
André Kemper (links) und sein Kompagnon Tonio Kröger
Foto: Urban Zintel für manager magazinZusammen mit Tonio Kröger sorgte André Kemper (53) im vergangenen Jahr für den Paukenschlag der Branche: Ihre Agentur "antoni" wurde eigens für Mercedes gegründet; der Autobauer hatte sich zuvor vom langjährigen Etathalter Jung von Matt getrennt. Kemper startete seine Karriere bei BBDO; prägend waren die Jahre bei Springer & Jacoby, wo er zum Geschäftsführenden Gesellschafter aufstieg. 2004 gründete der Kreative zusammen mit Michael Trautmann kempertrautmann, woraus später thjnk wurde. Aufsehen außerhalb der Reklamebranche erregte Kemper, Markenzeichen Lederjacke und impulsiver Auftritt, mit seinem Fausthieb beim Wiener Opernball 2014.

mm.de: Herr Kemper, seit Sommer 2015 machen Sie mit antoni Werbung für Mercedes, zuvor waren Sie für Opel kreativ. Welche Autos lassen sich leichter in Szene setzen?
Kemper: Die Aufgaben könnten unterschiedlicher nicht sein. Opel ist "up and coming" - in der Angreifer-Position. Mercedes dagegen steht mit fantastischen Produkten ganz oben - ohne dabei vom Gas zu gehen. Beides ist für Werber sehr attraktiv und inspirierend.
mm.de: Sie und Ihr Mitgründer Tonio Kröger arbeiten mit antoni ausschließlich für Mercedes. Warum ist das Modell der One-Customer-Agentur unter Kunden gerade so attraktiv?
Kemper: Kommunikation und Marketing sind deutlich komplexer geworden - es wird immer schwieriger echte Highlights zu setzen. Zumal die Menschen mittlerweile ein recht hohes Niveau gewohnt sind. Daher wünschen sich vor allem große Kunden einen hundertprozentigen Fokus aller Beteiligten auf die Marke. Fokussierung ist der Schlüssel zu mehr Tiefgang und Exzellenz. Wer gleichzeitig noch diverse andere Kunden betreut, läuft Gefahr sich zu verzetteln. Ich werde oft gefragt: Ist es nicht langweilig, immer nur eine Marke zu betreuen? Klares Nein. Mercedes kommt immer wieder mit neuen faszinierenden Produkten, Innovationen und Designs - was könnte inspirierender sein? Nehmen Sie zum Beispiel Jonathan Ive - den Design-Chef von Apple: Mit seinem Talent und seiner Reputation könnte er locker dutzende Welt-Marken betreuen - konzentriert sich aber lieber auf die eine wichtige.
Inspiration oder Algorithmus?
mm.de: Sie sind seit mehr als 30 Jahren in der Werbung aktiv, Ihre prägenden Jahre verbrachten Sie bei der legendären Agentur Springer & Jacoby. Wie hat sich Werbung seither verändert?
Kemper: Sie ist komplexer, vielfältiger geworden - und damit komplizierter zu steuern. Früher präsentierten wir unseren Kunden ein paar Anzeigen und einen TV-Spot - das war's. Heute haben wir dramatisch mehr Möglichkeiten und Kanäle. Das ist zum einen fantastisch und inspirierend - anderseits aber auch schwieriger im Handling. Gleichzeitig ist die Geschwindigkeit unserer Arbeit mit der Digitalisierung gestiegen - auch das hat die Prozesse in den Agenturen extrem verändert. Und bei all dem, was täglich so durch die Welt flimmert, wird es nicht einfacher, Ideen und Geschichten zu kreieren, die für Aufsehen sorgen - die so noch niemand gesehen hat.
mm.de: Ist das überhaupt noch notwendig? Alle reden doch von Content und Big Data und Customer Journeys. Wer braucht noch gute Ideen, wenn Daten alles über den Kunden verraten?
Kemper: Kleines Beispiel: Wenn ich meine Freundin seit vielen Jahren kenne und praktisch alles über sie weiß, ist die Herausforderung sie zu überraschen und zu begeistern, noch größer. Big Data ohne Big Idea? Kein Erfolgsmodell! Big Data ist ein sehr hilfreiches Tool - aber Kreativität wird immer unser kraftvollstes Werkzeug bleiben. Ich liebe meinen Job mehr denn je, denn er bietet mir heute Möglichkeiten, von denen ich zu Springer & Jacoby-Zeiten noch nicht einmal geträumt habe.
mm.de: In der Branche zählen Sie neben Karen Heumann und Jean-Remy von Matt zu den wenigen bekannten Werbe-Gesichtern, gelten als einer der letzten Cowboys. Sind Reklame und ihre Protagonisten zu brav geworden?
Kemper: In unserem Geschäft handeln wir nicht mit Schrauben und agieren auch nicht mit hundertprozentiger Berechenbarkeit. Es hängt also viel vom Vertrauen zwischen Kunde und Agentur ab. Je innovativer und mutiger die Idee, desto größer muss dieses Vertrauen sein. Einer neuen Idee stellen sich oft erschreckend viele Hindernisse in den Weg - da hilft es, einen starken Ruf zu haben. Je stärker die eigene Reputation, desto einfacher ist es, andere von einer Idee zu überzeugen. Und da gibt es natürlich unterschiedliche Stile: Jean-Remy, Karen, Amir Kassaei - sie könnten nicht unterschiedlicher sein. Was sie verbindet, ist ihre Durchsetzungskraft - sie ist entscheidend. Im Übrigen hat es in jeder Generation nicht mehr als ein halbes Dutzend Werber mit großer Sichtbarkeit gegeben. Und ich bin gespannt, wer das in den kommenden Generationen sein wird.
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