Kein Vertrieb mehr über Lidl Nestlé zieht umstrittenes Wasser Vittel zurück

Vittel: In dem gleichnamigen Ort gewinnt Nestlé das Mineralwasser - der Grundwasserspiegel sinkt so deutlich ab
Foto:Gwendoline Le Goff / imago images
Der Nahrungsmittelriese Nestlé befindet sich mit seinem viel kritisierten Mineralwasser Vittel offenbar auf dem Rückzug. Der Konzern werde seine Vertriebsvereinbarung mit dem Supermarkt-Discounter Lidl nicht verlängern, sagte eine Sprecherin auf Anfrage und bestätigte damit Informationen des manager magazins. Der Vertrag laufe Ende Oktober 2021 "nach gemeinsamer Abstimmung" mit Lidl aus, so die Sprecherin. Als eine der großen Lebensmittelketten Deutschlands zählt Lidl zu den wichtigsten Vertriebskanälen für Vittel-Wasser hierzulande. Zu den Gründen und Hintergründen der Entscheidung wollte sich die Sprecherin zunächst nicht äußern. Von Lidl war zunächst ebenfalls keine Stellungnahme zu bekommen.
Auch zu weiteren Vertriebskanälen für Vittel in Deutschland wollte die Nestlé-Sprecherin keine konkreten Angaben machen. Die Verhandlungen mit weiteren Partnern fänden im üblichen jährlichen Rahmen statt und erstreckten sich über einige Wochen, so die Sprecherin.
Nestlé steht mit dem Mineralwasser Vittel seit Jahren in der Kritik. Das Wasser wird seit Anfang der 1990er-Jahre in der französischen Kleinstadt Vittel in den Vogesen aus verschiedenen Brunnen an die Oberfläche gefördert. Medienberichten zufolge hat Nestlé die Erlaubnis der dortigen Behörden, jährlich bis zu eine Million Kubikmeter Wasser abzupumpen, das der Konzern dann in Flaschen abfüllt und europaweit verkauft.
Anwohner und Naturschützer kritisieren jedoch, dass dadurch der Grundwasserspiegel in Vittel sinke - die Ortschaft trockne nach und nach aus. Berichten zufolge geht es mit dem Grundwasserspiegel in Vittel insbesondere aufgrund der Aktivität des Lebensmittelriesen Jahr für Jahr um etwa 30 Zentimeter abwärts.
Verrottete Vittel-Flaschen entdeckt
Nestlé streitet das keineswegs ab. Einer Übersicht, die Nestlé auf seiner Website zeigt , ist zu entnehmen, dass sich der Konzern für etwa ein Viertel der örtlichen Grundwasserentnahmen in der Verantwortung sieht. "Wir pumpen mehr Wasser ab, als sich natürlicherweise regenerieren kann, wodurch der Grundwasserspiegel seit dreißig Jahren jedes Jahr ständig sinkt", sagte kürzlich der Leiter der örtlichen Nestlé-Fabrik, Ronan Le Fanic, gegenüber dem ZDF . "Darin ist also nichts Neues." Allerdings entnehme Nestlé dem Boden mittlerweile weniger Wasser als erlaubt.
Darüber hinaus gab es zuletzt Berichte, wonach im Umfeld der Wassergewinnung in Vittel in der Natur unzählige alte und verrottete Vittel-Plastikflaschen gefunden wurden. Medien berichteten über zwei wilde Deponien mit derartigem Plastikmüll, die bei dem Ort entdeckt worden seien . Laut Nestlé wurde inzwischen an fünf Standorten mit der Sanierung begonnen.
Selbst der Bau einer Pipeline wurde zwischenzeitlich geplant. So sollten die Anwohner Vittels mit Wasser aus anliegenden Regionen versorgt werden - damit Nestlé mit dem edlen Nass aus dem Ort weiter Geschäfte machen kann. Das Projekt wurde inzwischen aber wieder begraben.
Nestlé hat seine Wasserproduktion in Vittel stets verteidigt, unter anderem mit Verweis auf die rund 1000 Menschen, die der Konzern in dem französischen Ort beschäftigt. "Wir gehen allerdings sehr verantwortungsvoll um mit Wasser, sowohl bei den Quellen als auch in unseren Fabriken", sagte Konzernchef Mark Schneider (56) im vergangenen Jahr in einem Interview mit dem manager magazin . "Dass man als größter Nahrungsmittelkonzern der Welt trotzdem immer wieder als Zielscheibe herhalten muss, das lässt sich wohl nie ganz vermeiden."
Inzwischen stößt der Konzern indes Teile seines Wassergeschäfts ab. So wurde laut Geschäftsbericht 2020 etwa der Verkauf der regionalen Quellwassermarken, des Geschäfts mit aufbereitetem Flaschenwasser und des Getränkelieferservices in den USA und Kanada vereinbart. Der beschlossene Einschnitt im deutschen Vittel-Geschäft dürfte insofern ins Bild passen.
Insgesamt haben die Umsätze Nestlés mit Mineralwasser insbesondere während der Corona-Zeit weltweit gelitten. Das geht aus Geschäftsergebnissen hervor, die der Konzern Anfang des Jahres für das Corona-Jahr 2020 veröffentlicht hat. Demnach verzeichnete Nestlé im vergangenen Jahr einen Umsatzrückgang von rund 9 Prozent auf insgesamt 84,3 Milliarden Schweizer Franken (78,7 Milliarden Euro). Der operative Gewinn des Konzerns sank um 8,3 Prozent auf 14,9 Milliarden Franken.
Dabei stiegen Corona-bedingt vor allem die Umsätze mit Produkten, die die Kunden in den eigenen vier Wänden konsumieren können, wie etwa Milchprodukte oder Kaffee. Die Umsätze über Außer-Haus-Kanäle wie zum Beispiel die Gastronomie gingen dagegen stark zurück. In dem Zusammenhang sank im fraglichen Zeitraum auch der Umsatz des Konzerns mit Mineralwasser, das gewöhnlich ebenfalls vielfach unterwegs konsumiert wird.
(Anm. d. Red.: Die Informationen, Nestlé sei lediglich für einen Teil der Grundwasserentnahmen in Vittel verantwortlich und im Zusammenhang mit dem aufgefundenen Plastikmüll in Vittel sei inzwischen mit der Sanierung begonnen worden, haben wir dem Artikel nach Veröffentlichung hinzugefügt.)