
Klimaschutz Schluss mit blumigen Absichtserklärungen


Verhallte Weckrufe: Schon beim Davoser Weltwirtschaftsforum 2020 protestierten Klimaaktivistinnen um Greta Thunberg (Mitte, weiße Mütze) und Luisa Neubauer (Mitte, schwarze Mütze) für eine radikale Kehrtwende
Foto: Markus Schreiber / APDieser Artikel gehört zum Angebot von manager-magazin+. Sie können ihn auch ohne Abonnement lesen, weil er Ihnen geschenkt wurde.
"Jetzt oder nie", so lautete eine der Handlungsempfehlungen des Weltklimarates IPCC in seinem Bericht, der vor wenigen Wochen erschien. Doch wer die aktuellen Diskussionen verfolgt, weiß, dass derzeit nicht mal die beschlossenen Klimaziele eingehalten werden, obwohl mehr nötig wäre, um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen. Das liegt an der Politik, an uns Bürger(*)innen, aber genauso an den Unternehmen. Und da könnte, davon bin ich überzeugt, sehr viel mehr passieren als in diesen Tagen.
Die Klimaauswirkungen machen inzwischen selbst bei uns deutlich, dass unsere Lebensgrundlage und somit auch die Geschäftsgrundlage vieler Unternehmen in Gefahr ist. Und spätestens als Vermögensverwalter, allen voran Larry Fink (69) von Blackrock, begannen, das Klimarisiko als Anlagerisiko zu sehen, hielt das Thema unter dem Begriff ESG (Environment, Social and Governance) auch Einzug in die Vorstands- und Aufsichtsratsetagen (über das S und das G schreibe ich ein anderes Mal).
Natürlich gibt es Unternehmen, die schon lange und konsequent an einer nachhaltigen Unternehmensstrategie arbeiten. Sie haben Schritte definiert, wie sie Emissionen vermeiden und reduzieren können. Sie überarbeiten das Design ihrer Produkte, sodass mehr nachhaltige recycelbare Ressourcen zum Einsatz kommen, und stellen ihre Verpackung auf wiederverwendbare Materialien um. Doch die große Mehrheit hat keine klaren Vorstellungen davon, wie sie ESG in ihrer Geschäftsstrategie verankern und umsetzen soll. Blumige Absichtserklärungen wie "30 Prozent weniger Emissionen bis zum Jahre 2030" zu formulieren oder von den eigenen Emissionen durch Kompensationszahlungen abzulenken, das reicht weder für ein gutes Image, noch bringt es viel fürs globale Klima.
Einen ersten Beitrag in Richtung Transparenz und Messbarkeit leisten die sogenannten wissenschaftsbasierten Ziele. Sie sind derzeit der einzige unabhängige verfügbare Maßstab, mit dem Zielsetzungen vergleichbar werden und somit die Transformationsbemühungen von Unternehmen bewertet werden können. Es ist nicht einfach, die Datenbasis herzustellen, um diese Science Based Targets für das eigene operative Geschäft festzulegen, und es funktioniert auch nicht über Nacht, den Einkauf von Strom komplett auf grünen Strom umzustellen. Wer sich außerdem der Herausforderung gestellt hat, in der gesamten Wertschöpfungskette Reduktionsmaßnahmen zu identifizieren, weiß, wie komplex dieses Unterfangen ist. Doch es ist ein notwendiger Kraftakt.
Auch die Auswirkungen des Geschäftsmodells auf die Biodiversität sollten Unternehmen im Auge haben. Je schneller wir mit unserer Lebensweise die Pflanzen- und Tierarten zurückdrängen, desto geringer unsere Lebensqualität. Es ist unser Ökosystem, das uns vor Umweltkatastrophen schützt und Wasser und Luft reinigt. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) glaubt, dass gut 20 Prozent der Todesfälle auf der Welt mit Umweltproblemen in Verbindung zu bringen sind. Das geht auch uns direkt an. So habe ich es mehr als einmal erlebt, dass Mitarbeiter(*)innen, die ins Ausland entsendet werden sollten, Entsendungen in verschiedene Länder ablehnten, weil dies das Asthma eines Familienmitglieds verschlimmert hätte.
Was wir brauchen, sind unternehmerische Klimaerfolgsgeschichten, aber auch die Erzählungen darüber, wo es noch hakt, um voneinander zu lernen. Es geht um Transparenz und Ehrlichkeit. Gelingen kann die Wende aus meiner Sicht nur, wenn wir uns eingestehen, dass technologischer Fortschritt eine immens wichtige Rolle darin spielt, aber allein nicht ausreichen wird. Unsere Gesellschaft wird auch reduzieren und verzichten müssen, doch es wird der beste Weg sein, um langfristig Wohlstand zu bewahren.
Ich bin mittleren Alters, ich habe ein gutes Leben. Aber ich fände es schön zu wissen, dass die Chance auf ein ebensolches Leben auch den nächsten Generationen gegeben wird. Die Verantwortung liegt bei uns. Jetzt und immer.