Kombination aus zwei Vakzinen
Astrazeneca und Russland besiegeln Impfstoffkooperation
West-Ost-Allianz: Der britische Pharmakonzern Astrazeneca hat eine fertige Corona-Impfung, aber Zweifel an den Studienergebnissen. Das russische Gamaleya-Institut liefert einen ähnlichen Stoff, hat aber Akzeptanzprobleme im Westen. Jetzt tun sich beide zusammen
Prestigeerfolg: Russlands Präsident Wladimir Putin in der Videokonferenz mit Gamaleya-Institutschef Alexander Ginzburg und Astrazeneca-Chef Pascal Soriot
Foto: Alexei Nikolsky / AP
Im Kampf gegen das Coronavirus soll eine Kombination aus dem russischen Impfstoff "Sputnik V" und dem Vakzin "AZD1222" des britischen Pharmakonzerns Astrazeneca zu einem hochwirksamen Schutz vor dem Erreger führen. Das teilten beide Seiten am Montag bei der Unterzeichnung eines Memorandums für eine Zusammenarbeit bei der Entwicklung von Impfstoffen mit.
Kremlchef Wladimir Putin (68) lobte im Staatsfernsehen die Kooperation als beispielhaft. Hier werde getan, wozu die Weltgesundheitsorganisation immer wieder aufrufe: "zur Vereinigung der Anstrengungen". Russland hat neben "Sputnik V" noch zwei weitere Impfstoffe entwickelt.
Eine Kombination verschiedener Vakzine kann Astrazeneca zufolge womöglich zu einem besseren Schutz gegen das Virus führen. Der Chef des Gamaleya-Forschungszentrums für Epidemiologie und Mikrobiologie, Alexander Ginzburg (69), sagte in Moskau, dass beide Impfstoffe zusammenpassten. Die klinischen Studien könnten sofort beginnen.
Sowohl "Sputnik V" als auch "AZD1222" sind sogenannte Vektorimpfstoffe, die den Körper der geimpften Person anleiten, Antikörper gegen das Coronavirus zu bilden. Beide verwenden Adenoviren, die herkömmliche Erkältungen auslösen, als Grundlage. Russland wurde für die frühzeitige Notzulassung des Sputnik-Vakzins im August heftig kritisiert, weil noch nicht ausreichend Daten zur Wirksamkeit und Verträglichkeit des Mittels vorlagen. Inzwischen hat die klinische Studie unter mehr als 22.000 Probanden in mehreren Ländern aber eine Wirksamkeit von 91,4 Prozent ohne schwere Nebenwirkungen bestätigt. Mehrere Länder haben den Impfstoff bestellt, aber keines in Westeuropa oder Nordamerika, wo bislang auch keine Zulassung beantragt wurde.
Astrazeneca in der Warteschleife
Der von Astrazeneca und der Universität Oxford entwickelte Impfstoff galt lange als größter globaler Hoffnungsträger. Der Pharmariese hat das größte Produktionsnetzwerk für eine Corona-Impfung bereitgestellt. WHO und EU setzten stark auf dieses Mittel. Es wurde Anfang Oktober als erstes zum europäischen Zulassungsverfahren angemeldet. Auch der Astrazeneca/Oxford-Impfstoff erwies sich in der abschließenden Phase-III-Studie als ausreichend wirksam.
Für Verwirrung sorgte jedoch die Feststellung, dass der Impfstoff zu 90 Prozent wirksam sei, wenn die erste Spritze eine halbe Dosis enthalte, mit voller Dosis aber nur zu 62,1 Prozent. Die Projektpartner stritten anschließend, ob die wirksame Formel aus Absicht oder Zufall gefunden wurde. Astrazeneca kündigte eine neue Studie an, um für Klarheit zu sorgen - was aber weitere Monate kosten dürfte.
Foto: MENAHEM KAHANA / AFP
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Diese Impfstoffprojekte gegen Covid-19 sind am weitesten
Russlands staatlicher Direktinvestmentfonds RDIF hatte Astrazeneca nach eigenen Angaben eine Zusammenarbeit angeboten. Während in Russland bereits Massenimpfungen laufen mit "Sputnik V", ist das Vakzin von Astrazeneca bisher nicht zugelassen. RDIF-Chef Kirill Dmitrijew (45) sagte, dass Russland offen sei für weitere Kooperationen mit westlichen Partnern. "Sputnik V" sei hochwirksam auch bei Mutationen - wie jetzt in Großbritannien - und preisgünstig.
Großbritannien könnte Astrazeneca-Impfstoff noch 2020 zulassen
In Russland sollen nach Angaben der Gesundheitsbehörden bis Jahresende mehr als eine halbe Million Impfdosen verabreicht werden. Bis November 2021 sollen 70 Prozent der Bevölkerung geimpft sein. Das Land will im nächsten Jahr eine halbe Milliarde Impfdosen produzieren lassen - vor allem für den Export.
Der Wissenschaftler Ginzburg sagte, dass in Kürze auch mit der Impfung von Über-60-Jährigen begonnen werden solle. "Sputnik V" war zunächst nur für Menschen im Alter von 18 bis 60 Jahren zugelassen worden. Ginzburg äußerte die Hoffnung, dass sich auch Putin bald impfen lasse. Der 68-jährige Präsident hatte in der vergangenen Woche erklärt, dass er wegen der bisherigen Nichtzulassung des Vakzins für ältere Menschen auf die Spritze verzichte. Seine Tochter Katerina Tichonowa (34) hatte zu den ersten Probandinnen gehört.
In Großbritannien könnte das Astrazeneca-Vakzin unabhängig von der Russland-Kooperation und einer neuen Studie noch in diesem Jahr zugelassen werden. Die britische Arzneimittelbehörde MHRA habe ihre Überprüfung noch nicht abgeschlossen, sagte eine MHRA-Sprecherin am Samstag. "Unser Verfahren zur Zulassung von Impfstoffen soll sicherstellen, dass jeder zugelassene Covid-19-Impfstoff die erwarteten hohen Standards in Bezug auf Sicherheit, Qualität und Wirksamkeit erfüllt." Zuvor hatte die Zeitung "Daily Telegraph" berichtet, das Vakzin solle am 28. oder 29. Dezember die Zulassung erhalten.
Prestigeerfolg: Russlands Präsident Wladimir Putin in der Videokonferenz mit Gamaleya-Institutschef Alexander Ginzburg und Astrazeneca-Chef Pascal Soriot
12 BilderDiese Impfstoffprojekte gegen Covid-19 sind am weitesten
1 / 12
Das wohl begehrteste Produkt des Jahres: Zum Jahresbeginn läuft die Impfung gegen das Coronavirus wie hier in Israel auf Hochtouren. Mehrere Millionen Menschen haben bereits ihre erste Spritze erhalten. Von weit mehr als hundert Impfstoffprojekten sind bislang zehn in einzelnen Ländern zugelassen (Stand: 11. März)
Foto: MENAHEM KAHANA / AFP
2 / 12
Eine Pionierrolle hat die von Uğur Şahin (55) geführte Mainzer Firma Biontech. Der gemeinsam mit dem US-Konzern Pfizer entwickelte Impfstoff gegen Covid-19 ist der erste zugelassene der sogenannten mRNA-Technik überhaupt. Nach überzeugenden klinischen Daten - 95 Prozent Schutz gegen Erkrankung, keine schweren Nebenwirkungen - startete die Impfkampagne am 2. Dezember 2020 in Großbritannien. Inzwischen haben 27 Länder (wobei die EU als eines zählt) sowie die Weltgesundheitsorganisation das Mittel zugelassen. Zwei Milliarden Dosen sollen 2021 produziert werden. Da jede Person zwei Dosen bekommt, reicht das für ein Achtel der Menschheit. Größter Nachteil: Das Mittel muss auf minus 70 Grad gekühlt werden. Doch es kommen ja noch Alternativen hinzu.
Foto: FABIAN BIMMER / REUTERS
3 / 12
Die US-Biotechfirma Moderna begann Mitte März 2020 als erste mit klinischen Studien. Auch diese konnten eine Wirksamkeit von gut 94 Prozent belegen. Weiterer Vorteil: Das Mittel ist bei deutlich weniger aufwendiger Kühlung haltbar. Und vor allem: Moderna-Chef Stéphane Bancel (48) hat die Operation "Warp Speed" mit logistischer Hilfe des US-Mililtärs im Rücken. Die Firma setzt wie Biontech auf die mRNA-Technologie. Nach den USA am 18. Dezember setzen auch Kanada, Israel, Großbritannien, die EU und die Schweiz das Vakzin ein.
Foto: Bill Sikes / AP Photo
4 / 12
Am 4. Januar kam - im Beisein von Premierminister Boris Johnson (56) - auch ein von der Universität Oxford und dem britischen Konzern Astrazeneca entwickelter Impfstoff in britischen Krankenhäusern zum Einsatz. Laut EU-Behörde EMA ist dieses Vakzin zu rund 60 Prozent wirksam, mit anderer Dosierung wurden aber auch mehr als 90 Prozent erreicht. Es handelt sich um einen Vektorimpfstoff - nicht ganz so revolutionär wie mRNA, diese Technik ist aber auch erst seit 2016 im kommerziellen Einsatz.
Die Uni Oxford hat Astrazeneca zu einem Non-Profit-Betrieb verpflichtet. Der Impfstoff ist mit rund zwei Euro pro Dosis deutlich günstiger als die mRNA-Mittel von Biontech und Moderna, mit Lagerung zu Kühlschranktemperaturen leichter zu handhaben - und vor allem steht eine Produktionskapazität von drei Milliarden Dosen bereit, ein Großteil davon in Indien für arme Länder. Doch der Hoffnungsträger sorgt immer wieder für Enttäuschungen, zuletzt setzten Dänemark und Norwegen die Impfungen sogar wegen eines Todesfalls aus. Deutschland hatte die knappen Dosen zunächst nur an die unter 65-Jährigen verimpft, am 4. März hat die Ständige Impfkommission das Vakzin aber auch für ältere Menschen empfohlen. Neue Studiendaten belegen zudem, dass das Mittel bei einem Abstand zwischen der Erst- und Zweitimpfung von zwölf Wochen noch wirksamer ist.
Foto: WPA Pool / Getty Images
5 / 12
In den USA hat der Impfstoff von Johnson & Johnson (J&J) bereits am 27. Februar eine Notfallzulassung erhalten. In der EU gab die zuständige Behörde dann am 11. März die Empfehlung zur Zulassung.
Im Vergleich zu Biontech/Pfizer sowie dem Impfstoff von Moderna und Astrazeneca bietet das Mittel den Vorteil, dass eine Dosis ausreichen soll statt zwei. Zudem muss das Präparat nicht tiefgefroren gelagert werden, was die Verteilung erleichtert. J&J hatte Ende Januar für das Mittel eine Wirksamkeit von 66 Prozent beim Schutz vor mittelschweren bis schweren Covid-19-Verläufen in seiner weltweiten Untersuchung mit rund 44.000 Teilnehmern gemeldet. Bei der Vorbeugung einer Krankenhauseinweisung war das Vakzin 14 Tage nach der Impfung zu 85 Prozent wirksam und zu 100 Prozent nach 28 Tagen.
Dem Astrazeneca-Produkt sehr ähnlich (Vektorimpfstoff) ist der Impfstoff "Sputnik-V" des staatlichen russischen Gamaleya-Instituts. Der ebenfalls auf Adenoviren - die herkömmliche Erkältungen auslösen - basierende Stoff wurde von Russland bereits im August zugelassen, ohne die Prüfung von Wirksamkeit und Sicherheit in klinischen Großstudien abzuwarten. Erst zwei Wochen später kam das Vakzin in Phase 3. Für dieses Vorgehen hagelte es Kritik, doch inzwischen trägt der Impfstoff mit einer Wirksamkeit von 92 Prozent das Siegel der Wissenschaft.
Inzwischen wird das Vakzin in 46 Ländern eingesetzt, Ende Januar wurde auch die EU-Zulassung beantragt, nachdem Gamaleya und Astrazeneca eine Kooperation für einen Superimpfstoff ankündigten und sich auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (66) für das russische Mittel einsetzte. Einige europäische Länder wollen aber nicht mehr auf die Zulassung warten: In Ungarn, der Slowakei und Tschechien ist Sputnik V bereits zugelassen oder es laufen nationale Zulassungsverfahren.
Foto: RDIF HANDOUT/EPA-EFE/Shutterstock
7 / 12
In China, wo das Coronavirus im Januar 2020 entdeckt wurde, sind mehrere Impfstoffe bereits seit dem Sommer 2020 im millionenfachen Einsatz an medizinischem Personal und Risikogruppen oder auch dem Militär. Die staatliche Firma Sinopharm hat zwei verschiedene Impfstoffe auf den Markt gebracht. Ein vom Pekinger Institut für Biologische Produkte entwickelter Totimpfstoff erhielt am 31. Dezember die erste Zulassung für die Allgemeinheit in China - nachdem in Studien eine Wirksamkeit von 79 Prozent gezeigt wurde. Beide Impfstoffe von Sinopharm werden in Phase-III-Studien getestet. Nach Angaben aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, die das Mittel ebenso wie Bahrain und Ägypten ebenfalls freigaben, sind es gar 86 Prozent. In China selbst gibt es längst nicht mehr genügend Infizierte für die Kontrollgruppe.
Foto: Zhang Yuwei / dpa
8 / 12
Holpriger lief es für die Privatfirma Sinovac, deren Impfstoff in Brasilien nur etwas über 50 Prozent Wirksamkeit zeigte. Die Veröffentlichung der Studienergebnisse wurde mehrfach verschoben. In der Türkei hatten Wissenschaftler einen Wert von 92 Prozent genannt, dafür aber nur eine dünne Datenbasis. In Brasilien ist die Kooperation mit China heftig umstritten, Präsident Jair Bolsonaro versuchte sie zu stoppen. Mangels Alternativen setzen Brasilien, Indonesien und weitere Länder nun auch das Sinovac-Vakzin ein. Indonesien hat dem Impfstoff am 11. Januar als erstes Land außerhalb Chinas eine Notfallgenehmigung erteilt.
Ein Vektorimpfstoff der chinesischen Biotechfirma Cansino Bio und ein weiteres Sinopharm-Produkt aus den Laboren des Wuhan-Instituts - am Ursprungsort der Krise - sind in China und einigen weiteren Ländern ebenfalls vorläufig zugelassen.
Foto: Nicolas Asfouri / AFP
9 / 12
Aus Indien kommt neben der massenhaften Auftragsproduktion für westliche Pharmariesen auch eine Eigenentwicklung: Die mit staatlichen Instituten kooperierende Biotechfirma Bharat aus dem "Genome Valley" von Hyderabad startete Ende Oktober in Phase 3, am 3. Januar erteilte die indische Regierung die Freigabe für den Noteinsatz. Ergebnisse der klinischen Studie wurden bis dato nicht veröffentlicht.
Foto: Stringer . / REUTERS
10 / 12
Zeitgleich mit Johnson & Johnson meldete auch die US-Firma Novavax Fortschritte, wiederum mit dem Nachteil, dass die südafrikanische Mutation offenbar die Impfung schwächt. In Großbritannien erreichte der Proteinimpfstoff aber 89 Prozent Wirksamkeit, die US-Studie startete wegen Produktionsproblemen trotz Milliardenförderung vom Staat erst Ende Dezember. Novavax hat mit derselben Technik bereits einen Impfstoff gegen Grippe entwickelt. Für die Covid-Impfung haben die Amerikaner früh mit dem Serum Institute of India einen Auftrag zur Massenproduktion von zwei Milliarden Dosen vereinbart. In den USA sei eine Notfallzulassung des Impfstoffs ab Mai möglich, sagte Novavax-Chef Stanley Erck.
Foto: ANDREW CABALLERO-REYNOLDS / AFP
11 / 12
Curevac hat sich mit dem Bayer-Konzern für die Impfstoffproduktion zusammengeschlossen - ein Signal, dass die Biotechhoffnung aus Tübingen als Nachzügler doch noch Wucht entfalten könnte. Im Frühjahr 2020 galt Curevac als Vorreiter im Impfstoffrennen, zeitweise ging gar die Angst um, die USA würden die deutsche Biotechfirma kapern.
Es folgten ein Einstieg des Bundes und ein furioser Börsengang an der Nasdaq. Im Oktober 2020, für den Hauptaktionär Dietmar Hopp (80) anfangs schon ein fertiges Produkt verheißen hatte, wurden erst positive Zwischenergebnisse aus Tierversuchen verkündet. Erst im Dezember begannen die klinischen Großversuche der Phase 3 mit 35.000 Teilnehmern - Curevac glaubt aber, mit dem besseren Impfstoff gut im Rennen zu sein, wenn auch nicht mehr rechtzeitig für den nordamerikanischen Markt. Erst Mitte 2021 wird die Zulassung erwartet. Dafür wird mithilfe von Glaxosmithkline gleich die nächste Generation vorbereitet - mutantensicher.
Foto: Nasdaq MarketSite / dpa
12 / 12
Der von Emma Walmsley (51) geführte weltgrößte Impfstoffhersteller Glaxosmithkline scheint etwas an der Seitenlinie zu stehen - zumal die spektakuläre Kooperation mit dem Branchenzweiten Sanofi im Dezember enttäuschende Ergebnisse brachte und mit einer neuen Phase 1/2-Studie von vorn beginnen muss. Beide Partner haben jedoch neue Aufgaben gefunden: Sanofi hilft bei der Produktion des Biontech-Mittels, Glaxosmithkline verbündet sich mit dem deutschen Hersteller Curevac. Zudem liefern die Briten ihren Wirkstoffverstärker für weitere Impfstoffprojekte, die bereits in Phase 3 sind: eines der chinesischen Firma Clover Biopharmaceuticals und eines der kanadischen Firma Medicago, die den neuen Impfstoff züchtet, indem sie Tabakpflanzen das Erbgut der Viren injiziert. In dieses Projekt hat passenderweise auch der Tabakkonzern Philip Morris investiert.
Foto: HANDOUT / AFP
Das wohl begehrteste Produkt des Jahres: Zum Jahresbeginn läuft die Impfung gegen das Coronavirus wie hier in Israel auf Hochtouren. Mehrere Millionen Menschen haben bereits ihre erste Spritze erhalten. Von weit mehr als hundert Impfstoffprojekten sind bislang zehn in einzelnen Ländern zugelassen (Stand: 11. März)
Foto: MENAHEM KAHANA / AFP
Eine Pionierrolle hat die von Uğur Şahin (55) geführte Mainzer Firma Biontech. Der gemeinsam mit dem US-Konzern Pfizer entwickelte Impfstoff gegen Covid-19 ist der erste zugelassene der sogenannten mRNA-Technik überhaupt. Nach überzeugenden klinischen Daten - 95 Prozent Schutz gegen Erkrankung, keine schweren Nebenwirkungen - startete die Impfkampagne am 2. Dezember 2020 in Großbritannien. Inzwischen haben 27 Länder (wobei die EU als eines zählt) sowie die Weltgesundheitsorganisation das Mittel zugelassen. Zwei Milliarden Dosen sollen 2021 produziert werden. Da jede Person zwei Dosen bekommt, reicht das für ein Achtel der Menschheit. Größter Nachteil: Das Mittel muss auf minus 70 Grad gekühlt werden. Doch es kommen ja noch Alternativen hinzu.
Foto: FABIAN BIMMER / REUTERS
Die US-Biotechfirma Moderna begann Mitte März 2020 als erste mit klinischen Studien. Auch diese konnten eine Wirksamkeit von gut 94 Prozent belegen. Weiterer Vorteil: Das Mittel ist bei deutlich weniger aufwendiger Kühlung haltbar. Und vor allem: Moderna-Chef Stéphane Bancel (48) hat die Operation "Warp Speed" mit logistischer Hilfe des US-Mililtärs im Rücken. Die Firma setzt wie Biontech auf die mRNA-Technologie. Nach den USA am 18. Dezember setzen auch Kanada, Israel, Großbritannien, die EU und die Schweiz das Vakzin ein.
Foto: Bill Sikes / AP Photo
Am 4. Januar kam - im Beisein von Premierminister Boris Johnson (56) - auch ein von der Universität Oxford und dem britischen Konzern Astrazeneca entwickelter Impfstoff in britischen Krankenhäusern zum Einsatz. Laut EU-Behörde EMA ist dieses Vakzin zu rund 60 Prozent wirksam, mit anderer Dosierung wurden aber auch mehr als 90 Prozent erreicht. Es handelt sich um einen Vektorimpfstoff - nicht ganz so revolutionär wie mRNA, diese Technik ist aber auch erst seit 2016 im kommerziellen Einsatz.
Die Uni Oxford hat Astrazeneca zu einem Non-Profit-Betrieb verpflichtet. Der Impfstoff ist mit rund zwei Euro pro Dosis deutlich günstiger als die mRNA-Mittel von Biontech und Moderna, mit Lagerung zu Kühlschranktemperaturen leichter zu handhaben - und vor allem steht eine Produktionskapazität von drei Milliarden Dosen bereit, ein Großteil davon in Indien für arme Länder. Doch der Hoffnungsträger sorgt immer wieder für Enttäuschungen, zuletzt setzten Dänemark und Norwegen die Impfungen sogar wegen eines Todesfalls aus. Deutschland hatte die knappen Dosen zunächst nur an die unter 65-Jährigen verimpft, am 4. März hat die Ständige Impfkommission das Vakzin aber auch für ältere Menschen empfohlen. Neue Studiendaten belegen zudem, dass das Mittel bei einem Abstand zwischen der Erst- und Zweitimpfung von zwölf Wochen noch wirksamer ist.
Foto: WPA Pool / Getty Images
In den USA hat der Impfstoff von Johnson & Johnson (J&J) bereits am 27. Februar eine Notfallzulassung erhalten. In der EU gab die zuständige Behörde dann am 11. März die Empfehlung zur Zulassung.
Im Vergleich zu Biontech/Pfizer sowie dem Impfstoff von Moderna und Astrazeneca bietet das Mittel den Vorteil, dass eine Dosis ausreichen soll statt zwei. Zudem muss das Präparat nicht tiefgefroren gelagert werden, was die Verteilung erleichtert. J&J hatte Ende Januar für das Mittel eine Wirksamkeit von 66 Prozent beim Schutz vor mittelschweren bis schweren Covid-19-Verläufen in seiner weltweiten Untersuchung mit rund 44.000 Teilnehmern gemeldet. Bei der Vorbeugung einer Krankenhauseinweisung war das Vakzin 14 Tage nach der Impfung zu 85 Prozent wirksam und zu 100 Prozent nach 28 Tagen.
Dem Astrazeneca-Produkt sehr ähnlich (Vektorimpfstoff) ist der Impfstoff "Sputnik-V" des staatlichen russischen Gamaleya-Instituts. Der ebenfalls auf Adenoviren - die herkömmliche Erkältungen auslösen - basierende Stoff wurde von Russland bereits im August zugelassen, ohne die Prüfung von Wirksamkeit und Sicherheit in klinischen Großstudien abzuwarten. Erst zwei Wochen später kam das Vakzin in Phase 3. Für dieses Vorgehen hagelte es Kritik, doch inzwischen trägt der Impfstoff mit einer Wirksamkeit von 92 Prozent das Siegel der Wissenschaft.
Inzwischen wird das Vakzin in 46 Ländern eingesetzt, Ende Januar wurde auch die EU-Zulassung beantragt, nachdem Gamaleya und Astrazeneca eine Kooperation für einen Superimpfstoff ankündigten und sich auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (66) für das russische Mittel einsetzte. Einige europäische Länder wollen aber nicht mehr auf die Zulassung warten: In Ungarn, der Slowakei und Tschechien ist Sputnik V bereits zugelassen oder es laufen nationale Zulassungsverfahren.
Foto: RDIF HANDOUT/EPA-EFE/Shutterstock
In China, wo das Coronavirus im Januar 2020 entdeckt wurde, sind mehrere Impfstoffe bereits seit dem Sommer 2020 im millionenfachen Einsatz an medizinischem Personal und Risikogruppen oder auch dem Militär. Die staatliche Firma Sinopharm hat zwei verschiedene Impfstoffe auf den Markt gebracht. Ein vom Pekinger Institut für Biologische Produkte entwickelter Totimpfstoff erhielt am 31. Dezember die erste Zulassung für die Allgemeinheit in China - nachdem in Studien eine Wirksamkeit von 79 Prozent gezeigt wurde. Beide Impfstoffe von Sinopharm werden in Phase-III-Studien getestet. Nach Angaben aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, die das Mittel ebenso wie Bahrain und Ägypten ebenfalls freigaben, sind es gar 86 Prozent. In China selbst gibt es längst nicht mehr genügend Infizierte für die Kontrollgruppe.
Foto: Zhang Yuwei / dpa
Aus Indien kommt neben der massenhaften Auftragsproduktion für westliche Pharmariesen auch eine Eigenentwicklung: Die mit staatlichen Instituten kooperierende Biotechfirma Bharat aus dem "Genome Valley" von Hyderabad startete Ende Oktober in Phase 3, am 3. Januar erteilte die indische Regierung die Freigabe für den Noteinsatz. Ergebnisse der klinischen Studie wurden bis dato nicht veröffentlicht.
Foto: Stringer . / REUTERS
Zeitgleich mit Johnson & Johnson meldete auch die US-Firma Novavax Fortschritte, wiederum mit dem Nachteil, dass die südafrikanische Mutation offenbar die Impfung schwächt. In Großbritannien erreichte der Proteinimpfstoff aber 89 Prozent Wirksamkeit, die US-Studie startete wegen Produktionsproblemen trotz Milliardenförderung vom Staat erst Ende Dezember. Novavax hat mit derselben Technik bereits einen Impfstoff gegen Grippe entwickelt. Für die Covid-Impfung haben die Amerikaner früh mit dem Serum Institute of India einen Auftrag zur Massenproduktion von zwei Milliarden Dosen vereinbart. In den USA sei eine Notfallzulassung des Impfstoffs ab Mai möglich, sagte Novavax-Chef Stanley Erck.
Foto: ANDREW CABALLERO-REYNOLDS / AFP
Curevac hat sich mit dem Bayer-Konzern für die Impfstoffproduktion zusammengeschlossen - ein Signal, dass die Biotechhoffnung aus Tübingen als Nachzügler doch noch Wucht entfalten könnte. Im Frühjahr 2020 galt Curevac als Vorreiter im Impfstoffrennen, zeitweise ging gar die Angst um, die USA würden die deutsche Biotechfirma kapern.
Es folgten ein Einstieg des Bundes und ein furioser Börsengang an der Nasdaq. Im Oktober 2020, für den Hauptaktionär Dietmar Hopp (80) anfangs schon ein fertiges Produkt verheißen hatte, wurden erst positive Zwischenergebnisse aus Tierversuchen verkündet. Erst im Dezember begannen die klinischen Großversuche der Phase 3 mit 35.000 Teilnehmern - Curevac glaubt aber, mit dem besseren Impfstoff gut im Rennen zu sein, wenn auch nicht mehr rechtzeitig für den nordamerikanischen Markt. Erst Mitte 2021 wird die Zulassung erwartet. Dafür wird mithilfe von Glaxosmithkline gleich die nächste Generation vorbereitet - mutantensicher.
Foto: Nasdaq MarketSite / dpa
Der von Emma Walmsley (51) geführte weltgrößte Impfstoffhersteller Glaxosmithkline scheint etwas an der Seitenlinie zu stehen - zumal die spektakuläre Kooperation mit dem Branchenzweiten Sanofi im Dezember enttäuschende Ergebnisse brachte und mit einer neuen Phase 1/2-Studie von vorn beginnen muss. Beide Partner haben jedoch neue Aufgaben gefunden: Sanofi hilft bei der Produktion des Biontech-Mittels, Glaxosmithkline verbündet sich mit dem deutschen Hersteller Curevac. Zudem liefern die Briten ihren Wirkstoffverstärker für weitere Impfstoffprojekte, die bereits in Phase 3 sind: eines der chinesischen Firma Clover Biopharmaceuticals und eines der kanadischen Firma Medicago, die den neuen Impfstoff züchtet, indem sie Tabakpflanzen das Erbgut der Viren injiziert. In dieses Projekt hat passenderweise auch der Tabakkonzern Philip Morris investiert.