Die 50 Mächtigsten Gemeinwohl statt Golfplatz
Als Berthold Leibinger Anfang Mai dieses Jahres von Jürgen Strube als Aufsichtsratschef bei BASF abgelöst wurde, war die Rührung im Gesicht des 72-Jährigen nicht zu übersehen. Strubes sehr persönliche Worte ("Sie sind mein Vorbild") verfehlten ihre Wirkung nicht.
Auch bei der Deutschen Bank sitzt Leibinger seit diesem Frühjahr nicht mehr im Kontrollgremium, in das er als erster Mittelständler überhaupt eingezogen war. Langeweile kommt beim gebürtigen Stuttgarter dennoch nicht auf. "Ich habe noch keinen Zeitvorteil festgestellt", so Leibinger im Gespräch mit manager-magazin.de.
Noch sitzt er ja auch in der Geschäftsführung des Hightech-Konzerns Trumpf (1,16 Milliarden Euro Umsatz, über 5500 Mitarbeiter), in den er nach seinem Maschinenbaustudium 1961 als Leiter der Konstruktionsabteilung eingetreten war und dem er seit 1978 als geschäftsführender Gesellschafter vorsteht. "Der Generationswechsel bei Trumpf ist mein wichtigstes Anliegen", kündigt er zwar seinen nahenden Rückzug an, gibt aber zu, dass es ihm nicht sehr leicht fällt. "Ich bin bei Trumpf eine Symbolfigur, die auch lernen muss, dass sie nicht unersetzlich ist."
Ackermanns Problembewusstsein wecken
Um seine Nachfolge ist ihm aber nicht bange. Sohn und Schwiegersohn führen bereits die Geschäftsbereiche Lasertechnik beziehungsweise Werkzeugmaschinen, seine Tochter kümmert sich um die Kommunikation bei Trumpf und die Berthold-Leibinger-Stiftung.
Obwohl Trumpf längst die Umsatzmilliarde geknackt hat und 64 Prozent des Geschäfts außerhalb Deutschlands stattfinden, bezeichnet Leibinger seinen Konzern immer noch als ein mittelständisches Unternehmen. "Ich definiere das wie der ehemalige Bosch-Chef Marcus Bierich von der familiären Kultur eines Unternehmens her", so Leibinger, der als Aufsichtsrat der Deutschen Bank immer ein Sprachrohr des Mittelstands war. "Ich hoffe, ich konnte bei Herrn Ackermann das Problembewusstsein wecken."
An der generellen Bankenschelte beteiligt Leibinger sich nicht. Er ist alles andere als ein engstirniger Lobbyist, wie sich an seiner Haltung zu Basel II zeigt: "Viele Mittelständler und Familienunternehmen müssen begreifen, dass Basel II kein Gespenst und ein Rating keine Drohung ist."
Einsatz für die Menschenwürde
"Wir müssen in Deutschland vieles ändern"
Seine diplomatische und ausgleichende Art ist auch in Politik und Wissenschaft gefragt. So berät er die baden-württembergische Landesregierung, sitzt im Stuttgarter Universitätsrat, engagiert sich in der Stiftung Eigentum und versucht zusammen mit dem ehemaligen BMW-Chef Joachim Milberg im "Verein Akatech", die Bedeutung der Technik für die Gesellschaft verständlich zu machen.
Eine Gesellschaft, mit der Leibinger mitunter hart ins Gericht geht. "Wir müssen in Deutschland vieles ändern, vor allem die Befindlichkeiten", so seine Hauptkritik. Von der Wirtschaftselite erhofft er sich dabei stärker als bisher eine Vorbildfunktion und scheut auch nicht davor zurück, in der eigenen Zunft einmal anzuecken. "Ich wünsche mir mehr Engagement fürs Gemeinwohl. Einige Manager könnten ruhig weniger Zeit auf dem Golfplatz verbringen."
Sein lateinisches Motto lautet: "Tua res agitur"
Leibinger kann es sich leisten - ist sein Lebensmotto "tua res agitur" (frei übersetzt: "etwas zu seiner eigenen Sache machen") doch viel mehr als eine bildungsbürgerliche Redewendung. Das wird einem vor allem dann klar, wenn Leibinger nicht von Unternehmertum oder Ingenieurskunst schwärmt, sondern von einem Projekt seiner Frau. Mit einem Hospiz versuchen die Leibingers ihren Teil dazu beizutragen, dass "Menschen in Würde sterben können".
Trotz der intensiven Beschäftigung mit solch ernsthaften Themen merkt man Berthold Leibinger aber in jedem Satz seine Lebensfreude und seinen Humor an. Und so betrachtet er auch seine manchmal vielleicht etwas moralische oder belehrende Art gerne selbstkritisch: "Ich kann nichts daran ändern, ich bin halt ein Missionar der Bemühung um die res publica."