Mein Leben im Silicon Valley Warum die Tech-Milliardäre so verrückt nach künstlicher Realität sind

Virtual Reality ist mehr als eine Brille, es ist die nächste große Wette im Valley - wirtschaftlich wie gesellschaftlich.
Von Astrid Maier
Oculus-Brille bei einer Präsentation in San Francisco

Oculus-Brille bei einer Präsentation in San Francisco

Foto: GABRIELLE LURIE/ AFP

David Anderman ist in der Filmbranche als Dealmaker bekannt: Der freundlich dreinblickende Mann mit Vollbart hat im Jahr 2012 Lucasfilm für vier Milliarden US-Dollar an Disney verkauft. Inzwischen hat Anderman einen neuen Arbeitgeber, in Palo Alto. Er ist jetzt Chief Business Officer bei Jaunt, einem Start-up für Virtual Reality (VR).

Von Hollywood nach Nerd-City - Anderman hat Glamour gegen Zukunft getauscht, eine allerdings sehr nahe Zukunft. "Wenn wir Glück haben, können wir dieses Jahr schon 20 bis 30 Millionen Menschen erreichen", verkündete er unlängst gegenüber Studenten in Stanford.

Anderman ist nicht der Einzige, der an die neue künstliche Welt glaubt. Facebook-Chef Mark Zuckerberg will sein gesamtes Netzwerk zu einer VR-Plattform upgraden. Seit Kurzem bietet Oculus VR, Zuckerbergs Zwei-Milliarden-Dollar-Zukauf, mit Oculus Rift die erste VR-Brille für den Massenmarkt an. Weitere Firmen wie HTC, Sony  und Samsung  wollen dieses Jahr folgen.

Noch scheint die Technologie nicht ausgereift, die ersten User-Tests fielen gemischt aus. Ich habe mich von Anderman trotzdem anstecken lassen: VR oder artverwandte Technologien wie Augmented Reality könnten sich sehr schnell durchsetzen. Jeremy Bailenson, Professor in Stanford, hantierte vor zwei Jahren noch mit 40.000 Dollar teuren, klobigen Geräten in seinem Virtual Human Interaction Lab herum. Nun nutzt er die 600-Dollar-Headsets von Oculus und erzeugt damit eine faszinierende Welt, wie ich bei einem Rundgang durch sein Labor unmittelbar spürte.

Das Gefühl lässt sich inzwischen auch in beeindruckende Zahlen fassen. Die Investmentbank Goldman Sachs  glaubt, dass Anwendungen rund um VR bis 2025 einen 80 Milliarden US-Dollar schweren Markt generieren werden.

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Es geht längst um mehr als Unterhaltung: Lediglich bei 19 Prozent aller VR-Deals, die von Wagnisgeldgebern 2015 abgeschlossen wurden, handelte es sich um Entertainment wie Filme oder Gaming. Der Großteil der Transaktionen bezog sich auf kommerzielle und industrielle Anwendungen.

Ganze Industrien stehen davor, umgepolt zu werden. In Zukunft werden wir für Wohnungsbesichtigungen, Fahrten auf dem Nil, eine Mathestunde oder eine Konsultation beim Arzt nicht mehr das Haus verlassen müssen. Aus Deutschland hören wir indes nur selten von Virtual Reality, etwa wenn Apple den Spezialisten Metaio aus München aufkauft. Oder wussten Sie, dass es nicht nur Oculus Rift gibt, sondern auch die VR One vom urdeutschen Hersteller Zeiss?

Nachdem ich mich via Headset neben einen Ebola-Patienten auf ein Krankenhausbett in Liberia beamte, bekam ich - anders als bei Fernsehberichten zu dem Thema - sehr plötzlich sehr reale Angst vor dem Erreger, und ich empfand echtes Mitgefühl mit dem Kranken. Daher setzt die Uno derlei Filme bereits ein, um Geld für Krisen wie die Ebola-Epidemie oder den Syrien-Konflikt zu sammeln. Gegenüber normalen Spendenaufrufen verdoppelt sich so die Zahl der Spender. "VR ist eine Empathiemaschine", sagt Anderman.

Aber wo sind die Grenzen der Ethik? Wer definiert, was wir in Zukunft wie sehen - und empfinden werden? Und wie tief können wir in virtuelle Welten abgleiten, ohne die reale ganz vergessen zu wollen? Die Pornoindustrie experimentiert schon damit, dass virtuelle Partner dem Nutzer beim Sex in die Augen schauen.

All diese Fragen können wir nur dann beantworten, wenn wir technologisch vorn mit dabei sind. Google  wälzt derzeit weltweit die Industrien um. Facebook  setzt fest, wie wir unsere persönlichsten Daten mit anderen - und Facebook - teilen. VR könnte noch viel gewaltigere Konsequenzen nach sich ziehen.

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Denn hier wartet eine Bewusstseinsveränderungsmaschine darauf, erweckt zu werden. Es steht viel auf dem Spiel. Gerade macht im Valley ein neues Start-up von sich reden: die Deltas, ein Soccer-Team aus San Francisco. Die Investoren kommen allesamt aus der Tech-Branche, die Spieler werden mit VR-Simulationen trainiert. Ziel ist das perfekte Teamspiel.

Fußball - das war eigentlich immer unser Film.

Astrid Maier, Tech-Editor des manager magazins, besucht bis zum Sommer als Stipendiatin die Stanford University. Ihre letzte Kolumne "Not macht erfinderisch, mehr denn je" aus dem Silicon Valley finden Sie im Juli-Heft.

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