
Softbank-Chef Masayoshi Son Der Herr der Roboter
"Es scheint, als komme er aus der Zukunft." Das sagte sein ehemaliger Weggefährte Hong Lu über Masayoshi Son, mit dem er vor rund 40 Jahren in Kalifornien zusammengearbeitet hat. Dieser Eindruck verfestigt sich bei der Betrachtung der Projekte und Investitionen des Unternehmensgründers.
Son soll schon als Kind davon geträumt haben, Roboter zu bauen. Damals habe er sich in einem kleinen Buch Ideen notiert für Dinge, die er später einmal erschaffen wollte. Roboter scheinen dabei einen zentralen Platz eingenommen zu haben. Sein Unternehmen Softbank hat den Wandel vom Telekom- und Softwarekonzern zum Roboterhersteller bereits eingeleitet.
Mit der Übernahme der Robotikspezialisten Boston Dynamics und Schaft von der Google-Mutter Alphabet im Juni 2017 bastelt Son Stück für Stück an seinem Plan, zu einem der wichtigsten Anbieter auf dem Feld der Robotik und der künstlichen Intelligenz (KI) zu werden.
Kampf gegen Diskriminierung
"Ich hoffe, dass Roboter in 30 Jahren eines der Kerngeschäfte sein werden, die Gewinne für Softbank erzielen werden", sagte Son vor zwei Jahren bei der Ankündigung einer Roboter-Allianz mit dem Internethändler Alibaba und dem Auftragsfertiger Foxconn. Dass Son langfristig plant, zeigt sich schon darin, dass die Wachstumsstrategie von Softbank auf 300 Jahre angelegt ist.
Angefangen hatte alles in eher bescheidenen Verhältnissen. Der Sohn koreanischer Einwanderer in der dritten Generation wurde am 11. August 1957 in der japanischen Kleinstadt Tosu auf der Insel Kyushu geboren. Sein Vater arbeitete in der Fischerei- und Landwirtschaft, in Restaurants und in Pachinko-Spielhallen.
Wegen häufiger Diskriminierungen nahm seine Familie den japanischen Nachnamen Yasumoto an. Son wurde trotzdem in der Grundschule von seinen Mitschülern gemobbt und mit Steinen beworfen, sagte er Nikkei Asian Review. Sein ganzes Leben kämpfte Son gegen Diskriminierungen, denen er wegen seiner koreanischen Herkunft ausgesetzt war. In der High-School habe er sogar an Suizid gedacht. Doch die negativen Erfahrungen scheinen ihn gestärkt zu haben.
Lust an der Konfrontation
Son genießt die Konfrontation, ein in Japan eher unübliches Verhalten. So habe er zwei Mal damit gedroht, sich selbst oder die japanische Telekom-Regulationsbehörde in Brand zu setzen, schreibt die "New York Times". Für das zweite Mal habe er sich 2010 entschuldigt, hieß es. Die Drohung sei ein unangebrachter Scherz gewesen. 2013 habe er sich ein Schreiduell mit Regierungsmitarbeitern geliefert. Dabei sei es um die Zuteilung eines Frequenzspektrums an den Softbank-Wettbewerber KDDI gegangen. Später habe er sich entschuldigt: "Ich dachte, ich wäre erwachsen geworden", wird Son zitiert.
1972 schaffte Son es nach mehreren Versuchen, sein Idol Den Fujita, den Gründer von McDonald's Japan, zu treffen. Dieser bestärkte ihn in seinem Interesse an den USA und riet ihm, Englisch zu lernen. Mit 16 Jahren ging er gegen den Willen seiner Mutter nach San Francisco. Dort lernte er mehrere Monate lang am Holy Names College Englisch und beendete daraufhin die High-School in nur zwei Wochen. In der Zeit wohnte er bei Freunden und Verwandten.
Nach Abschluss der High-School begann Son 1975 sein Studium am Holy Names College. Zwei Jahre später wechselte er an die Universität Berkeley, wo er Wirtschaft und Computerwissenschaften studierte. Zu dem Studium der Computerwissenschaften soll ihn ein Artikel in einem Technikmagazin inspiriert haben. Nach der Lektüre soll Son zu der Einsicht gekommen sein, dass Computer die nächste wirtschaftliche Revolution auslösen würden.
Erste Million mit einem Übersetzer
Mit 19 Jahren hatte Son die Idee für ein mobiles Übersetzungsgerät. Er verkaufte einen von Studenten und Professoren gebauten Prototypen und die Patente an Sharp und machte damit seine erste Million. Das Geld verdoppelte er, indem er Spielmaschinen aus Japan importierte, die Software anpasste und sie in Restaurants, Cocktail-Bars und Cafés aufstellte.
1980 schloss Son sein Studium ab und kehrte zurück nach Japan. Rund 18 Monate verbrachte er damit, eine passende Geschäftsidee zu suchen. Er dachte über 40 verschiedene Modelle nach, von der Softwareentwicklung bis zur Gründung einer Krankenhauskette. "Ein Faktor war es, dass ich mich für mindestens 50 Jahre in ein bestimmtes Geschäft verliebe", sagte Son 1992 in einem Interview mit der Harvard Business Review. Schließlich entschied er sich für das Softwaregeschäft und gründete 1981 seine Firma Softbank.
In diese Zeit seiner Rückkehr aus den USA fiel auch die Entscheidung, den koreanischen Nachnamen Son anzunehmen. Damit wollte er ein Zeichen gegen Diskriminierung setzen. "Ich wollte Kindern und Jugendlichen koreanischer Herkunft Hoffnung machen", sagte er Nikkei Asian Review. Seine Verwandten rieten ihm von dem Schritt ab. Sie befürchteten, dass auch sie zum Ziel von Diskriminierungen werden könnten. Son riet ihnen, die Verwandtschaft zu leugnen. Erst 1990 nahm Son die japanische Staatsbürgerschaft an.
Frühe Beteiligungen an Yahoo und Alibaba
Doch auch mit seinem koreanischen Namen wurde Son schnell erfolgreich. Das ursprüngliche Geschäftsmodell von Softbank war es, Computer-Software verschiedener Hersteller zu betreiben. Mit exklusiven Vertriebsrechten für den damals größten japanischen PC-Händler Joshin Denki begann die Erfolgsgeschichte. Schnell entwickelte sich Softbank zum größten Softwarevertrieb in Japan. Rund ein halbes Jahr nach Gründung von Softbank startete Son mit zwei Computermagazinen ins Verlagsgeschäft.
Obwohl sich die Magazine zunächst als Verlustbringer erwiesen, hielt Son daran fest. Mit Hilfe der Zeitschriften konnte er Verbraucher in die Computerwelt einführen und gleichzeitig für seine Produkte werben. 1994 brachte Son Softbank an die Börse und erlöste damit 140 Millionen Dollar.
Mit dem Geld und Bankkrediten ging er auf Einkaufstour. Unter anderem finanzierte er den Kauf der Computerzeitschriften des Ziff-Davis-Verlags für 3,1 Milliarden Dollar und erwarb 80 Prozent an dem Speicherchiphersteller Kingston für 1,2 Milliarden Dollar.
Mister Internet
Nach und nach gelang es ihm, durch kluge Investments ein Vermögen aufzubauen. Er kaufte unter anderem 1995 und 1998 Anteile an Yahoo. Er beteiligte sich mit 374 Millionen Dollar an der jungen Suchmaschine. 1996 gründete er das Joint-Venture Yahoo Japan. Son beteiligte sich außerdem an der Handelsplattform E-Trade.
Insgesamt war der Investmentarm Softbank Technology Ventures im ersten Jahr in 55 Unternehmen investiert. Daraus pickte Son sich die vielversprechendsten heraus und erhöhte sein Engagement. Im Jahr 2000 beteiligte Softbank sich erstmals an Alibaba. In seiner Heimat brachte ihn sein frühes Investment in Webunternehmen den Spitznamen "Mr. Internet" ein. Insgesamt beteiligte sich Son in zwei Jahrzehnten an Hunderten Startups und wurde zum reichsten Mann Japans.
Das riesige Unternehmensgeflecht, dass Son mit Softbank aufgebaut hat, ist schwer zu durchdringen. Mit seinem Geschäftsmodell mit vielen Beteiligungen, Unternehmenskäufen und Börsengängen hat Son schon früh Kritik hervorgerufen. Softbank würde immer schneller Geld von einer Tasche in die andere schieben, sagte der HSBC-Analyst Ben Wedmore der Zeitschrift Wired bereits vor 14 Jahren. "Wenn die erste Tasche Verluste macht, wird die zweite an die Börse gebracht. Das haben sie immer wieder gemacht", sagt er weiter.
70 Milliarden Dollar beim Börsen-Crash 2000 verloren
Letztlich halfen Son seine Anteile an Yahoo und Alibaba durch den großen Crash nach dem Platzen der Internet-Blase Anfang des Jahrhunderts.
Berichten zufolge verlor er an einem Tag 70 Milliarden Dollar. Später räumte Son ein, dass er im Jahr 2000 99 Prozent seines Vermögens einbüßte, das damals auf 76 Milliarden Dollar geschätzt wurde.
Nach dem Crash ging Son mit weiteren Bankkrediten erneut auf Einkaufstour. 2006 übernahm Softbank das Japangeschäft des Mobilfunkanbieters Vodafone für 17,5 Milliarden Dollar. Durch seine Freundschaft zu Steve Jobs gelang es Son, die in Softbank Mobile umbenannte Gruppe zum exklusiven Vertriebspartner des iPhone in Japan zu machen.
Anfang 2012 stieg Son dann in das Robotergeschäft ein. Softbank übernahm damals 80 Prozent der französischen Aldebaran Robotics für etwa 100 Millionen Dollar. Aldebaran stellte damals mit dem Roboter Nao die Standardplattform für den Robocup.
2014 wurde der humanoide Roboter Pepper vorgestellt, der vor allem für soziale Interaktion zwischen Mensch und Maschine entworfen wurde. Vorbild für Pepper soll ein Roboter aus Sons Jugendzeit gewesen sein - Astro Boy, der aber im Gegensatz zu Pepper keine Gefühle kannte. Daher sei es Son wichtig gewesen, dass Pepper mit Menschen als soziale Wesen interagieren kann.
Softbank übernimmt US-Mobilfunker Sprint - und scheitert an Übernahme von T-Mobile
Son, Softbank, Sprint und der Poker um T-Mobile
2012 übernahm Softbank auch die Mehrheit an dem damals drittgrößten US-Mobilfunkanbieter Sprint. Für den 70-prozentigen Anteil zahlte das Unternehmen mehr als 20 Milliarden Dollar. Das Geschäft war die bis dahin größte ausländische Übernahme eines japanischen Konzerns.
Die Pläne, auch das US-Mobilfunkgeschäft der Telekom zu übernehmen, scheiterten allerdings 2014 am Widerstand der Regulierungsbehörden. Gerüchte, dass Sprint und T-Mobile erneut über einen Zusammenschluss verhandeln, sorgen immer mal wieder für Kursbewegungen bei der Aktie der Deutschen Telekom. Da das US-Geschäft inzwischen der wichtigste Geschäftsbereich für die Bonner ist, könnte diesmal auch T-Mobile den Konkurrenten Sprint übernehmen - falls Son und die US-Behörden zustimmen.
ARM und Vision Fund
Mit dem Börsengang von Alibaba im September 2014 flossen 16 Milliarden Dollar in das Privatvermögen Sons, was ihn erneut zum reichsten Mann Japans machte. Ende Mai 2016 kündigte Softbank an, den 32-prozentigen Anteil an Alibaba auf 28 Prozent zu reduzieren. Das Paket war damals acht Milliarden Dollar wert.
Kurze Zeit später verleibte sich das Unternehmen den britischen Designer von Prozessoren ARM Holdings ein, dessen Architektur in nahezu jedem Smartphone zum Einsatz kommt. Softbank legte für den Deal 32 Milliarden Dollar hin. ARM Holdings entwickelt stromsparende Chips für den mobilen Einsatz, baut aber im Gegensatz zu Intel oder Samsung nicht selbst Prozessoren, sondern lizensiert die Technik.
Son bezeichnete die Übernahme als eine der wichtigsten Käufe, die Softbank je getätigt habe. Kritiker bemängelten, dass der Chiphersteller nicht in das Portfolio von Softbank passe. Darauf antwortete Son: "Es ist einfach, zu sehen, wo deine Teile jetzt liegen und das nächste daneben zu legen. Dieser Schritt ist 10, 20, 50 Züge voraus."
Der Kronprinz dankt ab
Kurz vor der Ankündigung der ARM-Übernahme sorgte auch eine Personalie aus dem Hause Softbank für Aufsehen. Der als Nachfolger von Son geltende ehemalige Google-Manager Nikesh Arora verließ den japanischen Konzern. Als Grund nannte Arora, dass Son sich entschieden habe, Softbank noch weitere fünf bis zehn Jahre zu leiten. So lange wollte Arora nicht warten. Im Juni 2016 kündigte er seinen Rückzug an.
Im Oktober 2016 veröffentlichte Softbank seine Pläne für den Vision Fund. Mit einer angepeilten Größe von 100 Milliarden Dollar ist er der weltweit größte Investmentfonds. Das Unternehmen legt den Fonds gemeinsam mit der Regierung von Saudi-Arabien auf. Son konnte offenbar den stellvertretenden saudischen Kronprinzen Mohammed Bin Salman davon überzeugen, die Öl-Milliarden des Landes in neue Technologien zu investieren.
Grundstein für den 300-Jahres-Plan
Aber auch Softbank setzt die Investitionsstrategie fort. Im April 2017 kündigte das Unternehmen an, dass es sich mit fünf Milliarden Dollar am chinesischen Uber, dem Fahrdienstleister Didi Chuxing, beteiligen wolle.
Die Beteiligung an Yahoo Japan entwickelte sich - anders als der Internetkonzern Yahoo in den USA - erfolgreich. Das japanische Webortal bleibt auch nach dem Verkauf des Internetgeschäfts an Verizon in diesem Jahr als Joint-Venture zwischen Softbank und der aus Yahoo hervorgegangenen Investmentgesellschaft Altaba bestehen.
In diesem Jahr ging Softbank nun einen Schritt weiter auf dem Weg, zu einem der bedeutendsten Roboterhersteller weltweit zu werden. Mit der Übernahme von Boston Dynamics und Schaft von Alphabet bekommt das Unternehmen wichtiges Entwickler Know-how. Der Kaufpreis liegt Informationen der "Financial Times" zufolge bei mehr als 100 Millionen Dollar. Boston Dynamics baut unter anderem zweibeinige Bergungsroboter, entwickelt aber auch Maschinen für das Militär.
Durch die jüngsten Übernahmen hat Son nun alle Bauteile in der Hand, um soziale Roboter zu entwerfen, die den Menschen in seinem Alltag unterstützen können. Mit dem Vision Fund wird Softbank in den kommenden zehn Jahren zum größten Investor im Technologiesektor. Damit ist der Grundstein für den 300-Jahres-Plan des Unternehmens gelegt. Eigentlich könnte Son damit in den Ruhestand gehen. Doch daran, dass der Mann aus der Zukunft aufhört, ist derzeit nicht zu denken.