Dieselskandal
Bandenmäßiger Betrug - früherer VW-Boss Winterkorn muss vor Gericht
Im VW-Dieselskandal hat das Landgericht die Anklage gegen Ex-Konzernchef Martin Winterkorn zugelassen. Die Richter schärften die Vorwürfe der Staatsanwälte dabei sogar noch an.
Martin Winterkorn: Bei der Zulassung der Anklage sahen die Richter Hinweise auf "bandenmäßigen Betrug"
Foto: Philipp Guelland/ dapd
Nun also steht es fest: Der frühere Volkswagen-Boss Martin Winterkorn (73) und vier weitere Verantwortliche des Autobauers müssen sich fünf Jahre nach Auffliegen des Dieselskandals vor Gericht verantworten. Das Landgericht Braunschweig erklärte am Mittwoch, die Anklage der Staatsanwälte zuzulassen. Und mehr noch: Die Strafkammer verschärfte die Vorwürfe gegen die Automanager sogar teilweise.
Statt des von der Staatsanwaltschaft erhobenen Vorwurfs des schweren Betrugs hegen die Richter einen hinreichenden Tatverdacht, dass sich Winterkorn und weitere Manager dafür gewerbsmäßig zu einer Bande zusammengeschlossen haben. Im äußersten Fall drohen den Angeklagten Gefängnisstrafen von bis zu zehn Jahren. Und bei dem von der Staatsanwaltschaft erhobenen Vorwurf der Kfz-Steuerhinterziehung vermuten die Richter einen besonders schweren Fall, weil der Schaden sich auf bis zu 820.000 Euro belaufen könne.
Das ist ein deutliches Signal. Zwar steht noch nicht fest, wann genau der Prozess starten wird. Aber klar ist, dass die juristische Aufarbeitung des Dieselskandals vorankommt. Und klar ist auch, dass – anders als anfangs von einigen Beobachtern vermutet – die Richter am Volkswagen-Standort Braunschweig dabei nicht mit besonderer Milde vorgehen. Als erster großer Strafprozess im Volkswagen-Dieselskandal in Deutschland beginnt bereits Ende September in München-Stadelheim das Gerichtsverfahren gegen den früheren Audi-Chef Rupert Stadler (57).
Vorwurf der Untreue fallengelassen
Die Braunschweiger Richter folgten den Staatsanwälten allerdings nicht in allen Punkten. Als von vornherein unbegründet verwarf das Gericht die Annahme, die Angeklagten hätten sich der Untreue gegenüber dem Volkswagen-Konzern schuldig gemacht. Auch für den Tatverdacht der mittelbaren Falschbeurkundung bestehe kein Anlass, weil die Manipulation der Zulassungsbescheinigungen nicht von diesem Gesetzesparagraphen erfasst sei.
Winterkorns Verteidiger, der Anwalt Felix Dörr, begrüßte die "Verschlankung der Vorwürfe" gegen Winterkorn und wies die übrigen Anschuldigungen erneut zurück. Ob den Angeklagten die mutmaßlichen Straftaten nachgewiesen werden können, muss nun in einer voraussichtlich jahrelangen Gerichtsverhandlung geklärt werden. Über mögliche Termine spricht das Gericht nach eigenen Angaben noch mit den Verfahrensbeteiligten.
Volkswagen zahlte bislang 30 Milliarden Euro
Volkswagen hatte im September 2015 auf Druck der US-Umweltbehörde EPA zugegeben, millionenfach Diesel-Abgaswerte durch eine Abschalteinrichtung manipuliert zu haben. Diese sorgt dafür, dass Diesel-Autos die Stickoxidgrenzwerte auf dem Prüfstand einhalten, während sie auf der Straße ein Vielfaches dieser giftigen Abgase ausstoßen.
Die Wiedergutmachung des Skandals kostete Volkswagen bislang rund 30 Milliarden Euro, vor allem Strafen und Schadenersatzzahlungen in den USA. Noch ist ein Ende der zahlreichen Prozesse von Kunden und Anlegern weltweit nicht absehbar. Neben der Konzernzentrale in Wolfsburg spielte auch die Tochter Audi in Ingolstadt eine wichtige Rolle. Winterkorn, Stadler und zahlreiche weitere Manager und Ingenieure mussten gehen. Ein Volkswagen-Sprecher betonte, das Unternehmen habe ein ureigenes Interesse an der juristischen Aufarbeitung der Sache, sei an diesem Prozess aber nicht beteiligt.