Mezzanine-Kapital Kampf um den Kuchen
Frankfurt am Main - In der Frankfurter City traf sich Ende April die Arbeitsgruppe Mittelstandsfinanzierung der Initiative Finanzstandort Deutschland (IFD). Auf ihrer Agenda standen die Probleme am Mezzanine-Markt. Die Empfehlung, in einer Art konzertierter Aktion die Probleme anzugehen, haben die Mitglieder der Arbeitsgruppe nicht abgegeben.
Den Vorschlag, Mindeststandards beispielsweise für die Transaktionsgestaltung, Informationsoffenlegung und Risikostreuung zu entwickeln, lehnten die Teilnehmer unter Hinweis auf "kartellrechtliche Überlegungen" ab. Nach dem Motto "Der Markt wird es schon richten" vertrauen sie auf die Selbstreinigungskräfte des Marktes, wie es in IFD-Kreisen heißt.
Vom Tisch ist das Thema aber dennoch nicht. Gesprächsteilnehmer weisen darauf hin, dass die nächste Ebene in der IFD-Hierarchie, die Sherpas, sich des Themas noch einmal annehmen könnten. Auch des hochpolitischen Vorschlags, eine einheitliche Plattform zur Abwicklung von standardisierten Mezzanine-Transaktionen beispielsweise über die Staatsbank KfW als neutraler Partner zu schaffen. "Spätestens wenn die Rendite nicht mehr stimmt oder der Verbriefungskanal verstopft ist, wird eine solche Lösung kommen", erwartet ein Anbieter.
Das sorgt für Ärger im Bankensektor. Die IFD sei dazu da, Aufklärungsarbeit zu leisten und nicht Produktplattformen zu schaffen, schimpft ein Banker. Die Initiative IFD wurde vor drei Jahren ins Leben gerufen, um den Finanzstandort Deutschland zu stärken. Ihre Mitglieder sind Banken und Versicherer, deren Branchenverbände, die Deutsche Börse, die Bundesbank und das Bundesfinanzministerium.
Hinter den Kulissen kämpfen die Großen und die Kleinen erbittert um ihren Teil vom Mezzanine-Kuchen. Bei dieser Finanzierungsform handelt es sich um eine Mischform aus Eigen- und Fremdkapital. Die kleineren Marktteilnehmer argwöhnen, dass die zum Wohl des Mezzanine-Marktes ausgesprochenen Konsolidierungsermahnungen von HSBC und HypoVereinsbank nur dazu dienen, dass die Geschäfte demnächst über deren Plattform abgewickelt werden.
"Langfristig werden nur drei Anbieter bestehen"
Bereits seit Monaten mahnen die beiden Platzhirsche auf dem Markt für standardisierte Mezzanine-Programme die Konsolidierung auf dem Markt an. "Es gibt zu viele Anbieter", sagt Michael Auracher, Managing Director von HSBC Trinkaus & Burkhardt in Düsseldorf. Zumal durch die hohe Zahl der Anbieter viele kleine Portfolios mit nur wenigen Unternehmen entstehen würden. Derzeit rennen 13 Anbieter von Standard-Mezzanine beim Mittelstand die Türen ein. Die standardisierten Programme bieten den Unternehmen Mezzanine-Kapital im Gegensatz zur maßgeschneiderten, individuellen Finanzierung von der Stange an.
"Mit Blick auf die Notwendigkeit von größeren Portfolios und die generelle Nachfrage von Unternehmen nach diesen Produkten werden am Markt langfristig nur drei Anbieter bestehen", meint auch Jörg Stührwohldt von der HypoVereinsbank in München. Für den Experten für High-Yield-Transaktionen krankt der Mezzanine-Markt in erster Linie ebenfalls an den zu kleinen Portfolios mit zu wenig Unternehmen.
In solchen Portfolios werden die Mezzanine-Emissionen zusammengefasst, beispielsweise nachrangige Darlehen mittelständischer Unternehmen. Im Zuge einer Verbriefungstransaktion werden die Portfolios dann über den Kapitalmarkt bei institutionellen Investoren platziert. Geburtsstunde dieser Art von Transaktionen war das Jahr 2004. Damals wurde der Markt für verbrieftes und am Kapitalmarkt refinanziertes Mezzanine-Kapital in Standardform durch die erste Preps-Transaktion der HVB begründet. Ein Jahr später folgte die HSBC mit ihrem Heat-Programm. Vergangenes Jahr betrat mit Merrill Lynch auch die erste US-Investmentbank den seinerzeit hohe Wachstumsraten versprechenden deutschen Markt.
"Sie beißen sich gegenseitig weg"
Mittelständler erweitern ihren Finanzierungsmix
Neben der Innenfinanzierung und dem klassischen Bankkredit erweitern Mittelständler ihren Finanzierungsmix um das dritte Standbein Mezzanine. "Für die größere Unabhängigkeit von dem Bankkredit und der zyklischen Kreditpolitik der Banken sind sie auch bereit, eine Stabilitätsprämie zu bezahlen", konstatiert der HypoVereinsbank-Experte. Auch wenn die Banken derzeit um mittelständische Kreditkunden wieder buhlen und Mezzanine durchaus im Vergleich zum Kredit "relativ teuer" sei, wie Stührwohldt einräumt, haben die Unternehmen die Kreditverknappung im letzten Zyklus nicht vergessen und sind seiner Ansicht nach bereit, den höheren Preis für mehr Unabhängigkeit vom Bankkredit zu zahlen.
Mezzanine-Finanzierung
Geeignet für | Kleine bis mittlere Unternehmen mit gutem Wachstumspotenzial. Die Gesellschafterstruktur soll unverändert bleiben, der Unternehmer will Eigenkapitalbasis stärken, aber selbst Herr im Haus bleiben. Der Verschuldungsgrad kann relativ hoch sein, die Ertragsentwicklung muss aber stabil sein. |
Zweck | Wachstumsfinanzierung, Investitionen in neue Anlagen, Maschinen oder Werke. Investition, um Wettbewerber oder andere Unternehmensteile zu kaufen, MBO, MBI, Abspaltung von Konzernteilen, Umfinanzierung. |
Merkmale | Wirtschaftliches oder bilanzielles Eigenkapital, ohne Mitspracherechte von außen zulassen zu müssen. Volumen meist etwa ein bis 30 Millionen Euro. Laufzeit fünf bis zehn Jahre. |
Vorteile | EK-Quote wird verbessert, individuell gestaltbar, keine Entscheidungsrechte der Kapitalgeber, Sicherheiten werden nicht verlangt. |
Nachteile | Mezzanine-Finanzierung kann je nach Bonität des Unternehmens und Risiko der Kapitalgeber (Nachrangigkeit, Verlustbeteiligung) auch deutlich mehr als 10 Prozent pro Jahr kosten. |
Wer berät | Banken, Sparkassen, Unternehmensberater, unabhängige Finanzdienstleister |
Stabilitätsprämien - das ist selbstverständlich Musik in den Ohren der Banker. Allerdings nehmen die Dissonanzen seit geraumer Zeit zu. So ist das Wachstum des Marktes weit hinter den teilweise euphorischen Prognosen zurückgeblieben. Mehr als drei Milliarden Euro Kapital wurde bislang im Rahmen von standardisierten Mezzanine-Programmen verbrieft. Damit aber liegt der Markt noch weit hinter den von der HVB prognostizierten 15 Milliarden Euro Marktvolumen, die bis zum Jahr 2008 erreicht werden sollten.
Insider sprechen von "Kampfkonditionen"
"Dieses Volumen wird der Markt keineswegs erreichen", sagt Olivier Weddrien von DZ Equity Partner. Das zeichne sich schon deshalb ab, weil in diesem Jahr wenige Mezzanine-Programme aufgelegt worden seien. Die Angebote an klassischen Krediten würden von den Banken wieder deutlich hochgefahren und das Volumen an Schuldscheindarlehen steige kräftig, erläutert Weddrien. "Erst im Konjunkturabschwung und der Verknappung von Krediten wird die Nachfrage nach Mezzanine wieder stärker", ist er sicher.
So herrscht denn derzeit ein scharfer Konkurrenzkampf der Häuser auf dem Mezzanine-Markt. Insbesondere die später oder nur zögerlich auf den Mezzanine-Zug aufgesprungenen Institute versuchen sich "gegenseitig wegzubeißen", sagt ein Banker. Es ist die Rede von "Kampfkonditionen", mit denen mittlerweile allerdings keineswegs mehr nur die kleineren Anbieter am Markt auftreten. Ein Mezzanine-Anbieter berichtet, dass seine Konditionen für eine Mezzanine-Finanzierung von einem Wettbewerber gleich um mehr als 2 Prozentpunkte unterboten worden seien. Diese Dumping-Konditionen könnten einfach nicht mehr risikoadäquat sein, kritisiert er.
500 Millionen sollte ein Portfolio schon haben
Qualität der Portfolios leidet
Nicht nur HSBC und die HypoVereinsbank eint die Sorge, dass solche Kampfkonditionen den Markt kaputt machen könnten. Auch die anderen Marktteilnehmer wissen sehr wohl, dass nicht risikoadäquate Konditionen den Markt gefährden können. Einig sind sich auch alle, dass die Volumina der Portfolien eine Mindestgröße nicht unterschreiten sollten. "Ein Mezzanine-Portfolio sollte mindestens ein Volumen von 300 Millionen, besser jedoch von 500 Millionen Euro auf die Waagschale bringen", sagt Stührwohldt.
Weddrien von DZ Equity gibt ebenfalls als Richtung 300 Millionen Euro vor, wobei die einzelnen Tickets seiner Ansicht nach zwischen zwei Millionen und fünf Millionen Euro liegen sollten. Die Zahl der Unternehmen in einem Programm sollte zudem zwischen 60 und 80 liegen. Derzeit bündeln die meisten Programme die Darlehen an 35 bis 60 Unternehmen zu einem Volumen von 200 Millionen bis höchstens 300 Millionen Euro.
Hinter der Forderung nach höheren Volumina und mehr Unternehmen in einem Portfolio stehen Risikoüberlegungen. Gibt es Probleme bei einem Unternehmen, kann dies bei einem höheren Volumen des Gesamtportfolios und einer großen Zahl von Unternehmen besser austariert werden. "Besonders bei den Anbietern kleinerer Portfolios geht die gewollte Präsenz auf dem Markt für Programm-Mezzanine zulasten der Qualität der Portfolios", urteilt der HypoVereinsbank-Experte.
Ausfälle haben zu einem Reputationsproblem geführt
Alle sind sich einig, dass es Nachholbedarf im Hinblick auf allgemeingültige Standards für die Transaktionsgestaltung und Informationsoffenlegung gibt, so wie sie auf der IFD-Sitzung diskutiert wurden. Aber der Handlungsdruck ist offensichtlich noch nicht hoch genug - trotz des mit der steigenden Zahl von Ausfällen einhergehenden Reputationsrisikos und der zunehmenden Unruhe auf der Investorenseite. "Ausfälle in den Portfolios - vor allem, wenn diese frühzeitig nach der Auflage eintreten - haben zu einem Reputationsproblem am Mezzanine-Markt geführt", stellt Stührwohldt fest. Das führt zu höheren Risikoprämien, die Investoren einfordern. Und das verteuert für die Mittelständler die Finanzierung.
Die Marktteilnehmer wissen sehr wohl, wo die Schwachpunkte sind. Sie wissen ebenfalls sehr genau, dass durch dadurch der Markt anfällig für Ausfälle ist - spätestens nach den Problemen mit dem Plüschtierhersteller Nici. Wie anfällig ein Programm bei zu kleinem Volumen und zu wenig Unternehmen ist, hat die Commerzbank erlebt. Nur wenige Tage nach dem Auflegen ihres CB Mezzcap-Programms mit einem Volumen von knapp 200 Millionen Euro ging Nici Pleite. Das Unternehmen stellte das WM-Maskottchen Goleo her. Zu aggressiv habe die Commerzbank versucht, in den Markt zu drängen, heißt es in der Branche. Dieser Fall, der es bis in die "Tagesschau" geschafft habe, habe sich in das Bewusstsein der Investoren eingebrannt, berichtet ein Marktteilnehmer.
Allerdings war Nici nicht nur im Commerzbank-Programm enthalten, sondern auch in zwei Verbriefungen der HypoVereinsbank und im Kooperationsprojekt Equinotes zwischen der Deutschen Bank und der IKB Deutsche Industriebank. Insgesamt soll sich Nici etwa 30 Millionen bis 40 Millionen Euro über die verschiedenen Programme beschafft haben. Der Fall Nici blieb kein Einzelfall. Der Schuhhersteller Rohde, der Autozulieferer ISE, die Modefirma Hucke und jüngst das Möbelunternehmen Schieder sind gefolgt.
Die Branche verspricht Besserung
Mezzanine-Anbieter arbeiten an ihren Standards
Die Branche gelobte Besserung - und die einzelnen Mezzanine-Anbieter schrauben in Marke Eigenbau an der Weiterentwicklung ihrer Standards. So wollen sie den Unternehmen das sogenannte Hopping erschweren. Dabei nehmen Firmen gleich bei mehreren Mezzanine-Anbietern Kapital auf - oder, wie es ein Marktteilnehmer beschreibt, "pumpen sich mit Mezzanine voll". Die marktinterne Regelung des Problems durch einen gegenseitigen Informationsaustausch wird allerdings durch den harten Konkurrenzkampf erheblich erschwert.
Außerdem versuchen die Marktteilnehmer, Fälle wie Nici und Schieder zu relativieren. Gegen ein betrügerisches Management seil nun mal kein Kraut gewachsen. "Vor den bisher aufgetretenen Betrugsfällen hätten sich die Mezzanine-Geber sehr wahrscheinlich auch mit der besten Due Diligence nicht schützen können", meint Stührwohldt. Allerdings ist es mit einer Due Diligence, bei der die Bücher des Unternehmens geprüft werden, auch nicht weit her. "Sie müsste durchgeführt werden, aber das rechnet sich aus Kostengründen bei kleinvolumigen standardisierten Programmen einfach nicht", räumt ein anderer Marktteilnehmer selbstkritisch ein.
Kapitalgeber suchen das direkte Gespräch
Ein Mezzanine-Anbieter setzt zum Schutz vor betrügerischen Insolvenzen nun auf den "Nasen-Effekt": Sie wollen durch Gespräche mit der Unternehmensleitung einen Eindruck von der Qualität des Managements erhalten. Zumindest das Problem veralteter Unternehmensdaten wird angegangen. Viele der kleinen Unternehmen, die von dem Markt beackert werden, böten den Mezzanine-Gebern Zahlen an, die manchmal anderthalb Jahre und älter sind.
"Die Unternehmen müssen wichtige Daten aus ihrer Bilanz sowie Gewinn- und Verlustrechnung mindestens vierteljährlich mitteilen", fordert Auracher von HSBC. Das Gleiche gelte für wichtige Informationen zur Unternehmens-, und Marktentwicklung, wie etwa Veränderungen der Kunden-, Lieferanten- oder Gesellschafterstruktur. Aber auch hier besteht das Problem darin, dass unter der Notwendigkeit, ein Portfolio "zusammenzuschrauben", wie es ein Marktteilnehmer formuliert, solche Banken oft genug mit ihrer Forderung in der Defensive stünden.
Ausfälle sorgen für ein Reputationsproblem
Das Reputationsproblem am Mezzanine-Markt durch die steigenden Ausfälle in den Portfolios müsse die Branche nun gemeinsam angehen, fordert Stührwohldt. Aber auch er beurteilt die Erfolgsaussichten mit Skepsis. "Das zentrale Problem des Marktes für Mezzanine-Plattformen ist, dass die Motivation zu vieler Anbieter in diesem Markt ausschließlich geschäftsstrategischer Natur ist", sagt er. Bankenwettbewerb hat in Deutschland eben auch eine hohe emotionale Komponente, wie ein Banker süffisant bemerkt, weshalb jedes Haus halt mit seinem Programm Flagge zeigen wolle, auch wenn die kritische Masse dafür nicht ausreiche.
Für Malte Brockmann von der European Business School im Rheingau sind solche Positionierungsspiele zweitrangig. Der Mittelstandsexperte will den Nutzen dieser Finanzierungsform für die Mittelständler gesichert sehen. "Günstige Konditionen für die Mezzanine-Nehmer sind selbstverständlich zu begrüßen", sagt er. Aber Kampfpreise könnten die Qualität der Programme gefährden und damit die Anschlussfinanzierung für die Unternehmen. "Es kann nur im Interesse der Unternehmen liegen, dass der Mezzanine-Markt einen hohen Qualitätsstandard erreicht", mahnt er. Das müsse die höchste Priorität haben.