D&O-Versicherung Schutzweste für Manager

Kugelsicher, tragbar und stets verlässlich - so sollen D&O-Versicherungen für das Führungspersonal sein. Während in den Weltkonzernen längst versierte Sicherheitsnetze für die Topmanager gespannt sind, verzichten viele Macher im Mittelstand auf den Schutz. Die Gefahr, in die sie sich damit begeben, wächst täglich.
Von Christian Buchholz

Im Leben, im Leben geht mancher Schuss daneben!
Wir denken, doch lenken die andern dein Geschick!
Im Leben, im Leben da ist nicht alles eben
und darum braucht im Leben
der Mensch ein bisschen Glück!

Aus dem Katja-Ebstein-Schlager "Es war einmal ein Jäger"


Hamburg/München - Glück allein reicht nicht: Die Welt eines Managers ist voller Tretminen, die bei unbedachten Schritten das Privatvermögen des Betroffenen zerplatzen lassen können - Schadenersatz und persönliche Haftung sind die Stichworte.

Die Münchener Tochter der britischen Hiscox Insurance Company  betreut nach eigenen Angaben knapp 10 Prozent der derzeit (geschätzt) 10.000 Verantwortlichen in Führungspositionen bei klein- und mittelständischen Unternehmen (KMU) in Deutschland. Angesichts einer sich verschärfenden Situation in Sachen Haftungsproblematik kaufen immer mehr Unternehmen Schutzpakete für die Topetage, die so genannten D&O-Versicherungen (Directors' and Officers' Liabilitiy Insurance).

Doch in welchen Fällen greifen die D&O-Versicherungen? Deutschlands größter Versicherer, die Allianz  definiert, man biete Managern "ein Sicherheitsnetz, das sie persönlich vor möglichen negativen Folgen ihrer Entscheidungen schützt". Die drei relevanten Risikobereiche, die abgedeckt werden sollten, sind:

  • Der Baustein Vermögensschaden-Haftpflicht. Hier sind zivilrechtliche Ansprüche des Unternehmens gegen seine Organe (Innenhaftung) versichert. Die Deckung der Innnenhaftung ist nach den Praxiserfahrungen von Hiscox der wichtigste Bestandteil einer D&O-Versicherung. Auch die Außenhaftung, also die Ansprüche Dritter - wie dem Fiskus oder Lieferanten - gegen Organe des Unternehmens, ist versichert. Versicherungsschutz besteht für den geltend gemachten Anspruch und daraus resultierende Abwehrmaßnahmen, also Gerichts- und Anwaltskosten.


  • Eingeschlossen werden sollte außerdem eine Strafrechtsschutzversicherung für die Führungskräfte eines Konzerns, die bei strafrechtlichen Prozessen greift.


  • Wenn es zwischen Arbeitgeber und Manager zu arbeitsrechtlichen Auseinandersetzungen kommt, springt der Anstellungsvertragsrechtsschutz an. Er schützt lediglich den Manager, nicht das Unternehmen. Daher kommt die Versicherung auch nur für die Kosten auf, die sonst dem Manager zur Last fallen würden. Das gilt auch bei außergerichtlichen Verfahren, dann allerdings mit Selbstbeteiligung. Im Gegensatz zur D&O ist beim Anstellungs-Rechtsschutz der Versicherungsnehmer immer die versicherte Person selbst. Hier schließt also ein Manager seine Police für sich selbst ab.

Wie schnell ein Millionenschaden entsteht

Wie schnell ein Millionenschaden entsteht

Grundsätzlich werden über eine D&O-Versicherung nicht das operative Tagesgeschäft, sondern nur die Aufgaben versichert, die im direkten Zusammenhang mit der Leitung eines Konzerns stehen.

Dabei wird übrigens nicht nach Fachbereichen unterschiedlich berechnet: Da die D&O-Versicherung durch das Unternehmen abgeschlossen wird, sind die Führungskräfte quasi unter einem Hut versichert - und damit für alle Fälle mit gesamtschuldnerischer Haftung vorbereitet. In der Praxis hat sich jedoch gezeigt, dass die Bereiche Strategie, Betriebsorganisation und Finanzen "ein überdurchschnittlich hohes Gefahrenpotenzial darstellen" (Hiscox).

Wie schnell es einem Topmanager passieren kann, dass er für hohe Haftungssummen aufkommen muss, zeigt ein anonymisierter Beispielfall von Hiscox: Der Geschäftsführer einer Hospital GmbH soll eine Krankenhauserweiterung planen und umsetzen. Unter anderem ordert er maßgeschneiderte Regalsysteme für den Neubau.

Die werden fachgerecht und stabil montiert. Leider stellt sich aber bei der Bauabnahme heraus, dass sie nicht den Brandschutzvorschriften entsprechen. Der folgende Aus-, Um- und Neueinbau kostet 600.000 Euro - armer Geschäftsführer. Denn: "Er wäre im Rahmen der Auftragsvergabe verpflichtet gewesen, die Einhaltung der Brandschutzvorschriften sicherzustellen", kommentiert Hiscox. D&O-versichert gestaltet sich der Fall für den Gebrandmarkten finanziell aber neutral.

Abfindungen mit Rechenfehler

Zweites Beispiel: Die Immo AG hat zahlreiche Tochtergesellschaften. Eine davon zählt 100 Mitarbeiter und soll liquidiert werden. Der Geschäftsführer der GmbH verhandelt mit den Mitarbeitern über deren Abfindungen. Dabei erhalten diejenigen Mitarbeiter, die weiterhin im Konzern beschäftigt werden, eine Abfindung von 50.000 Euro wegen der mit dem Wechsel des Arbeitgebers verbundenen Umständlichkeiten.

Die Mitarbeiter, die das Unternehmen verlassen, erhalten eine Abfindung von durchschnittlich 150.000 Euro. Nach der Abwicklung der Gesellschaft stellt sich heraus, dass die Abfindungsverträge der Mitarbeiter, die weiterhin im Konzern beschäftigt sind, aufgrund eines Formfehlers unwirksam sind.

Das Arbeitsgericht entscheidet, dass auch diesen Mitarbeitern ein Abfindungsbetrag in voller Höhe von 150.000 Euro zusteht. Dies ergibt eine Mehrbelastung von fünf Millionen Euro, die bei Vermeidung des Formfehlers nicht entstanden wäre. Für diesen Fehler ist der Geschäftsführer gemäß Paragraf 43 GmbH-Gesetz verantwortlich, da er im Rahmen seiner kaufmännischen Pflichten zur Einholung von Rechtsrat verpflichtet gewesen wäre. Der Fall ist im Rahmen einer D&O-Police versichert.

Was kostet die Managerversicherung?

Was kostet die Managerversicherung?

Unternehmensgröße, die Höhe der Versicherungssumme und die wirtschaftliche Situation sind die entscheidenden Parameter zur Berechnung. Für ein Unternehmen mit einer Bilanzsumme von 25 Millionen Euro und einem Versicherungsschutz, der bis zu 2,5 Millionen Euro geht, beträgt die Nettoprämie etwa 7000 Euro jährlich.

Sollen im Schadensfall fünf Millionen Euro abgedeckt sein, erhöht sich der Jahresbeitrag auf etwa 11.000 Euro. Rund 1000 Euro teurer wird derselbe Versicherungsschutz für ein Unternehmen mit 50 Millionen Euro Bilanzsumme, so Musterrechnungen von Hiscox.

Neben der Versicherungssumme prüfen die Versicherer vor Vertragsabschluss die Geschäftsberichte des Unternehmens, kalkulieren Branchenrisiken ein, verteilen Zu- oder Abschläge für die Eigentümerstruktur und die Dauer der Existenz des Unternehmens, schließlich wird die Qualifikation der Führungskräfte ("Organmitglieder") gecheckt.

Der Mantel des Schweigens bekommt Löcher

"Start-up-Unternehmen zahlen allerdings grundsätzlich 20 Prozent mehr", ergänzt Joachim Leuther, Vorstand der Hiscox AG in München. Der 36-Jährige will das D&O-Geschäft weiter ausbauen, und die rauen Bedingungen am Markt spielen ihm die Klientel zu: Nach dem Aktien- und GmbH-Gesetz in Verbindung mit dem BGB sind Organmitglieder zu Schadenersatzzahlungen für Vermögensschäden verpflichtet, die durch Missachtung ihrer Sorgfaltspflicht entstanden sind - so die Grundlage des Geschäfts.

In der Praxis fand diese Regelung bis zum Ende des 20. Jahrhunderts jedoch keine nennenswerte Anwendung. "Im Falle von Missmanagement erfolgte häufig eine Trennung vom verursachenden Management, man versuchte jedoch ansonsten den möglichen Imageschaden durch den Mantel des Schweigens zu begrenzen", berichtet Leuther. Doch das sei mittlerweile Geschichte.

Im Laufe der 90er Jahre gewann der Shareholder-Value-Ansatz für die Unternehmensbewertung immens an Bedeutung, der Einfluss des Kapitalmarkts auf das Unternehmensschicksal verstärkte sich. Nennenswert ist hier der Börsengang der Deutschen Telekom , die gezielt Kleinanleger mit ihrer "Volksaktie" erreichen wollte. In Zeiten einer Börsen-Hausse ist es ein Leichtes, Anleger zu gewinnen. Das Risiko verliert in dieser Zeit an Relevanz.

Vorsicht, Wut-Klage!

Wut über Kursstürze entlädt sich auch vor Gericht

Die Freude der Anleger kehrt sich in Baisse-Zeiten jedoch ins Gegenteil. Wie bereits im Jahre 1929, nach dem berühmten schwarzen Freitag, verloren auch in den vergangenen Jahren viele Anleger Geld und begannen mit der Suche nach den Schuldigen. Hiscox-Vorstand Leuther: "Man ersann sich der Pflichten von Organmitgliedern und versuchte, sie in die Haftung zu nehmen - es entstand eine neue Anspruchsmentalität."

Der Schutz der Kleinaktionäre und Berichte über Möglichkeiten, entgangene Chancen vor Gericht einzuklagen, wurde nicht nur in den Medien ein neues Schwerpunktthema. Auch die Gerichte sahen sich nach dem Salami-Börsencrash 2000 relativ unvorbereitet mit einer Klageflut konfrontiert. Viele Sieger von einst, so zum Beispiel die Haffa-Brüder, fanden sich nun auf der Anklagebank wieder. Das Prozessproblem wird aber nicht auf die schillernden Namen begrenzt bleiben.

"Bei den klein- und mittelständischen Unternehmen wird die zunehmende Haftungsverschärfung mit einer zeitlichen Verzögerung Einzug halten", sagt Leuther.

Insolvenz löst oft persönlichen Bankrott aus

Während Versicherungsschutz bei großen Unternehmen bereits flächendeckend gegeben ist, bestehe bei KMU jedoch noch weiterer Aufklärungsbedarf. In diesem Zusammenhang sei ein Bewusstseinswandel der persönlich haftenden Organe notwendig, um im Ernstfall nicht das gesamte persönliche Vermögen "aufs Spiel" zu setzen.

So berge der D&O-Markt für KMU wesentlich andere Risiken als der für große Unternehmen. Einer der augenfälligsten Unterschiede: Die Gefahr einer Insolvenz, welche in vielen Fällen eine Inanspruchnahme der Organe nach sich zieht, ist bei KMU deutlich höher als bei großen Unternehmen.

Während Versicherungsschutz bei großen Unternehmen bereits flächendeckend gegeben ist, bestehen bei den klein- und mittelständischen Unternehmen noch große, weiße Flächen. Viele der persönlich haftenden Firmenlenker verdrängen offenbar die Gefahr, durch Fehlentscheidungen ihr persönliches Vermögen aufs Spiel zu setzen.

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