Während viele Unternehmen unter den Folgen der Rezession in Deutschland ächzen, gibt es einige Branchen, die gerade jetzt gut im Geschäft sind. Die Factoring-Firmen gehören dazu. Einer der Gründe dafür ist die Politik der Banken bei der Kreditvergabe an kleine und mittelständische Betriebe.
Hamburg - In der Bürostadt Frankfurt-Niederrad lässt sich das ganze deutsche Elend an einer Hand voll Schilder ablesen. "Exklusive Büroflächen zu vermieten" heißt es an der einen Straßenecke, auf der gegenüberliegenden Straßenseite sind "Hochwertige Büroflächen ohne Makler-Courtage" zu haben und 20 Meter weiter steht: "Kleinod zu vermieten."
Es ist selten geworden in diesen Monaten, dass ausländische Konzerne neue Büros in Niederrad anmieten, weil sie im deutschen Markt expandieren wollen. Die hiesige Wirtschaft stagniert vor sich hin, für internationale Investoren gibt es längst attraktivere Standorte als die Bundesrepublik.
Eine Ausnahme macht die Bank of Ireland. Sie wagt sich nicht trotz, sondern gerade wegen der anhaltenden Wirtschaftsflaute nach Deutschland. Die Banktochter Enterprise Finance Europe (EFE) hat sich in einer Büroetage in Niederrad eingemietet, um sich von hier aus einen Platz im deutschen Factoring-Geschäft zu erobern.
"Je weniger der Mittelstand durch traditionelle Finanzierungsmöglichkeiten unterstützt wird, desto besser stehen die Chancen für uns", sagt Achim Schmidt, Deutschland-Chef von EFE.
Rund 3000 Kunden in Deutschland
Die Factoring-Branche gehört zu den Profiteuren der Krise. Unternehmen wie EFE kaufen Firmen die finanziellen Forderungen ab, die diese gegenüber ihren Kunden haben. Das Unternehmen, das Factoring nutzt, muss sich nicht mehr um Rechnungsstellung und Inkasso kümmern und bekommt sofort Geld aufs Konto. Der Factoring-Anbieter kassiert für diese Dienstleistung eine Gebühr vom Unternehmen.
Factoring stellt zum Beispiel in Großbritannien eine populäre Form des Outsourcings dar, die von ungefähr 70.000 Unternehmen genutzt wird. In Deutschland gibt es lediglich etwa 3000 Factoring-Kunden. Hier zu Lande haftet dem Forderungsverkauf vielfach noch der Geruch der Unseriosität an. Die gängige Ansicht: Wer noch nicht mal warten kann, bis der Kunde seine Rechnung bezahlt, der muss kurz vor der Pleite stehen.
Bis vor wenigen Jahren konnten sich Mittelständler diese Einstellung tatsächlich leisten. Sie finanzierten ihr Geschäft über konventionelle Kredite. Ob der Kunde seine Rechnung einige Wochen früher oder später zahlt, schien nicht so wichtig. Zur Not sprang halt die Hausbank mit einer günstigen Zwischenfinanzierung ein.
Doch mit dem Wirtschaftsabschwung der vergangenen Jahre und in der Erwartung verschärfter Eigenkapitalvorschriften haben die Banken ihre Kreditvergabe an Mittelständler drastisch eingeschränkt und verteuert. Die Unternehmer sehen sich gezwungen, nach alternativen Finanzierungsformen für ihr Geschäft Ausschau zu halten.
Ein wachsender Markt
Ein wachsender Markt
Eine dieser Alternativen stellt das Factoring dar. Kein Wunder, dass der hiesige Markt für Factoring-Dienstleistungen entgegen dem Konjunkturtrend wächst. Für 2003 erwartet der Deutsche Factoring-Verband einen Umsatzzuwachs seiner Branche um fünf Prozent.
Achim Schmidt will mit seinem 13-köpfigen Frankfurter EFE-Team deutlich schneller wachsen als der Gesamtmarkt. Um dieses Ziel zu errreichen, möchte er auch kleinere Mittelständler fürs Factoring begeistern - Kunden ab zwei Millionen Euro Jahresumsatz. Die Obergrenze sieht Schmidt bei 100 Millionen Euro Umsatz.
Zudem will Schmidt Tempo ins bislang eher behäbige Factoring-Geschäft bringen. "Der Kunde soll bei uns sein Geld schneller auf dem Konto haben als bei den Wettbewerbern", sagt der 39-jährige Betriebswirt.
Ein Beispielfall: Kurz vor dem Geschäftsjahresende 2002 habe ein Unternehmen dringend seine Eigenkapitalquote erhöhen müssen, um die Finanzierungskosten niedrig zu halten. Schmidt: "Da haben wir ganze acht Tage gebraucht vom Erstkontakt bis zur Auszahlung." In der Regel dauert es allerdings auch bei EFE vier Wochen, bis das erste Geld fließt.
Schmidt will das Factoring wegführen von seinem Image als letztem Notnagel für moribunde Mittelständler. "Pleitekandidaten nutzen uns als Kunden wenig, mit denen ist keine kontinuierliche Geschäftsbeziehung möglich."
Rechnungen trotz Insolvenz begleichen
Vor kurzem meldete erstmals ein deutscher EFE-Kunde Insolvenz an. Die wichtigste Aufgabe des Frankfurter Teams in einem solchen Fall: Den Schuldnern der Pleitefirma muss rasch und unmissverständlich deutlich gemacht werden, dass die Forderungen an EFE weitergereicht wurden und unabhängig vom Insolvenzverfahren unverzüglich beglichen werden müssen.
Gerne nämlich versuchen Schuldner aus der Pleite ihres Lieferanten Profit zu schlagen, indem sie Überweisungen zurückhalten. Etwa mit dem Verweis auf angebliche Mängel der gelieferten Ware. Besonders hartnäckige Zahlungsverweigerer reicht Schmidt an eine Anwaltskanzlei oder ein Inkassobüro weiter.
Genaue Zahlen zur Geschäftsentwicklung von EFE Deutschland will Schmidt nicht nennen, nur so viel: Die Erwartungen der Dubliner Zentrale habe man bislang um 20 Prozent übererfüllt. Setzt sich dieser Trend fort, dürfte Enterprise Finance Europe der Bürostadt Niederrad noch lang als Mieter erhalten bleiben.