"Chairman Li hatte zu tun" Reichster Chinese pulverisiert 20 Milliarden Dollar in 24 Minuten

Keine Zeit für die Aktionäre: Hanergy-Chef Li Hejun gerät in Erklärungsnot
Foto: CorbisDies ist die wohl beste Ausrede aller Zeiten, weil sie universell einsetzbar ist und ohne weitere Erklärungen auskommt: "Chairman Li hatte zu tun", begründete ein Sprecher der Solarfirma Hanergy Thin Film gegenüber der "Financial Times" (€), warum Li Hejun der Hauptversammlung am Mittwoch in Hongkong fernblieb.
Es muss wohl wichtig gewesen sein. Zeitgleich stürzte die Hanergy-Aktie in nur 24 Minuten um fast die Hälfte ab, bevor sie vom Handel ausgesetzt wurde. Damit sank der Marktwert um knapp 20 Milliarden Dollar - Gründer und Großaktionär Li, als reichster Chinese aufgewacht, wird nun im "Forbes"-Ranking auf Platz vier geführt, hinter Immobilienmogul Wang Jianlin, Alibaba-Gründer Jack Ma und Tencent-Mogul Ma Huateng. Die Milliardärsliste von "Bloomberg" führt Li gar nicht erst auf.
Ebenfalls am Mittwoch erfuhr die Nachrichtenagentur Reuters von Ermittlungen der Hongkonger Börsenaufsicht wegen Marktmanipulation gegen Hanergy. Die Firma teilte mit, die Aktie werde erst wieder gehandelt, wenn Vorwürfe wegen Insiderhandels geklärt seien.
Der rasante Absturz liefert fast ein Spiegelbild des rätselhaften Aufstiegs zuvor. Am Mittwochmorgen war die Hanergy-Aktie fünfmal so viel wert wie noch im September, sechsmal so viel wie US-Marktführer First Solar und mehr als der gesamte Rest der Branche in China zusammen - obwohl die chinesischen Hersteller klassischer Module mit Solarzellen aus Polysilizium wie Trina Solar, Yingli, JinkoSolar, Canadian Solar oder JA Solar das boomende Geschäft trotz großer Schuldenprobleme unter sich ausmachen.
Hanergy Thin Film hingegen ist nicht viel mehr als eine Wette auf das Solargeschäft der Zukunft. Li wirbt mit dem Versprechen, seine Technik der Dünnschichtmodule aus Kupfer und anderen Materialien werde sich gegen Silizium durchsetzen, und da sei Hanergy - nach Zukäufen wie Solibro, einer Tochter des einstigen deutschen Marktführers Q-Cells - an der Spitze.
Ein Short Squeeze wie bei Volkswagen und Porsche?
Die "Financial Times" hatte zuvor bereits kritisch über Hanergy berichtet. Demnach sei Hanergy Thin Film für Umsätze vornehmlich auf Aufträge der nicht börsennotierten Muttergesellschaft Hanergy Group angewiesen, die wiederum mit der Begleichung der Rechnungen auf sich warten lasse. Merkwürdig sei außerdem, dass die kurstreibenden Aktienkäufe stets in den letzten zehn Handelsminuten der Börse Hongkong abgewickelt würden.
Lis Vertrauen schien zu untermauern, dass er selbst im April noch Aktien zukaufte und damit fast das in Hongkong zulässige Maximum von 75 Prozent Anteilen erreichte. Das wiederum könnte den Schlüssel zur Erklärung der Rally liefern: Die "FT" mutmaßt über einen "Short Squeeze".
Demnach hatten Investoren mit Leerverkäufen, also Verkäufen geliehener Hanergy-Aktien, auf einen Kurssturz spekuliert. Als Gegengeschäft mussten sie die Aktien später kaufen - dem Plan zufolge zu einem dann günstigeren Kurs. Doch weil Li selbst den Großteil der handelbaren Anteilsscheine kontrollierte, wurden die von den Leerverkäufern benötigten Aktien knapp und der Kurssturz blieb bis zu diesem Mittwoch aus. Der "FT" zufolge wurden viele dieser Positionen Anfang der Woche mit großem Verlust aufgelöst.
Eine ähnliche Situation gab es im Herbst 2008 im Übernahmekampf zwischen Volkswagen und Porsche, als Porsche die Leerverkäufer mit einem hohen Anteilsbesitz überraschte und die Volkswagen-Stammaktie in einem Short Squeeze kurzzeitig über 1000 Euro stieg.
Diesem Vorbild zufolge hätte Li Hejun die Spekulanten, die sich gegen ihn stellen, in den Ruin getrieben - sich selbst anschließend aber womöglich auch.