Erbschaft- und Schenkungsteuer
Pippi Langstrumpf und der deutsche Fiskus
Auf Platz elf der Einnahmequellen des Fiskus steht die Erbschaft- und Schenkungsteuer - mit steigender Tendenz. In seinem neuen Buch, aus dem manager-magazin.de ausgewählte Passagen veröffentlicht, gibt der Rechtsexperte Justus Fischer-Zernin Hinweise, was beim Erbe beachtet werden sollte.
Den Piraten der Vermögensteuer sind wir entkommen, und unser Dampfer ist gut in Fahrt, deshalb gleich weiter zu Erbschaftsteuer und Schenkungsteuer, im Jahr 2003 mit einem Steueraufkommen von 3,4 Milliarden Euro und 0,8 Prozent der gesamten Steuereinnahmen von Bund und Ländern auf Platz elf der Einnahmequellen des Fiskus.
Mit steigender Tendenz, da in den nächsten Jahren viele durch das deutsche Wirtschaftswunder erheblich angewachsene Vermögen vererbt werden. Die Erbschaftsteuer wird mit Sätzen zwischen 7 und 50 Prozent auf den Wert des ererbten Vermögens erhoben, wobei es verschiedene Steuerklassen gibt, abhängig vom Grad der Verwandtschaft zum Verstorbenen.
In die Steuerklasse I fallen Ehegatten, Kinder, Enkel und Eltern der Verstorbenen, bei Erbschaften über 25.565.000 Euro können da maximal 30 Prozent Steuern anfallen. In bürgerlichen Größenordnungen von 256.000 Euro Vermögenswert sind es 11 Prozent Steuern, bei mehr als 512.000 Euro 15 Prozent. Auch andere Verwandte werden milder als Fremde besteuert.
Der Höchstsatz von 50 Prozent ist nur dann zu zahlen, wenn man mehr als 25.565.000 Euro erbt und nicht in einer näheren Verwandtschaftsbeziehung zu der Person stand, die einen im Testament so großzügig bedacht hat.
Deshalb werden Erben in spe bisweilen adoptiert, um sie in günstigere Erbschaftsteuerklassen zu hieven. Die Schenkungsteuer entspricht der Erbschaftsteuer; beide sind als eine Steuer im selben Gesetz geregelt.
Häppchen in Zehnjahresrhythmus
Wer etwas geschenkt oder vererbt bekommt, für den sind die Freibeträge wichtig. Bei Kindern sind es 205.000 Euro; bei Ehegatten 563.000 Euro.
Bei jüngeren Kindern oder Kindern in der Ausbildung bis zum 27. Lebensjahr gibt es noch Erhöhungen.
Der Versuchung, größere Vermögen unter Ausnutzung der Freibeträge häppchenweise steuerfrei an Kinder oder Ehegatten zu übertragen, tritt der Gesetzgeber mit folgender Regelung entgegen: Für die Erbschafts- und Schenkungsteuer werden Schenkungen und Erbschaften, die jemand von ein und derselben Person während eines Zeitraums von zehn Jahren erhalten hat, zusammengerechnet.
Vom Seeräuber Efraim Langstrumpf wird berichtet, dass er seiner Tochter Pippi regelmäßig Kisten mit Gold geschenkt hat. Falls hierbei die deutsche Erbschafts- und Schenkungsteuer zu berücksichtigen war, hätte zwecks optimaler Ausnutzung der Freibeträge darauf geachtet werden müssen, dass bei einer Schenkung von Gold im Wert von 205.000 Euro für weitere zehn Jahre nichts mehr nachkommt.
Nach Ablauf der Frist hätte wiederum Gold für 205.000 Euro steuerfrei vom Vater an die Tochter geschenkt werden können. Nach der ersten Schenkung wäre Herrn Langstrumpf auch zu raten gewesen, sich beim Entern von Schiffen persönlich ein wenig zurückzuhalten.
Im Falle seines Todes binnen zehn Jahren nach einer großzügigen Schenkung wäre für den an Pippi Langstrumpf vererbten Goldschatz kein neuer Erbschaftsteuer-Freibetrag mehr zum Zuge gekommen.
Sonderfälle Firma und Freiberufler
Zehn Jahre beim Kapern in der zweiten Reihe zu stehen, das stellt einen Seeräuberhauptmann auf eine harte Probe - und ist vielleicht der Grund gewesen, dass Langstrumpf senior seine Piratenkarriere an den Nagel hängte und seine Laufbahn als einfacher Kapitän, schließlich als König einer Insel fortsetzte; allerdings immer mit dem Hinweis "früher Schrecken der Meere".
Sonderregelungen gibt es bei der Vererbung einer Firma. Könnte der Gesetzgeber sich durchringen, das Piratengeschäft als Gewerbe im steuerlichen Sinne anzuerkennen, würden die Erben - ungeachtet ihres Verwandtschaftsverhältnisses zum Verstorbenen - mit den günstigen Sätzen für Kinder oder Ehegatten besteuert.
Dazu gibt es im Erbfall für das Betriebsvermögen noch besondere Abschläge von zunächst 256.000 Euro und dann pauschal 30 Prozent auf den Wert des Unternehmens, wobei der Betrieb mindestens fünf Jahre fortgeführt werden muss - für Pippi Langstrumpf sicher kein großes Problem.
Aber ist Piraterie nicht eher als freiberufliche Tätigkeit anzusehen?
Das Gesetz zählt dazu verschiedene Berufsgruppen auf, darunter Rechtsanwälte, Steuerberater, Lotsen "und ähnliche Berufe", da scheint der freiberufliche Freibeuter ganz gut zu passen. Das wäre eine wichtige Frage bei der laufenden Besteuerung der Beute - bei gewerblichen Piraten mit Gewerbesteuer, bei freiberuflichen ohne; bei der Erbschaftsteuer spielt es aber keine Rolle.
Freiberufler kriegen hier die gleichen Vergünstigungen wie Gewerbetreibende; Bauern natürlich auch, wobei sich der Wert eines vererbten Landwirtschaftsbetriebs wieder nach lustigen Tierformeln berechnet. Aber Vorsicht, laut Bewertungsgesetz gilt: "Pelztiere gehören nur dann zur landwirtschaftlichen Nutzung, wenn die erforderlichen Futtermittel überwiegend von den vom Inhaber des Betriebs landwirtschaftlich genutzten Flächen gewonnen sind."
Immobilienbewertung per Jahresmiete
Der legendäre Wolf im Schafspelz führt bewertungsrechtlich zu Problemen. Damit die Erbin nicht gezwungen ist, den Schoner mit der Totenkopfflagge gleich zu verkaufen, um die Steuer zu bezahlen, gibt es noch Stundungs- und Ratenzahlungsregelungen.
Der Grund dafür: Die Unternehmen sollen erhalten werden. Das Bundesverfassungsgericht hat dies auch abgesegnet, obwohl es für anderes geschenktes oder ererbtes Vermögen nicht gilt.
Die Erbschaftsteuer soll den Übergang in die nächste Generation nicht zu sehr erschweren, sie soll dem Unternehmen nicht die Existenzgrundlage rauben. Damit will der Gesetzgeber die besondere gesellschaftliche Verantwortung berücksichtigen, die Unternehmen tragen.
Irgendwie geht die Argumentation hier anders als bei der Gewerbesteuer, wo die besondere gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen in einer Sonderbelastung zum Ausdruck kommt. Aus den Begünstigungen bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer ergibt sich eine steuerliche Ungleichbehandlung von vererbtem Betriebsvermögen sowie Vermögen von Freiberuflern oder Landwirten im Vergleich zu anderen Vermögenswerten.
Bei Immobilien stellt sich auch hier - wie schon bei der früheren Vermögensteuer - das Problem der Bewertung. Inzwischen gilt die Regel, dass Immobilien mit dem 12,5-fachen des Wertes der dafür erzielbaren Jahresmiete angesetzt werden.
Vielfach führt auch diese Methode noch zu einer Unterbewertung im Vergleich etwa zu Geld auf dem Konto oder Aktien im Depot. Gegen diese Ungleichbehandlung verschiedener Vermögensarten regt sich Protest.
Mit dem Erblasser ins Jenseits
Erneut wurde das Verfassungsgericht angerufen. Die Kläger meinen, dass Immobilienvermögen und Unternehmensvermögen über das verfassungsgemäß akzeptierte Maß hinaus bevorzugt werden.
Mit dem Urteil ist im Laufe des Jahres 2005 zu rechnen.
Ganz anders hören sich die Berichte aus der Praxis mittelständischer Unternehmen an. Sie kritisieren an der Erbschaftsteuer, dass trotz der Vergünstigungen die Steuerlast für die Erben oft so hoch ist, dass der Betrieb verkauft werden muss, nur um die Steuer zu bezahlen.
Dies trifft vor allem kleinere und mittlere Unternehmen im Familienbesitz. Wenn Aktionäre von Daimler-Chrysler sterben, wird zwar auf die geerbten Aktien auch Erbschaftsteuer fällig.
Die Erben können sie aber in der Regel zahlen, indem sie Aktien über die Börse verkaufen. Das Unternehmen Daimler-Chrysler merkt davon nichts.
Wird aber ein Familienunternehmen mit einem Erbschaftsteuerwert von sechs Millionen Euro vererbt, kommt trotz aller Begünstigungen leicht eine Million Euro Erbschaftsteuer zusammen. Welcher Unternehmer hat so viel Geld flüssig? Alles steckt im Betrieb.
Die Banken wollen ihre Kredite lieber zurückfahren, sie haben noch nicht viel Zutrauen zu den unternehmerischen Fähigkeiten des Juniors gefasst. Der soll noch Miterben auszahlen.
So kommt eins zum andern, und bisweilen folgt das Unternehmen dem Erblasser ins Jenseits.
Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass mit der Erbschaftsteuer - ähnlich wie bei der Vermögensteuer - Werte, die beim Verstorbenen aus bereits versteuertem Geld angespart wurden, im Todesfall oder bei einer Schenkung nochmals mit einer Steuer belastet werden. Das Gegenargument: Nicht der Erblasser oder Schenker, der die Einkommensteuer bezahlt hat, muss die Steuer zahlen.
Übertriebene Behauptung
Sie belastet vielmehr den Erben oder den Beschenkten, der auf die empfangenen Werte bis jetzt noch keine Steuern gezahlt hat.
Was soll man nun von diesem ganzen Pro und Contra halten?
Zunächst einmal: Erbschafts- und Schenkungsteuer sind international üblich, auch wenn hier die ersten Aufweichungstendenzen erkennbar werden. Und: Die deutschen Regelungen sind nicht übermäßig kompliziert.
Knifflige Probleme gibt es allerdings, wenn man versucht, Privatvermögen in Betriebsvermögen umzuwandeln, um Steuervorteile zu erlangen - beziehungsweise wenn das Finanzamt unterstellt, dass man dies versucht.
Wertvolle Vermögensgegenstände, bei denen sich so etwas lohnen kann, sind Immobilien, hier ist die Übertragung auf Unternehmen aber oft mit Nachteilen bei der Einkommensteuer verbunden: Bringt man Immobilien in den Betrieb ein, werden spätere Veräußerungsgewinne immer einkommensteuerpflichtig, während sie bei Immobilien aus Privatvermögen einkommensteuerfrei bleiben können, wenn die Spielregeln beachtet werden.
Sollte sich dies einmal ändern, wird die Zahl gewerblich vermieteter Immobilien sprunghaft ansteigen.
Oft wird behauptet, die deutsche Erbschaftsteuer bei vererbten Unternehmen sei ein wesentlicher Standortnachteil; das scheint aber übertrieben.
Wir befinden uns mit unseren Steuersätzen in etwa auf dem Level von Frankreich oder Österreich. Andere Länder stehen aber zugegebenermaßen erbschaftsfreundlicher da. Luxemburg kennt keine Erbschaftsteuer; Italien, Australien, Neuseeland, Israel und Kanada haben sie in den letzten Jahren ersatzlos abgeschafft.
In den USA gibt es Gesetzvorlagen, die eine schrittweise drastische Reduzierung vorsehen - bis zum vollständigen Wegfall dieser Steuer. In der Schweiz kippt die Erbschaftsteuer zurzeit kantonsweise.
Deutschland im Vergleich
Andere Staaten wie Großbritannien, Österreich und Schweden haben großzügige Befreiungen für Unternehmensvermögen eingeführt. Aufgrund der unterschiedlichen Bewertungsmethoden, Steuerklassen und Freibeträge sind internationale Vergleiche schwierig.
Eine Studie des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (EZW) kommt im Frühjahr 2004 beim Erbschaftsteuervergleich in 15 Ländern zu dem Ergebnis, dass die Belastungen bei der Übertragung kleinerer Vermögen und größerer Privatvermögen in Deutschland eher niedrig sind.
Bei vererbten Unternehmen liegen wir im Mittelfeld; da sieht es in Spanien, Großbritannien, Irland und meist auch in Schweden oder Belgien deutlich besser aus. Vor diesem Hintergrund überlegen deutsche Unternehmer vermehrt, auszuwandern und dabei nach Möglichkeit ihre Firmen mitzunehmen.
Dieser Trend kann stärker werden, wenn die Erbschaft- und Schenkungsteuer - wie von vielen gefordert - deutlich erhöht wird, ohne dass weitere Vergünstigungen für Betriebsvermögen geschaffen werden.
Bessert man aber mit solchen Vergünstigungen nach, verschärft man den Streit um die Rechtfertigung der Privilegierung dieser Vermögensart. Steuerplaner werden dann noch mehr daran setzen, anderweitiges Vermögen in Betriebsvermögen zu verwandeln, um Erbschaftsteuer zu sparen - etwa indem Wertpapiere in eine GmbH eingelegt werden. Wir werden diesen Ideen bei den Reformvorschlägen wieder begegnen.
Erstmal genug zur Erbschaftsteuer; die Flagge ist noch auf Halbmast? Hoch damit, wir setzen unsere Kreuzfahrt fort. Am Horizont taucht ein wahrer Gigant auf. Uns allen vertraut und zugleich eine ganz andere Landschaft. Eine willkommene Abwechslung.