Entrepreneure des Jahres 2017 Leise Töne, klare Laute

Entrepreneure des Jahres: Daniel (links) und Andreas Sennheiser erhalten einen Ehrenpreis. Die Beratungsgesellschaft Ernst & Young zeichnete außerdem Sieger in fünf Kategorien aus
Foto: imago/localpicDie gesamte Geschäftsführung arbeitet in einem Großraumbüro. Wo gibt es den so was? Bei Sennheiser in der Wedemark bei Hannover. Die sechs Vorstände teilen sich den Raum und sogar die Schreibtische. Und mittendrin die beiden CEOs - die Brüder Andreas (43) und Daniel (44) Sennheiser.
Sennheiser - ein Name mit einem guten Klang. Mit Kopfhörern und Mikrofonen ist das Familienunternehmen aus der Nähe von Hannover groß und bekannt geworden. Die Kunden sind zur Hälfte Profis, also Künstler wie Herbert Grönemeyer oder Pink.
Derzeit wird das Unternehmen von der dritten Generation geführt. Die beiden Brüder Andreas und Daniel gingen lange Zeit getrennte Wege außerhalb der elterlichen Firma. Dass sie mal nebeneinander im Büro sitzen würden, war gar nicht vorgesehen, zumindest nicht aus Daniels Sicht.
Daniel, der Kreative, studierte Produktdesign, arbeitete bei Pixelpark, Ogilvy und schließlich beim US-Konsumgütermulti Procter & Gamble. "Dort kam mir der Gedanke, dass ich das, was ich bei P&G mache, auch für Sennheiser machen kann." Er meint Design und Marketing.
Entrepreneure des Jahres: Das sind die Sieger 2017
"Bei mir war es umgekehrt", sagt Andreas, der eher Produktorientierte. Er wollte immer ins elterliche Unternehmen, plante deshalb den Einstieg Schritt für Schritt. Nach dem Studium der Betriebs- und Produktionswissenschaften an der ETH Zürich ging er erst mal für ein paar Jahre zum Werkzeughersteller Hilti ins benachbarte Liechtenstein. "Dort wollte ich Führungserfahrung sammeln", erklärt Andreas.
Seit Juli 2013 sind die beiden Brüder nun gleichberechtigte CEOs im Unternehmen, das ihren Namen trägt. "Wir haben uns verschiedene Modelle angeschaut", sagt Daniel. Zum einen das klassische, also strikte Aufgabentrennung, zum anderen das etwas gewagtere Modell alternierender CEOs. Sie entschieden sich für das jetzige, sehr ungewöhnliche Modell - zwei CEOs ohne feste Ressortzuteilung. "Das funktioniert sehr gut", sagt Andreas nach ein paar Jahren Erfahrung.
Sie leben und preisen das Familienunternehmertum und dessen Freiheiten. "Wir können uns vollkommen unseren Kunden widmen und müssen nicht stattdessen mit Finanzinvestoren reden", sagt Andreas. Quartalsergebnisse sind für sie irrelevant, jedenfalls keine Eckpunkte für unternehmerische Entscheidungen. "Wir orientieren uns in allem, was wir tun, langfristig."
Das gilt vor allem für die Produktentwicklung. Bestes Beispiel ist der Kopfhörer HE 1, das Nachfolgermodell des legendären Orpheus. Eigenwerbung: "Der beste Kopfhörer der Welt." Er kam Mitte 2016 auf den Markt. Zwanzig Jahre haben sie getüftelt und entwickelt. "Erst dann waren wir zufrieden", sagt Andreas Sennheiser, "ein börsennotiertes Unternehmen hätte nie einen solch langen Atem gehabt."
Diese Hartnäckigkeit und Ausdauer haben sie von ihrem Großvater und Gründer Fritz geerbt, den beide noch kennengelernt haben. Er war eher Forscher als Unternehmer. "Er hatte diese permanente kreative Unzufriedenheit mit dem Status quo", sagt Andreas. Dieses Forschergen wurde im Laufe der Jahrzehnte dem ganzen Unternehmen eingeimpft.
Vater Jörg, der 1982 die Unternehmensführung übernahm, trieb die Internationalisierung von Sennheiser voran. Weltweit gründete er Vertriebstöchter, inzwischen sind es 20. Der Exportanteil am Umsatz beträgt aktuell knapp 85 Prozent.
Die Aufgabe der dritten Generation ist dagegen eine ganz andere. Im digitalen Zeitalter geht es zum Beispiel um die Vernetzung ihrer Kopfhörer mit anderen Geräten und Unternehmen. "Unsere Produkte sind nicht mehr stand alone", sagt Andreas Sennheiser. Sie sind mit Handys, Apps und Clouds verbunden. Deshalb gibt es zum Beispiel auch eine Kooperation mit Facebook.
Ein klangvoller Name
Nicht mehr allzu ferne Zukunftsmusik ist die 3-D-Audio-Technologie, an der Sennheiser ganz intensiv arbeitet. Produkte unter dem Namen Ambeo sollen ein völlig neues Klangerlebnis ermöglichen. "Da stehen wir an vorderster Front", sagt Andreas.
Aber auch in der Geschäftskommunikation sieht Sennheiser großes Potenzial. Es sei nur eine Frage der Zeit, wann Telefonhörer von Headsets ersetzt würden, prophezeit man bei Sennheiser. Man könne sich dadurch im Büro frei bewegen.
All die neuen Produkte und Technologien werden im 2015 errichteten Innovation Campus entwickelt. Dort arbeiten rund 250 Mitarbeiter, ohne feste Büros. Was eine neue Form der Kommunikation ermöglichen und die Zusammenarbeit stärken soll.
"Wir wollten damit ein klares Signal an den Rest des Unternehmens setzen", sagt Daniel, was auch gelungen sei. Anfangs habe gerade unter den Entwicklern große Skepsis über das Verschwinden ihrer geliebten Büros geherrscht. Inzwischen liege die Zustimmungsquote bei 90 Prozent.
Einmal im Monat flüchten freilich auch die beiden Brüder aus ihrem Großraumbüro. Dann treffen sie sich privatissime, um einen langen Tag miteinander zu reden - natürlich über die Zukunft ihres Familienunternehmens. Und das ganz in Ruhe, ohne Zuhörer.
Seit 1997 ehrt die Beratungsgesellschaft Ernst & Young (EY) mit der Auszeichnung "Entrepreneure of the Year" wachstumsstarke Unternehmen und deren prägende Führungspersönlichkeiten. In diesem Jahr gab es zwei Ehrenpreise sowie Sieger in fünf verschiedenen Kategorien. manager magazin, einer der Medienpartner des Wettbewerbs, stellt die Sieger ab 20. November in einer Portraitserie vor.
Entrepreneure des Jahres: Das sind die Sieger 2017