Nizza Minister streiten über Mittelstandshilfe
Nizza - Mit einem größeren Angebot günstiger Kredite wollen die EU-Finanzminister kleine Unternehmen vor der Wucht der Bankenkrise abschirmen. Als Antwort auf den Abschwung beschlossen die 27 EU-Länder am Samstag, dass die Europäische Investitionsbank ihren Finanzierungsrahmen für diese Klientel in den kommenden drei Jahren auf 30 Milliarden Euro verdoppeln soll. Die Firmen hätten damit eine Alternative zu Krediten der Geschäftsbanken, bei denen sich die Konditionen möglicherweise noch weiter verschlechterten.
"Wir warten nicht einfach ab. Wir wollen sicherstellen, dass unsere Wirtschaft gut läuft", sagte die französische Finanzministerin und EU-Ratspräsidentin Christine Lagarde nach dem informellen Treffen im französischen Nizza. Ein staatliches Ausgabenprogramm und Steuererleichterungen wie in den USA, wo die Regierung sich mit 150 Milliarden Dollar gegen die Krise stemmt, verwarfen die Politiker. Dies würde nur ein Strohfeuer entfachen und langfristig die Staatsverschuldung erhöhen. Stattdessen werde die EU weiter auf Schuldenabbau und Reformen setzen, war die übereinstimmende Einschätzung.
Streit gab es über einen Vorschlag der EU-Kommission, der zumindest in die Richtung eines Konjunkturprogramms geht. Zur Förderung kleiner und mittlerer Unternehmen sollen die Mehrwertsteuersätze auf arbeitsintensive Dienstleistungen von Friseuren, Restaurants und Handwerkern gesenkt werden können.
Bundesfinanzminister Peer Steinbrück wies den Vorschlag, den die 27 EU-Länder einstimmig verabschieden müssten, zurück: "Wir sind ausgesprochene Skeptiker, was die Einführung weiterer reduzierter Mehrwertsteuer betrifft." Allein für den deutschen Staat würde der Steuerausfall 12,5 Milliarden Euro, betragen, wenn die Sätze auf sieben Prozent gesenkt würden.
Die Wirtschaft in Deutschland und der Euro-Zone braucht nach seiner Einschätzung außerdem kein Rettungsprogramm. "Deutschland ist nicht in einer Rezession, wir sind in einem Abschwung", sagte Steinbrück. Einen Grund zur Dramatisierung gebe es nicht.
Dreifacher Schock für Europa
Dreifacher Schock für Europa
Die Lage am Arbeitsmarkt sei weiterhin gut. Die EU-Kommission hatte die Prognose für das Wachstum in der Euro-Zone 2008 zuletzt auf 1,3 von 1,7 Prozent gesenkt. Für Deutschland erwartet sie nach wie vor 1,8 Prozent, obwohl im dritten Quartal ein weiterer Rückgang des Bruttoinlandsprodukts wahrscheinlich ist. Für die Euro-Zone rechnet die Kommission im zweiten Halbjahr mit Stagnation.
Die Finanzkrise, der starke Anstieg der Inflation und der teure Euro hätten Europa einen dreifachen Schock versetzt, erklärte Lagarde. Steinbrück betonte, die Finanzkrise sei das größte Risiko für die Konjunktur. Mit Blick auf den drohenden Kollaps der US-Investmentbank Lehman Brothers sagte er: "Die Nachrichten, die aus den USA kommen, sind schlecht. Wir haben dort schwere Verwerfungen." Bundesbankchef Axel Weber erklärte, wenn mit einer Auffanglösung für Lehman ein Übergreifen auf andere Banken verhindert werde, blieben die Folgen für die deutschen Institute begrenzt.
Stabilität des Finanzsystems steht auf dem Spiel
In Deutschland mussten die Landesbanken WestLB, SachsenLB und BayernLB sowie die IKB mit öffentlichen Geldern und Garantien gestützt werden. Steinbrück forderte die EU-Kommission auf, bei der Überprüfung solcher Beihilfen behutsam vorzugehen.
Schließlich stehe die Stabilität des gesamten Finanzsystems auf dem Spiel. EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes hatte vergangene Woche den Sanierungsplan für die WestLB abgelehnt und damit den Druck in den Verhandlungen verstärkt.
Ilona Wissenbach, reuters