Personalauswahl und der Bier-Test "Narzissten, Machiavellis und Psychopathen unbedingt vermeiden"

So nicht: Personalauswahl folgt wie der Straßenverkehr bestimmten Regeln
Foto: Tobias Hase/ dpaDen richtigen Bewerber zu finden, ist längt nicht mehr eine Frage des Bauchgefühls. Was statt dessen zählt, erzählt Andreas Frintrup, CEO der HR Diagnostics.
mm.de: Früher hieß es für die Personalauswahl schlicht: Würde ich mit dem neuen Mitarbeiter ein Bier trinken gehen. Stimmt das noch?

Frintrup: Das ist diagnostisch nicht völlig falsch. Gut miteinander klar zu kommen, ist ein wichtiges Element bei der Zusammenarbeit, aber es steht in der Hierarchie der Merkmale nicht ganz oben. Wichtiger sind fachliche und überfachliche Leistungsvoraussetzungen der Person, erst dann muss die Frage nach der Sympathie beantwortet werden. Was nutzt der beste Kumpel im Business, wenn die Leistung nicht stimmt? Dann schmeckt das Bier schnell schal.
mm.de: Welche Rolle spielen die nicht belegbaren Fähigkeiten, Hingabe zum Thema oder Konsequenz?
Frintrup: Die Personalpsychologie hat Messkonzepte für nahezu alle Merkmale, die beruflichen Erfolg und Leistung vorhersagen. Engagement, Motivation, Durchhaltevermögen - all das sind Eigenschaften, die sich zwar in keinem Schul- oder Universitätszeugnis finden, sich bei der Personalauswahl aber zuverlässig testen und messen lassen. Sogar Eigenschaften, die negativ mit dem Erfolg einer Organisation in Zusammenhang stehen, lassen sich vor der Einstellung feststellen - Narzissten, Machiavellis und Psychopathen nutzen sich selbst, schaden aber dem Unternehmen. Mit geeigneten Methoden können sie rechtzeitig erkannt und Schaden vermieden werden.
Anonyme Bewerbung auch keine Lösung
mm.de: Helfen moderne Bewerbungstools (Stepstone und so weiter) dabei, oder machen sie die Arbeit der Personaler schwieriger?
Frintrup: Viele "Tools" machen Prozesse einfacher - sowohl für Bewerber als auch für Personalverantwortliche. Die meisten dieser Werkzeuge generieren jedoch keine zusätzliche Information der beruflichen Eignung über den Lebenslauf hinaus. Dann steigt zwar die Effizienz, aber nicht die Qualität des Prozesses und der Entscheidungen. Richtig sind deshalb Ansätze, die beides gleichzeitig leisten - integriertes E-Recruiting verbindet effizientes Bewerbermanagement mit valider psychologischer Diagnostik.
mm.de: Hat die klassische Bewerbung ausgedient? Und welche Rolle spielt die Politik dabei, die laut darüber nachdenkt, Angaben wie Alter oder Geschlecht aus der Bewerbung zu bannen - wäre das ein Fortschritt?
Frintrup: Klassische Bewerbungen mit Anschreiben, Lebenslauf und Lichtbild sind tatsächlich veraltet. Auch Prozesse, die zwar digital funktionieren aber letztlich doch nur die gleiche Information liefern, sind kein Mehrwert. Anonyme Bewerbungen sind erst recht keine Lösung, dieser populäre Aktionismus geht sowohl an den Ergebnissen der Forschung als auch an der Lebensrealität der Personaler und der Bewerber vorbei. Diversity in der Personalauswahl erreicht man nicht mit simplen Konzepten, dazu bedarf es abgestimmter Systeme aus Sensibilisierung der Beteiligten, Prozess und Potenzialdiagnostik.