTERSDem Astrazeneca-Produkt sehr ähnlich (Vektorimpfstoff) ist der Impfstoff "Sputnik-V" des staatlichen russischen Gamaleya-Instituts. Der ebenfalls auf Adenoviren - die herkömmliche Erkältungen auslösen - basierende Stoff wurde von Russland bereits im August zugelassen, ohne die Prüfung von Wirksamkeit und Sicherheit in klinischen Großstudien abzuwarten. Erst zwei Wochen später kam das Vakzin in Phase 3. Für dieses Vorgehen hagelte es Kritik, doch inzwischen trägt der Impfstoff mit einer Wirksamkeit von 92 Prozent das Siegel der Wissenschaft.
Inzwischen wird das Vakzin in 46 Ländern eingesetzt, Ende Januar wurde auch die EU-Zulassung beantragt, nachdem Gamaleya und Astrazeneca eine Kooperation für einen Superimpfstoff ankündigten und sich auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (66) für das russische Mittel einsetzte. Einige europäische Länder wollen aber nicht mehr auf die Zulassung warten: In Ungarn, der Slowakei und Tschechien ist Sputnik V bereits zugelassen oder es laufen nationale Zulassungsverfahren.
Foto: RDIF HANDOUT/EPA-EFE/ShutterstockIn China, wo das Coronavirus im Januar 2020 entdeckt wurde, sind mehrere Impfstoffe bereits seit dem Sommer 2020 im millionenfachen Einsatz an medizinischem Personal und Risikogruppen oder auch dem Militär. Die staatliche Firma Sinopharm hat zwei verschiedene Impfstoffe auf den Markt gebracht. Ein vom Pekinger Institut für Biologische Produkte entwickelter Totimpfstoff erhielt am 31. Dezember die erste Zulassung für die Allgemeinheit in China - nachdem in Studien eine Wirksamkeit von 79 Prozent gezeigt wurde. Beide Impfstoffe von Sinopharm werden in Phase-III-Studien getestet. Nach Angaben aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, die das Mittel ebenso wie Bahrain und Ägypten ebenfalls freigaben, sind es gar 86 Prozent. In China selbst gibt es längst nicht mehr genügend Infizierte für die Kontrollgruppe.
Foto: Zhang Yuwei / dpaAus Indien kommt neben der massenhaften Auftragsproduktion für westliche Pharmariesen auch eine Eigenentwicklung: Die mit staatlichen Instituten kooperierende Biotechfirma Bharat aus dem "Genome Valley" von Hyderabad startete Ende Oktober in Phase 3, am 3. Januar erteilte die indische Regierung die Freigabe für den Noteinsatz. Ergebnisse der klinischen Studie wurden bis dato nicht veröffentlicht.
Foto: Stringer . / REUTERSZeitgleich mit Johnson & Johnson meldete auch die US-Firma Novavax Fortschritte, wiederum mit dem Nachteil, dass die südafrikanische Mutation offenbar die Impfung schwächt. In Großbritannien erreichte der Proteinimpfstoff aber 89 Prozent Wirksamkeit, die US-Studie startete wegen Produktionsproblemen trotz Milliardenförderung vom Staat erst Ende Dezember. Novavax hat mit derselben Technik bereits einen Impfstoff gegen Grippe entwickelt. Für die Covid-Impfung haben die Amerikaner früh mit dem Serum Institute of India einen Auftrag zur Massenproduktion von zwei Milliarden Dosen vereinbart. In den USA sei eine Notfallzulassung des Impfstoffs ab Mai möglich, sagte Novavax-Chef Stanley Erck.
Foto: ANDREW CABALLERO-REYNOLDS / AFPCurevac hat sich mit dem Bayer-Konzern für die Impfstoffproduktion zusammengeschlossen - ein Signal, dass die Biotechhoffnung aus Tübingen als Nachzügler doch noch Wucht entfalten könnte. Im Frühjahr 2020 galt Curevac als Vorreiter im Impfstoffrennen, zeitweise ging gar die Angst um, die USA würden die deutsche Biotechfirma kapern.
Es folgten ein Einstieg des Bundes und ein furioser Börsengang an der Nasdaq. Im Oktober 2020, für den Hauptaktionär Dietmar Hopp (80) anfangs schon ein fertiges Produkt verheißen hatte, wurden erst positive Zwischenergebnisse aus Tierversuchen verkündet. Erst im Dezember begannen die klinischen Großversuche der Phase 3 mit 35.000 Teilnehmern - Curevac glaubt aber, mit dem besseren Impfstoff gut im Rennen zu sein, wenn auch nicht mehr rechtzeitig für den nordamerikanischen Markt. Erst Mitte 2021 wird die Zulassung erwartet. Dafür wird mithilfe von Glaxosmithkline gleich die nächste Generation vorbereitet - mutantensicher.
Foto: Nasdaq MarketSite / dpaDer von Emma Walmsley (51) geführte weltgrößte Impfstoffhersteller Glaxosmithkline scheint etwas an der Seitenlinie zu stehen - zumal die spektakuläre Kooperation mit dem Branchenzweiten Sanofi im Dezember enttäuschende Ergebnisse brachte und mit einer neuen Phase 1/2-Studie von vorn beginnen muss. Beide Partner haben jedoch neue Aufgaben gefunden: Sanofi hilft bei der Produktion des Biontech-Mittels, Glaxosmithkline verbündet sich mit dem deutschen Hersteller Curevac. Zudem liefern die Briten ihren Wirkstoffverstärker für weitere Impfstoffprojekte, die bereits in Phase 3 sind: eines der chinesischen Firma Clover Biopharmaceuticals und eines der kanadischen Firma Medicago, die den neuen Impfstoff züchtet, indem sie Tabakpflanzen das Erbgut der Viren injiziert. In dieses Projekt hat passenderweise auch der Tabakkonzern Philip Morris investiert.
Foto: HANDOUT / AFP