Palantir-Chef Alex Karp Von der Frankfurter Schule via CIA zum Milliardär

Alex Karp: "Wir brauchten jemanden mit grauem Haar", erinnert sich Palantir-Entwickler Joe Lonsdale

Alex Karp: "Wir brauchten jemanden mit grauem Haar", erinnert sich Palantir-Entwickler Joe Lonsdale

Foto: DPA

Alex Karp wirkt völlig fehl am Platz. Oder genau da, wo er hingehört.

Als Chef der Big-Data-Softwarefirma Palantir hat er entscheidenden Anteil am Firmenwert, der mit Blick auf einen Börsengang auf 41 Milliarden Dollar hochgejazzt wird - und baut nach eigenem Bekunden "das wichtigste Unternehmen der Welt" auf. Seit 14 Jahren steht Karp an der Spitze, definiert die mehr als nur leicht verschrobene Firmenkultur und sendet auf dem eigenen internen Kanal "KarpTube". "Die einzige Zeit, wenn ich nicht über Palantir nachdenke, ist beim Schwimmen, Qigong oder beim Sex", sagte er einmal dem Magazin "Forbes" .

In demselben Porträt jedoch beschwerte er sich über die permanente Begleitung eines Bodyguards und leistete sich einen Gefühlsausbruch der Sehnsucht nach dem früheren freien Studentenleben in Deutschland: "Ich hatte 40.000 Dollar auf der Bank und niemand wusste, wer ich bin. Ich liebte es. Ich liebte es. Ich liebte es einfach. Ich liebte es einfach! Ich konnte herumlaufen, die ganze Nacht in schmuddeligen Berliner Orten verbringen. Mit irgendwelchen Leuten nach Hause gehen. Dort sein, wo etwas geraucht wird." Nur, um gleich einzusehen: "Ich muss darüber hinwegkommen."

Jetzt pflegt Karp Umgang mit Militärs und Geheimdienstlern, mit Bankern und anderen Firmenbossen, ist Aufsichtsrat von Axel Springer , hängt mitsamt Silicon-Valley-Bösewicht Peter Thiel auf Bilderberg-Konferenzen herum und man kann sich vorstellen, wie sich zusätzliches Material für seine Frankfurter Doktorarbeit über "Aggression in der Lebenswelt" (PDF)  anstaut.

Wie passt das zusammen? Der intellektuelle Sohn von US-Hippies suchte die Hochburg der kritischen Theorie auf, berief sich auf Marx und Adorno, studierte bei der feministischen Sozialpsychologin Karola Brede (nach manchen Angaben auch bei dem Starphilosophen Jürgen Habermas, der allerdings schon 1994 emeritierte) - nur, um sich dann der dunklen Seite der Macht anzuschließen und eine im Wortsinn "Killer App" zur Jagd auf Osama bin Laden zu bauen?

Schwerer Einstand beim Militär: "Die ersten 100 Treffen waren voller Missverständnisse"

Ein Teil der Erklärung ist Zufall. Thiel kannte Karp aus dem Studentenwohnheim in Stanford, wo beide mit Jura angefangen hatten und ständig diskutierten. Beide kritisierten den US-Staat - Thiel von rechts, Karp von links.

2004 jedoch hatte der libertäre Thiel sich entschlossen, für diesen Überwachungsstaat zu arbeiten, um Auswüchse des Kampfs gegen den Terror zu vermeiden. Eine schlankere Form der Überwachung sollte helfen, bürgerliche Freiheiten zu bewahren.

Das Werkzeug dazu hatte der von Thiel mitgegründete Online-Bezahldienst Paypal im Kampf gegen Kreditkartenbetrug entwickelt: Software, die riesige Datenmengen aus verschiedensten Quellen miteinander verbindet und leicht in Echtzeit analysieren lässt. So ein Produkt sollte nun den Sicherheitsdiensten angedreht werden, doch die jungen Silicon-Valley-Ingenieure fanden keinen Zugang.

"Wir brauchten jemanden mit etwas mehr grauem Haar", erinnert sich Palantir-Pionier Joe Lonsdale. So kam Alex Karps markanter Lockenschopf ins Spiel, dem der Doktortitel und die aus Börsenerfolg mit ererbtem Geld entstandene eigene Vermögensverwaltung mehr Seriosität verleihen sollten. Karp wurde zunächst nur als Übergangs-CEO eingestellt, doch die Kandidaten aus Armeeapparat und Business Schools fielen durch, weil sie nicht zu der besonderen Palantir-Kultur passten.

Auf Anhieb ging der Plan jedoch nicht auf. "Wir verstanden ihre Sprache nicht, und sie verstanden unsere nicht", bekannte Alex Karp in einem Video-Interview mit "Techcrunch"  seinen Kulturschock gegenüber Sicherheitsleuten. "Die ersten 100 Treffen oder so waren voller Missverständnisse."

Die Software kann genauso gut Terrorverdächtige finden wie Elfenbeinhändler

Zwar gab der zur CIA gehörende Risikokapitalfonds In-Q-Tel als Starthelfer Palantir zwei Millionen Dollar, doch der erste Auftrag ließ bis Mitte 2008 auf sich warten. 2010 angelte sich Palantir unter Vermittlung der New Yorker Polizei mit der Großbank JPMorgan Chase  den ersten Kunden aus der Privatwirtschaft. Die Software kann genauso gut Terrorverdächtige finden wie Kreditbetrüger oder die richtigen Orte, um Häuser von säumigen Schuldnern zwangszuversteigern.

Inzwischen machen solche Aufträge den Großteil des Milliardengeschäfts von Palantir aus. Militärische Kampfbegriffe hat Karp sich zu eigen gemacht, mit Blick auf die alteingesessene Konkurrenz wie IBM oder Booz Allen: "Mir geht es ums Überleben. Wir schlagen die lahmen Wettbewerber, bevor sie uns töten können."

Auch das kann eine Motivation sein. Zugleich besteht Karp darauf, "progressive Werte und Anliegen" zu vertreten - auch wenn Palantir wiederholt mit Datenschützern aneinandergeraten ist und schon diverse Skandale hatte, wegen Kooperation mit Cambridge Analytica beim Wählerfischen, wegen Diskriminierung asiatischstämmiger Bewerber oder wegen einer versuchten Schmierkampagne gegen Wikileaks. Der "New York Times" sagte  Karp, Palantir "baut etwas zur Verbesserung der Welt, aber ohne Verkennung der Realitäten der Welt".

Es geht also um einen Kompromiss, wie bei Thiels Grundidee des schlanken Überwachungsstaats. Dazu gehört, laut Karp ein Fünftel der Aufträge aus ethischen Gründen abzulehnen und die Software für gute Zwecke wie die Überwachung des illegalen Elfenbeinhandels kostenfrei anzubieten. Dazu gehört auch, in der Palantir-Zentrale namens "The Shire" (Auenland) inmitten des Silicon-Valley-Wahnsinns kritisch über Gier zu reflektieren und die Gehälter zu deckeln.

Damit wird es wohl vorbei sein, wenn es zum Börsengang kommt. Den wollten Thiel und Karp lange Zeit nicht, räumen aber ein, dass der Druck der Investoren früher oder später dazu führen werde. Dann wäre auch Karps Milliardenvermögen nicht mehr nur virtuell.

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