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Stephan Kalhamer: Fünf Verhandlungstipps vom Poker-Profi

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Der Kompass des Poker-Profis Stephan Kalhamer So entscheiden Sie im Ungewissen

Von Stephan Kalhamer
Stephan Kalhamer

Der studierte Mathematiker arbeitet als Poker-Coach, Redner und Autor. Sein Gaming Institute ist die größte Live-Poker-Schule im deutschsprachigen Raum; seit 2009 ist der ehemalige aktive Pokersportler Präsident des Deutschen Poker Sportbunds. Für Kalhamer bildet Poker reale wirtschaftliche Entscheidungsmechanismen ab: "Zahler zocken. Könner kalkulieren" ist sein Motto.

www.kalhamer.de 

Was ist Glück?
Was Geschick?
Was Schicksal - und was davon liegt in meiner Hand?
Oft weiß ich das auf Anhieb auch nicht. Doch eines steht fest: Worum auch immer es gerade geht, ich konzentriere mich allein auf meine Entscheidung. Welche Möglichkeiten habe ich? Welche Alternativen? Was will ich? Was darf ich erhoffen? Was muss ich befürchten? Was ist es mir wert?

In einer Welt unsicherer und unvollständiger Informationen ist ein tolles Ergebnis nicht zwangsläufig das Resultat einer guten Entscheidung. Gutes Entscheiden ist allein der Nährboden für tolle Ergebnisse. Nicht mehr. Da es aber auch nicht weniger ist, ist gutes Entscheiden die beste Wahl. So lebe ich. Immer und immer wieder.

Wer kennt das nicht: Mal passieren die tollsten Dinge und mal ist man zu Tode betrübt. Wichtig ist, dass man immer in den Spiegel schauen kann: Wäre die Karte noch nicht gefallen, was würde ich dann tun? Würde ich wieder so entscheiden? Das allein muss ich bejahen dürfen, um mit mir und meiner Leistung zufrieden zu sein. Erfolg ist stets ein Geschenk. Misserfolg hingegen kann auch selbstverschuldet sein. Das zu verhindern und ein Scheitern somit auf das natürliche Risiko zu reduzieren - das ist wahre Qualität.

Poker-Profi im Interview: "Karten sind Schicksal, über Gewinn entscheidet Können"

Also achte ich auf meine Möglichkeiten, meine Ziele und was ich unternehme, um sie zu erreichen. Mein Denken, meine Kommunikation und mein Handeln sind nach vorne gerichtet. Ich bin dankbar dafür, dass ich viel Einfluss nehmen kann und hohe Ziele stecken darf.

Zu Beginn lag das nicht in meiner Hand. Es wurde mir in die Wiege gelegt, geschenkt. Selbst wenn ich mehrheitlich schlecht entschiede, würde mir mein Grundstock lange über die Runden helfen. Doch auch ein derart mächtiges "Geschenk" ist nicht gänzlich umsonst und nicht von unendlicher Dauer: Aus einem guten Start entsteht Verantwortung, denn einen errungenen Vorsprung kann man ebenso verpulvern, wie man einen schlechten Start kompensieren kann - beides geschieht. Wer willens und in der Lage ist, das Richtige zu tun, dessen Start ist gut genug.

Der Chance-Risiko-Kompass

Der Chance-Risiko-Kompass

Mein Chance-Risiko-Kompass funktioniert auf jedem klassischen Chart. Dort verläuft die Zeit stets von links nach rechts. Kurse steigen (+) oder fallen (-). Im Norden stehen also meine Chancen, Werte und Ziele. Der Süden bildet meine Risiken ab. Im Westen (!) liegt die Vergangenheit. Alles ist faktisch und fix. Man darf daraus Lehren ziehen, aber man kann Geschehenes nicht mehr Ungeschehen machen. So liegt mein Fokus eher im Osten (?), in der Welt der Ideen und Möglichkeiten. Hier kann ich etwas bewirken. Die Zukunft ist noch nicht geschrieben. Ich will, dass es auch an mir liegt, was passieren wird.

Welchen konkreten Wert die Vertikale abbildet, auf welcher Höhe, welchem Wohlstandsniveau wir uns aktuell befinden, tut für die jeweilige Entscheidung nichts zur Sache. Auch die Tragweite einer Entscheidung, sprich der zählbare Unterschied zwischen einem guten oder aber einem schlechten Ergebnis, ändert nichts daran, dass jede Entscheidung so getroffen werden sollte, dass ihr Erwartungswert so stark als möglich gen Norden zieht.

Ganz ähnlich verhält es sich bezüglich der Horizontalen. Ob eine Entscheidung nur Sekunden oder aber Jahre beeinflusst, ist weniger wichtig, als dass sie in sich schlichtweg so positiv wie nur möglich getroffen werden sollte.

Hat man diesen Kompass einmal derart verinnerlicht, dass ihn nicht nur der Kopf, sondern auch der Bauch wirklich versteht, dann gibt es keinen Unmut mehr, nur weil konkrete Entscheidungen unglücklich realisieren. Man hat das Richtige getan. Mehr geht nun mal nicht. Ebenso ist kein Platz für überzogenen Stolz, wenn es gut läuft, denn jeder Erfolg braucht für seine tatsächliche Umsetzung auch immer etwas Glück. Demut im Sieg hilft, um in der Niederlage mutig zu bleiben. Nur so bleibt man am Ruder - auch wenn es stürmt. Und nur so steht man auch dann noch am Steuer, wenn die Sonne wieder scheint.

Mehr ist da nicht. Mehr braucht es auch nicht. Es ist schwer genug. Viele machen es sich zu einfach. Sie glauben an Ergebnisse, statt an deren Ursprünge und Wurzeln. Das ist ein grundlegender Fehler. Ich möchte einen kleinen Teil dazu beitragen, diesen zu mindern. Entscheiden wir stets so bewusst als möglich - und stehen wir zu unseren Entscheidungen. Lassen wir uns nicht blenden von den Schulterklopfern im Erfolg. Lassen wir uns auch nicht runterziehen von der Häme im Misserfolg.

Wollen wir es laut aussprechen: Ja, ich liebe meine Meinung. Genau deshalb habe ich sie ja auch - gerade in diesem Moment. Mit allen Risiken und Nebenwirkungen, die das Leben nun einmal in sich trägt.

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