Einzelhandel vs. Ebay Beratungsdiebstahl zweite Welle
Hamburg - Um den Kampfgeist von Frank Bargmann zu wecken, reicht ein einziges Wort: Ebay. "Bei uns kostet eine halbe Stunde Beratung 49 Euro", macht der Geschäftsführer des Hamburger TV- und Videofachgeschäftes Stadler keinen Hehl draus, dass er nicht länger gewillt ist, das Fachwissen seiner Verkäufer den Anhängern des Online-Auktionshauses kostenlos zur Verfügung zu stellen. "Wer anschließend bei uns kauft, bekommt die Beratungsgebühr natürlich auf den Kaufpreis gutgeschrieben", so Bargmann.
Andere Fachgeschäfte bieten mittlerweile eine ausführliche Beratung frühestens nach dem Kauf an. "Nachdem ich bezahlt hatte, wurde die Verkäuferin plötzlich viel freundlicher und hat meiner Frau und mir eine Stunde lang alle Funktionen der neuen Espresso-Maschine vorgeführt", schildert ein Kunde eines Frankfurter Haushaltwarenladens sein Beratungserlebnis. Die um 180 Grad gewendete Verkäuferin entschuldigte sich mit der Begründung, dass immer mehr Menschen in Vortäuschung einer Kaufabsicht in ihr Geschäft kommen, um sich zuvor online erworbene Geräte erklären zu lassen. Am Telefon bekommt ein Kunde von ihr daher nur dann noch Auskunft, wenn er sich mit seinem beim Kauf erhaltenen Passwort identifizieren kann. Offensichtlich ist es schwieriger, eine Gebrauchsanweisung zu lesen als im Internet eine Kaffeemaschine zu ersteigern.
Es gibt kein Recht auf Beratung
"Das Thema Beratungsdiebstahl beschäftigt uns schon ein paar Jahre. Zuerst waren es die Discounter und Abholmärkte, jetzt sind es zusätzlich die Online-Händler", ist sich Ulf Kalkmann vom Landesverband des Hamburger Einzelhandels der Problematik schon seit längerem bewusst. So rigide Abwehrmaßnahmen wie beim oben genannten Frankfurter Beispiel seien ihm in der Hansestadt aber nicht bekannt.
Vielleicht auch deswegen, weil einige den Kampf schon verloren haben. So wird als Auslöser für die Pleite der Hamburger Kaufhauskette Brinkmann häufig von Fachleuten das Phänomen Beratungsdiebstahl genannt. Jahrelang genoss das Traditionshaus in der Hansestadt zwar den Ruf, erstklassige Beratung und guten Service zu bieten, gekauft haben die meisten Hamburger dann aber doch immer häufiger bei der günstigeren Konkurrenz.
Die Probleme des Fachhandels treffen selbst bei den Verbraucherschützern auf Verständnis. "Ich kann diese scharfe Reaktion nachvollziehen", klingt es bei Edda Costelló, als Leiterin der Rechtsabteilung der Hamburger Verbraucherzentrale eigentlich natürliche Gegenspielerin der Kaufmannschaft, fast schon mitleidig. Außerdem gebe es nun mal kein Recht auf Beratung. Man plädiere zwar seit langem für eine getrennte Bepreisung, dieser Versuch sei zum Beispiel bei Reisebüros auf Grund des Marktdrucks aber gescheitert.
Fernsehhändler Bargmann klingt noch nicht so, als ob er auf Mitleid aus ist. "Die großen Abholmärkte sind doch viel stärker betroffen als die Fachhändler. Die haben ebenfalls nur Ware zu bieten, wir können uns durch die Beratung von Ebay & Co. differenzieren", so Bargmann selbstbewusst.
Umsatzsprung trotz Rumänen-Mafia
Umsatzsprung trotz Rumänen-Mafia
Die "Beratungsdiebe" der ersten Welle können dieser Argumentation nicht folgen. "Ich halte das für eine sehr ambitionierte These", sieht Jürgen Homeyer, Sprecher der Düsseldorfer Metro AG, sein Unternehmen mitnichten als Ebay-Verlierer. Die beiden Verkaufslinien "Media Markt" und "Saturn" würden weiterhin zweistellig wachsen. "Das ist im schwierigen Markt der Unterhaltungselektronik eine anhaltende Erfolgsgeschichte."
Auch bei Karstadt von Panik keine Spur. "Sie können ja nicht hinter die Stirn eines Kunden sehen", hält Konzernsprecher Elmar Kratz eine gezielte Strategie gegen Beratungsschnorrer für nicht durchsetzbar. Bei der Größe seiner Häuser könne man nicht prüfen, wer wie oft nur gefragt und dann nicht gekauft habe. "Jeder bekommt die gleiche Beratung", lautet die Devise der Essener. Dass Beratung der Marke Karstadt auch eine Art Schnitzeljagd von einer Abteilung zur nächsten und wieder zurück sein kann, steht dabei wohl auf einem anderen Blatt.
Gleichzeitig wird das eigene Angebot im Netz kräftig ausgebaut. KarstadtQuelle rechnet für 2003 mit einem Umsatzplus beim Online-Geschäft von 20 Prozent auf 1,5 Milliarden Euro. In Kürze soll jeder zehnte Umsatz-Euro im Internet erwirtschaftet werden. Zusätzlich kündigte Quelle-Vertriebsvorstand Gebhard Stammler Ende August an, dass der Versandhändler künftig als so genannter Powerseller bei Ebay agieren möchte.
Loseblattsammlung statt Beratung
Auch bei Ebay selbst wird ein weltweiter Umsatzsprung versprochen. Zielmarke für 2004: 2,9 Milliarden Dollar. Deutschland-Statthalter Philipp Justus setzt weiterhin darauf, dass seine Nutzer ein "gutes Handelserlebnis" haben. Nach wie vor betrachtet er dabei die traditionellen Einzelhändler als seine Konkurrenten.
Einer Studie der Unternehmensberatung Mummert Consulting nach nicht zu unrecht. Dort heißt es, dass 54 Prozent der Online-Verweigerer bemängelten, die Ware vorher nicht prüfen zu können. Auch fehlende Beratung und Probleme bei Reklamationen stehen auf der Negativliste. Jüngste Meldungen wie die über eine Rumänen-Mafia, die bei Ebay mit fingierten Angeboten die User abgezockt hat, bestärken zusätzlich die Front der Skeptiker.
Diese Schreckensgeschichten reichen aber allein nicht aus, um das Überleben des realen Handels zu garantieren. Zumal es dem Kunden in einem Fachgeschäft durchaus passieren kann, dass einem der Preis für ein Ersatzteil nicht genannt werden kann, weil zwischen einer großen Zahl unansehnlicher und abgegriffener Ordner, die dem Kunden im Verkaufsgespräch präsentiert werden, ausgerechnet die aktuell benötigte Loseblattsammlung fehlt. Und wo es keine Beratung gibt, kann sie auch nicht gestohlen werden.