

Diesen unscheinbaren Zettel, 10,5 mal sieben Zentimeter groß, habe ich im Nachlass meines Vaters gefunden, der in den 70er Jahren Führungskraft bei Philips war. Als wir ihn auf der Facebook-Seite und über den Twitteraccount des manager magazins teilten, waren die Reaktionen so einhellig begeistert wie sonst selten: "Werde das mal bei meiner nächsten Schulung auslegen. Quasi als Refresher", "mehr denn je aktuell", "genial, logisch, diszipliniert die besten Sachen überleben eben Jahrzehnte" schrieben Leser unter anderem. Auch das Unternehmen Philips selbst meldete sich mit einem Smiley: "Also wir von Philips stimmen da immer noch zu!"
Alle fanden den Zettel toll, vielen sprach er aus der Seele. Dabei kann man ja durchaus darüber ins Grübeln kommen, ob es wohl wirklich gut ankäme oder nicht doch ziemlich passiv-aggressiv wirkte, wenn man ihn, wie vorgeschlagen, zu Beginn eines Meetings austeilt. Den Begriff "Meeting" verwendet der Zettel übrigens nicht: Damals waren es noch "Diskussionen, Konferenzen, Gespräche". Und Punkt 4 ("nur sachdienliche Beiträge bringen und dulden") lässt eine doch recht hierarchische Gesprächskultur vermuten, das legt der Begriff "dulden" nahe.
Die große positive Resonanz, die der kleine vergilbte Zettel mit den sechs knappen Regeln erzielte, zeigt aber: Meetings sind für viele, wenn nicht die meisten, noch immer eine Qual. Die wesentlichen Ärgernisse haben sich auch 40 Jahre später nicht geändert. Höchstens, dass noch weitere Störungsquellen hinzugekommen sind; vielleicht würde der unbekannte Autor des Zettels heute noch eine knappe Regel zum Thema Smartphones hinzufügen. Sonst aber ist mit den sechs Regeln eigentlich noch immer alles gesagt, was man für ein effektives Treffen braucht. Und damit ist auch genug darüber geschrieben (siehe Regel 2: "eigenen Beitrag straffen").
Damit ist eigentlich alles gesagt: Dieser Zettel war in den 70er Jahren bei Philips in Gebrauch. In den darauffolgenden 40 Jahren gab es zwar viel technischen Fortschritt (und damit neue Ärgernisquellen wie Smartphones), aber der Zettel ist nach wie vor aktuell.
Im Folgenden noch acht gute Tipps von Peter Neitzsch (dpa), welche Fehler man in Meetings tunlichst vermeiden sollte.
Fehler 1: Kein klares Ziel
Entscheidend für den Erfolg eines Meetings ist, dass die Teilnehmer eine Antwort wissen auf Fragen wie diese: Was mache ich hier? Warum dauert das so lange? Warum kommt der nicht zum Punkt? "Wenn den Menschen nicht klar ist, weshalb ein Meeting einberufen wurde, hören sie auch nicht zu", sagt Kommunikationsberater Michael Gerharz aus Troisdorf. Bevor eine Konferenz angesetzt wird, sollte das Ziel des Treffens klar sein und was jeder einzelne Teilnehmer dazu beiträgt.
Fehler 2: Die Agenda ist überfrachtet
"Wenn die Vorbereitungen gründlich und rechtzeitig erfolgen, wird das Meeting spannend und zielorientiert", bestätigt Anita Bischof. Die Unternehmensberaterin aus Reinfelden hat ein Ratgeber zum Thema geschrieben. Sie sagt: "Das Ergebnis der Vorbereitung ist eine klare Agenda." Dafür sollte zunächst der Zweck des Meetings geklärt werden: Geht es um Information, um Diskussion oder um eine Entscheidung? Als Nächstes erhält jedes Thema ein fixes Zeitbudget.
Fehler 3: Zeiten werden nicht eingehalten
Der beste Zeitplan nutzt nichts, wenn sich keiner daran hält. Karriereexperte Jochen Mai rät daher bei jedem Meeting zu Pünktlichkeit - am Anfang wie am Ende. "Unpünktlichkeit ist gelebte Arroganz." Dagegen helfe es, die Türen des Konferenzraums zwei Minuten nach Beginn abzuschließen. Ein anderer simpler Trick: "Einfach die Stühle weglassen. So haben die Teilnehmer automatisch weniger Interesse daran, dass sich die Ex-Sitzung unnötig in die Länge zieht." Ist die Zeit erstmal begrenzt, müssen sich alle fokussieren.
Fehler 4: Die Teilnehmer sind unvorbereitet
Damit ein Meeting gelingt, müssen sich alle einbringen. Doch daran hapert es oft: "Die Teilnehmer erscheinen unvorbereitet, wissen nicht, was auf der Agenda steht oder was genau sie erarbeiten sollen und driften deshalb ständig ab", sagt Mai. Er rät deshalb zu einem radikalen Schritt: eine schlecht vorbereitete Konferenz sofort abbrechen. Eine Alternative ist die "study hall": Dabei lesen alle eine halbe Stunde vor dem Meeting gemeinsam die Memos, erläutert Gerharz. "Das soll die Qualität der Diskussion verbessern."
Fehler 5: Die Präsentation ist sterbenslangweilig
Damit die Präsentation ankommt, sollte man im Wesentlichen zwei Punkte beachten: "Einerseits zum Punkt kommen, andererseits weg von drögen Power-Point-Präsentationen", sagt Gerharz. Die Zuhörer könnten sich ohnehin nur einen Bruchteil davon merken. Wer hinterher über das Meeting berichten soll, wird sich nicht an 30 Folien erinnern. Ohne eine klare Botschaft heißt es dann nur: "Der Meyer hat wieder gelabert."
Fehler 6: Niemand hört wirklich zu
Auch wer keinen Vortrag hält, sollte sich Gedanken darüber machen, welchen Eindruck er hinterlässt: "Ein Meeting kann Ihre Chance sein, sich mit Ideen zu profilieren", sagt Berater Mai. "Aber es kann auch eine Stolperfalle werden, die den Chef an Ihren Fähigkeiten zweifeln lässt." Mit den Sitznachbarn tuscheln, den anderen Teilnehmern ins Wort fallen und Kollegen bloßstellen, macht keinen guten Eindruck. Auch wer zwischendurch auf dem Smartphone Mails beantwortet oder gar Anrufe annimmt, macht sich keine Freunde.
Fehler 7: Der Chef redet, der Rest schweigt
Gerade bei großen Gruppen besteht immer auch ein Hierarchie-Gefälle. "Wenn die Teilnehmer dann sehr zurückhaltend sind, kann man zu Tricks greifen", erklärt Bischof. So muss nicht immer der Chef die Konferenz leiten. Einzelne Punkte der Agenda können auch von verschiedenen Kollegen moderiert werden. "Eine andere Möglichkeit besteht darin, Arbeitsgruppen zu bilden und ein Problem im kleinen Kreis zu diskutieren." Außerdem gehört es zu einer offenen Diskussion, dass Ideen nicht gleich schlechtgemacht werden.
Fehler 8: Die Ergebnisse werden nicht umgesetzt
Erst die richtige Nachbereitung stellt sicher, dass die erfolgreiche Besprechung keine Eintagsfliege bleibt: "Um langfristig befriedigende Meetings zu haben, müssen Entscheidungen dokumentiert werden", sagt Bischof. Außer bei besonders strittigen Themen reicht ein kurzes Ergebnisprotokoll dafür völlig aus. Kommunikationsprofi Gerharz empfiehlt, das Ergebnis gleich im Anschluss per Rundmail zu verschicken - am besten mit konkreten "action points". Die sollten dann möglichst rasch umgesetzt werden.
Auf den letzten Drücker ins Meeting gehüpft und null vorbereitet? Kein Problem - reden Sie einfach, ohne etwas zu sagen. So zum Beispiel: Wir müssen die PS auf die Straße bringen. Sagt nichts, was nicht eh klar wäre, klingt aber super dynamisch!
Wir müssen alle Stakeholder ins Boot holen.
Ähnliches Schema: Sagen, was niemand bestreiten kann, aber mit "wir" und einer Metapher. Einen Zusatzpunkt sichern Sie sich mit wichtig klingendem englischem Beratersprech.
Das ist kein Problem, das ist eine Chance!
Soll buddhistisch-ganzheitlich klingen. Ihr Karma-Bonus: Der Dalai Lama hat gerade angerufen, Sie werden als selbstständiger Unternehmensberater in Bad Waldliesborn wiedergeboren.
Machen wir doch mal einen Schritt zurück!
Gern gebrachter Einwurf, vor allem in verfahrenen Diskussionen. Wer zurückschreitet, hat bessere Perspektiven, suggeriert der Sprecher - in der Praxis ist der Schritt zurück hingegen viel zu oft ein Rückschritt.
Wenn das klappt, machen wir da einen schönen Business Case draus.
Die nächste anglizistisch aufgehübschte Binse, denn: Eigentlich sollte es eine Selbstverständlichkeit sein, Erfolgreiches zum Vorbild zu machen.
Wir dürfen unsere core values nicht aus den Augen verlieren.
Das kleine 1x1 der Binse: Unmöglich zu negieren, dazu ein Schuss "wir"-Pathos und englische Begriffe an Schlüsselstellen.
Denkt ruhig mal outside the box!
Ein starkes 1-zu-1-Verhältnis von deutschen und englischen Wörtern beschert dieser Perle einen Platz in unserer Hall of Fame der Binsen - und natürlich ihre absolute Binsigkeit.
Wir sollten das nicht übereilen.
Wird so häufig gesagt, weil Kollegen, die das regelmäßig fordern, wesentlich beliebter sind als solche, die regelmäßig zum Übereilen aufrufen.
Ich werfe mal in die Runde: Wo bleibt die Disruption?
Das sprechen Sie natürlich "Dissrapp-schänn" aus. Der Zuhörer freut sich - allerdings nur darüber, dass Sie sich nicht auch noch an Clayton ("Kläitänn") Christensens Namen abmühen.
Wir müssen den Customer da abholen, wo er ist.
Ein guter Hinweis - allerdings ausschließlich in Besprechungen, in denen die Qualität von Warteschleifen und Kassenschlangen verbessert werden soll.