Die 50 Mächtigsten Vom Sunnyboy zum Sündenbock
Frankfurt am Main, Junghofstraße 11 - als Rolf-E. Breuer an das Rednerpult tritt ist der Hermann-Josef-Abs-Saal bis auf den letzten Platz gefüllt. Wohl kaum einer der Anwesenden - darunter zahlreiche Spitzenbanker - ahnt an diesem 16. Februar 2000, was in den kommenden zwei Monaten passieren wird und dass Breuer kurz vor dem Wendepunkt in seiner bis dahin so lupenreinen Laufbahn steht.
Erst im Nachhinein wird klar, wie Recht Breuer nach der geplatzten Übernahme der Dresdner Bank mit dem Satz "nichts ist wie vor vier Wochen" hatte. Denn der nach seinem glänzenden Vortrag über Bankenaufsicht, Risiko und Wettbewerb im Abs-Saal gewohnt umjubelte "Mr. Börse" wurde in Folge des "Desasters of Equals" mit Spott und Häme gleich kübelweise überschüttet. Immer wieder wird in den "Chaos-Tagen von Frankfurt" der Ruf nach seinem Rücktritt laut. Dem "lächelnden Eisschrank" wird mindestens genauso viel Schuld am Scheitern zugeschrieben wie seinem Konterpart Bernhard Walter, der im Gegensatz zu Breuer das Handtuch wirft.
Von dieser sehr persönlichen Niederlage erholt Breuer sich bis zu seinem Wechsel in den Aufsichtsrat der Deutschen Bank nicht. Immer wieder wird er als "lame duck" tituliert, der lediglich das verkündet, was sein designierter Nachfolger Josef Ackermann ihm diktiert. In Frankfurt haben Ackermanns Investmentbanker zu diesem Zeitpunkt längst die Macht übernommen. Auf Breuers letzter Hauptversammlung als Vorstandschef im Mai 2002 hält er zwar die Hauptrede, die Regie führt bereits der Schweizer.
Ständiger Strategiewechsel als Konstante
Wer nun aber glaubt, der 65-Jährige würde es ruhig ausklingen lassen, sieht sich getäuscht. Mangels Alternative wird seine Amtszeit als Präsident des Bundesverbandes deutscher Banken (BdB) im November verlängert. Was für eine Pflege seiner Eitelkeit, dass die Kollegen Dieter Rampl (HypoVereinsbank), Klaus-Peter Müller (Commerzbank) und Bernd Fahrholz (Dresdner Bank) offensichtlich als untauglich oder ungeeignet eingestuft werden.
Gleichzeitig steigt sein Stern in den Zwillingstürmen der Deutschen-Bank-Zentrale wieder, da der eigentliche Primus Ackermann im Zuge der Mannesmann-Affäre den Kopf einziehen muss. Breuers Comeback als Interims-CEO wird ernsthaft als Notfallplan diskutiert. Hinzu kommt, dass im ständigen Strategiewechsel der Deutschen Bank momentan wieder das durch Breuer symbolisierte "alte" Geschäft mit den Privatkunden Oberwasser gewinnt.
Kein Comeback als einer von den Guten
Doch fast wie beim FC Bayern München stellt sich einer endgültigen Reputation als einer von den Guten ein gewisser Leo Kirch in den Weg. Breuers Weigerung, die Zinssenkung der Europäischen Zentralbank an die Kunden weitergeben zu wollen, wird im Dezember noch als lediglich zu lautes Lobbyisten-Gepolter kritisiert. Nun wird er aber in erster Instanz verurteilt, Schadenersatz an Kirch zu zahlen, da er seiner Neigung zum Plaudern zu stark nachgegeben und über die Kreditwürdigkeit des ehemaligen Medienmoguls laut nachgedacht hat, eine Todsünde im zumindest offiziell verschwiegenen Geldgewerbe.
Dass die mediale Breitseite gegen Breuer durch die schlechte Stimmung am Finanzplatz Frankfurt und die pulverisierten Depots der Kleinanleger unverhältnismäßig stark ausgefallen ist und er gewissermaßen auch als Sündenbock fungiert, steht außer Zweifel.
Die Deutsche Bank in die erste Reihe geführt
Die Verdienste Breuers um die Internationalisierung der Deutschen Bank, die er zusammen mit Hilmar Kopper vorangetrieben hat, werden dabei allzu oft vergessen. Denn trotz des Fehlschlags National Discount Brokers und der unsäglich hohen Abfindung an Bankers-Trust-Chef Frank Newman ist der deutsche Branchenprimus die einzige Bank hier zu lande, die auf dem internationalen Parkett in der ersten Reihe spielt. Zuletzt verdrängte die Deutsche Bank beim deutschen M&A-Geschäft sogar Goldman Sachs von Platz eins.
Andererseits hatte Breuer schon in seiner Rede vor drei Jahren gesagt, dass die Marktkräfte alles regeln sollten und dass er die Formulierung "too big to fail" nicht akzeptiere.