Kampf gegen Covid-19 Biontech sieht seinen Corona-Impfstoff bis Dezember zulassungsreif

Schaffen sie den Durchbruch? Biontech-Gründer Ugur Sahin (CEO) und Özlem Türeci, Chief Medical Officer des Shootingstars unter den deutschen Biotechunternehmen
Foto: Stefan Sämmer / imagoEs ist der Stoff, auf den alle warten - ein immunisierendes Impfserum gegen den Ausbruch der Coronavirus-Erkrankung Covid-19. Weltweit werden mittlerweile 17 Impfstoffkandidaten an Menschen getestet, meldete die Weltgesundheitsorganisation (WHO) zuletzt. Ob bereits Ende des Jahres ein Impfstoff zur Verfügung steht, darauf wollte sich die Organisation nicht festlegen.
Neue Hoffnung verbreitet jetzt das Mainzer Unternehmern Biontech, das wie der Tübinger Wettbewerber Curevac eine klinische Studie betreibt. Im Gespräch mit dem "Wall Street Journal" betonte Biontech-Chef Ugur Sahin (54), er sei zuversichtlich, dass der in Kooperation mit dem US-Pharmariesen Pfizer entwickelte Impfstoff bis Dezember zulassungsreif sei.
Die Partnerschaft mit Pfizer sowie unter anderem der chinesischen Shanghai Fosun Pharmaceutical würde es Biontech ermöglichen, schnell riesige Mengen an Impfstoffdosen für den globalen Markt zu produzieren. Mehrere hundert Millionen Dosen könnten noch vor der Zulassung hergestellt werden und mehr als eine Milliarde bis Ende kommenden Jahres, sagte Sahin der Zeitung.
Vorbehaltlich der Genehmigung durch die Behörden rechne Biontech damit, Ende Juli mit der letzten Phase des Testprozesses, der so genannten Phase-III-Studie, beginnen zu können. Die Studie mit 30.000 Menschen werde voraussichtlich bis Ende des Jahres abgeschlossen sein, wenn Biontech die Marktzulassung bei den Behörden auf der ganzen Welt beantragt.
Radikal neues Verfahren
Wie Curevac experimentiert auch Biontech mit einem sogenannten MessengerRNA-Impfstoff (mRNA). mRNA ist eine Art Botenmolekül, in dem die Bauanleitung zur Herstellung von Proteinen steckt. Die menschlichen Zellen bilden nach der Impfung dieses Protein, was der Körper als fremd erkennt. Er bildet dann Antikörper und andere Abwehrzellen dagegen. Die mRNA-Technik gilt als vielversprechend, hat sich aber noch mit keinem Impfstoff kommerziell etabliert. Der weltgrößte Impfstoffhersteller Glaxosmithkline setzt auf herkömmliche Verfahren, um so schnell wie möglich in Massenproduktion gegen Corona vorgehen zu können - hält aber auch dann eine Marktreife erst in der zweiten Jahreshälfte 2021 für realistisch.

Die WHO hatte vor wenigen Tagen den von der Universität Oxford und AstraZeneca entwickelten Impfstoff AZD1222 als am weitesten fortgeschritten hervorgehoben. Er könnte nahezu zeitgleich wie der von Biontech in die Phase III gehen. Phase III bezeichnet große Tests eben an zigtausenden Menschen zu Wirksamkeit und Sicherheit des Impfstoffs. Fünf weitere Kandidaten befinden sich laut WHO in Phase II. In diesem Stadium wird eine kleinere Zahl von Patienten behandelt, bei denen aufgrund ihrer Gesundheit eine Wirkung angenommen wird. In Phase I werden Wirkstoffe in der Regel an gesunden Menschen getestet, um die Verträglichkeit zu prüfen.
Pfizer besitzt etwa 1 Prozent an Biontech und arbeitet an der Entwicklung des neuen Impfstoffs mit. Alle Rechte daran liegen laut "WSJ" aber bei dem deutschen Unternehmen, das auch den Großteil der Forschung betreibt. Biontech befindet sich mehrheitlich im Besitz der deutschen Zwillingsinvestoren Thomas und Andreas Strüngmann. Weitere Aktionäre sind die Bill and Melinda Gates Foundation, Sanofi und Genentech, eine Einheit des Schweizer Konzerns Roche.
Biontechs Impfstoff-Kandidat habe in der Anfang Juli veröffentlichten Frühphasenstudie bessere Ergebnisse als erwartet gezeigt, sagte Sahin dem "WSJ". Freiwillige Testpersonen hätten vier Wochen nach der Impfung und sieben Tage nach der Einnahme einer zweiten Dosis höhere Antikörperspiegel aufgewiesen als genesene Covid-19-Patienten. Der Impfstoffkandidat habe offenbar auch keine ernsthaften Nebenwirkungen verursacht.
Mit einem Impfstoff ist das Virus noch lange nicht besiegt
"Unsere frühen Daten haben bisher gezeigt, dass unser Impfstoffkandidat Antikörper in einer höheren Konzentration produzieren kann als bei Menschen, die sich von einer Covid-19-Infektion erholt haben", sagte der Firmengründer und Professor für experimentelle Onkologie an der Uni Mainz.
Die Studiendaten wurden online veröffentlicht und bei einer medizinischen Fachzeitschrift eingereicht, sind aber noch nicht von Fachkollegen begutachtet worden.
Falls und sobald der Impfstoff zugelassen werde, könnte in den USA, Europa und anderswo sofort mit Massenimpfungen begonnen werden, zeigte sich der Biontech-Chef überzeugt. Gleichwohl sei nicht davon auszugehen, dass mit einem Impfstoff die Krankheit sofort ausgelöscht würde. Vielmehr warnte der Experte davor, dass es trotz globaler Anstrengungen und schneller Fortschritte immer noch ein Jahrzehnt dauern könnte, um das Virus und seine Ausbreitung endgültig zurückzudrängen.
Biontech wurde 2008 von Sahin und seiner Frau Özlem Türeci (53), gegründet. Sie ist Chief Medical Officer (CMO) des Unternehmens, beide Kinder türkischer Einwanderer. Biontech ist an der US-Technologiebörse Nasdaq notiert und brachte es zuletzt auf einen Marktwert von 15 Milliarden Dollar.