Jobgipfel Meine Oma fährt im Hühnerstall Motorrad
Hamburg - Eins muss man Regierung und Opposition lassen: Das Spektakel beim Jobgipfel war nicht übel. Die Zeit zwischen der Rede des Bundespräsidenten und den Auftritten im Bundestag, war zwar deutlich länger als Umbaupausen bei Rockfestivals, aber das hat der Sache nicht geschadet.
Die Side-Show in Kiel war nicht nach jedermanns Geschmack. Wie wäre es nächstes Mal mit einer Cheerleader-Truppe? Und vielleicht könnte auch dieser hübsche Berg von Paramount Pictures mit den weißen Sternen drum herum eingeblendet werden.
Good News: 25, 40, 19, 35
Nach dem ganzen "Hüh" und "Brrr" der vorangegangenen Wochen gibt es nun doch eine Absenkung der Steuern auf Gewinne von GmbHs und AGs. Die Körperschaftsteuer fällt von 25 Prozent auf 19 Prozent. Rechnet man die Gewerbesteuer hinzu, ergibt dies eine Steuerbelastung von um die 35 Prozent statt vorher etwa 40 Prozent. Ganz genau lässt sich das nicht sagen, denn die Ermittlung der Gewerbesteuer ist reichlich mysteriös.
Für andere Unternehmen, also Personengesellschaften und Einzelkämpfer, soll die Anrechnung der Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer verbessert werden. Was auch immer das bedeuten mag, verrückter als es derzeit ist, kann es kaum werden. Ein weiteres Bonbon: Die Erbschaftsteuer beim Übergang von kleinen und mittleren Betrieben auf die nächste Generation soll abgesenkt werden. In einer Situation, in der weder SPD noch Grüne noch CDU noch CSU ein irgendwie erkennbares Programm zur Reform der Unternehmensteuern haben, ist dieses Ergebnis ziemlich gut.
Bad News: No Time for Losers
Zu den schlechten Nachrichten für Steuerzahler blieben die Ankündigungen allerdings eher diffus. Sicher ist, das Ganze soll "gegenfinanziert" werden. Im Klartext: Die großzügig gewährten Steuervorteile für Unternehmen werden durch Steuernachteile an anderen Stellen wieder aufgehoben. Da geht es mal wieder an das Stopfen der legendären Schlupflöcher.
Im Vordergrund steht die famose "Mindestgewinnbesteuerung". Das bedeutet nichts weiter, als dass Verluste von Unternehmen, die Steuern nur noch eingeschränkt mindern dürfen, ungeachtet des Umstandes, dass sie aus bereits versteuertem Geld finanziert sind. Neuinvestitionen, bei denen für ein paar Jahre rote Zahlen geschrieben werden, tappen hier bereits jetzt in böse Steuerfallen und das soll offenbar noch schlimmer werden. Gewinnsteuern zahlen, bevor Gewinn gemacht wird? Das sollte man nicht so eng sehen - verstehen Sie es als Ansporn, sich mal tüchtig am Riemen zu reißen.
Eine weitere Gegenfinanzierungsmaßnahme ist die Erhöhung der Einkommensteuer auf Dividenden, wenn die GmbHs und die AGs die Gewinne an ihre Anteilseigner ausschütten. Diese Gewinne sind dann höher besteuert als Gewinne bei Personengesellschaften? Packen Sie doch endlich Ihren Taschenrechner weg, und hören Sie mal richtig zu: Personengesellschaften sind steuerlich benachteiligt - basta. Was ist Ihr Kommentar? Ihre Oma fährt im Hühnerstall Motorrad? Meine auch.
Wer sagt es meinem Kinde?
Wer sagt es meinem Kinde?
Ob das nun klug ist oder nicht - zur Gegenfinanzierung wird es kaum reichen. Aus der Union kamen auch schon die ersten Proteste gegen eine weitere Einschränkung der Berücksichtigung von Unternehmensverlusten für die Steuer.
Cleverer Schachzug des Bundeskanzlers: Die Opposition soll nun sagen, wie die Steuersenkungen gegenfinanziert werden, worauf die erwiderte, das solle doch gefälligst der Kanzler sagen. Beim Verkünden von Grausamkeiten werden alle ziemlich kleinlaut, und so ist zu befürchten, dass das Gehacke bald wieder losgeht.
Der Anschluss ans Mittelfeld
Wenn der Erfolgsdruck anhält, könnte es aber doch noch klappen, so dass die Frage gestellt wird, ob das nun zu vielen neuen Arbeitsplätzen führt. Mit 35 Prozent Gewinnbesteuerung bei GmbHs und AGs haben wir im EU-Wettbewerb den Anschluss ans Ende des Mittelfeldes gerade mal so geschafft. Der Schnitt liegt bei etwa 29 Prozent mit weiter sinkender Tendenz, aber zunächst stünden wir dann auch nicht schlechter als etwa Frankreich oder Belgien da.
Mit der Unternehmensteuerreform 2001, die zu unseren aktuellen 40 Prozent führte, gelang das schon einmal. Allerdings haben dann die meisten anderen ihre Steuern munter weiter gesenkt, so dass die jetzt beschlossene Anpassung mal wieder überfällig war.
Deutschland in jeder Beziehung ganz hinten
Eine Studie des Düsseldorfer Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung, die Anfang März veröffentlicht wurde, kam allerdings zu dem Ergebnis, dass unsere Senkung der Unternehmensteuern im Jahre 2001 nicht zu mehr Investitionen und Arbeitsplätzen geführt habe. Entscheidend für Unternehmen sei die Nähe zu Absatzmärkten, die Infrastruktur und der Zugang zu qualifiziertem Personal; Gewinnsteuern spielten da keine Rolle.
Am gleichen Tag wurden die letzten Wirtschaftsprognosen für den EU-Raum veröffentlicht. Irland in puncto Wirtschaftswachstum mal wieder unangefochten auf Platz eins und zugleich mit der niedrigsten Arbeitslosigkeit - faktisch gar keine. Deutschland - wie üblich - in jeder Beziehung ganz hinten. Tja, Ire müsste man sein. Ein gewaltiger Markt von vier Millionen Konsumenten, eine unvergleichlich günstige Lage zum strategischen Wachstumsmarkt im britischen Nordirland. Und dann eine direkte Grenze zu den USA! Fragen Sie doch mal die Atlantikschwimmer in ihrer Nachbarschaft. Und diese Infrastruktur; suuuper: Landstraßen, von denen man andernorts nur träumen kann! Was die Iren dazu gebracht hat, sich bei dieser Ausgangslage seit x Jahren die bei Weitem niedrigsten Unternehmensteuern der EU zu gönnen, wird wohl ewig ein Rätsel bleiben.
Demnächst in diesem Theater
Und wie geht es bei uns weiter? Der Sachverständigenrat (die fünf Weisen) soll ein Gutachten für umfassende Steuerreformmaßnahmen "im dualen System" vorlegen. Weiß die Regierung eigentlich, worauf sie sich da einlässt? Dreh- und Angelpunkt dieser Geschichte ist, dass Kapitaleinkünfte deutlich niedriger besteuert werden sollen: also niedrige Steuern nicht nur auf im Unternehmen wieder investierte Gewinne, sondern auch auf an Beteiligte ausgezahlte Gewinne, überdies bei Zinsen und Mieteinnahmen. Alles, was per Maloche welcher Art auch immer erwirtschaftet wird, soll hingegen höher belastet werden.
Dies mag eine gute Idee sein; an Ideen für durchgreifende Steuerreformen herrscht ja derzeit kein akuter Mangel - aber wie kommt irgendjemand auf den Gedanken, dass sich für so ein Konzept ein hinreichender politischer Konsens herstellen lässt? Und das ausgerechnet bei Rot-Grün? Keine Bange - im nächsten Bundestagswahlkampf ist das sowieso wieder alles vom Tisch, und neue spannende Reformideen sorgen für ausverkaufte Arenen - im Vorprogramm Motorradrennen für Seniorinnen.
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