Krisen als Karriere-Helfer
"Aus schmerzhaften Niederlagen viel gelernt"
Krisen machen uns stärker: SAAL ZWEI hat Managerinnen gefragt, aus welcher Niederlage sie am meisten gelernt haben. Zehn Managerinnen geben Auskunft - von SAP-Aufsichtsrätin Gesche Joost über Lufthansa-Vorständin Simone Menne bis zu Diageo-Deutschland-Chefin Veronika Rost.
Gesche Joost: "In der Politik braucht man einen längeren Atem"
Gesche Joost, Professorin für Designforschung, UdK Berlin, Aufsichtsrätin SAP AG
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"Im Berufsalltag gibt es immer wieder Dinge, die nicht so schnell und einfach gehen, wie ich es mir vorgestellt habe - besonders in der Politik. Am liebsten würde ich sofort E-Learning-Formate an deutschen Universitäten einführen, digitale Medienbildung an Schulen und Computer-Trainings für Senioren - aber so schnell geht das nicht.
Mein Learning daraus ist, einen längeren Atem zu entwickeln - und ab und zu die Taktik der Bananenflanke anzuwenden. Wenn sich ein Hindernis auf dem Weg zum Tor in den Weg stellt, zirkelt man den Ball sanft im Halbkreis herum - und trifft trotzdem ins Schwarze."
Ida Tin: "Find your tribe - or create your own tribe"
Ida Tin, Geschäftsführerin, Blue Wink
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"In meinem Leben hatte ich zwei Festanstellungen: Als Kurier bei einem Immobilienmakler im Alter von 15 Jahren - und als Organisationsberaterin in einem Konzern, da war ich 24, es war mein erster Job nach dem Studium. Als Kurier wurde ich nach der ersten Woche entlassen - den Beraterjob verlor ich einen Tag, bevor ich ihn überhaupt antrat. In beiden Fällen war ich erleichtert - und mir wurde klar, dass solche Firmen nicht mein Ding sind - genauso wenig, wie ich die richtige Mitarbeiterin für sie wäre. Seitdem schaffe ich mir meinen Job, wie er mir gefällt, selbst: "Find your tribe, your people or simply create your own tribe."
Wie die Dänin mit ihrem Berliner Start-up eine digitale Alternative zur Anti-Baby-Pille etablieren will, lesen Sie hier.
Anja Krusel: "Ich war zu verbissen und einseitig"
Anja Krusel, Vice President Group Controlling, Borealis AG
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"In meiner Jugend habe ich sehr engagiert Tennis gespielt, bis zur Sauerländischen Meisterin habe ich es geschafft. Auf dem Weg dahin musste ich jedoch viele Niederlagen einstecken: Ich wollte den Sieg zu sehr. Ich war zu verbissen und zu einseitig. Ich habe nicht verstanden, dass man gegen unterschiedliche Gegner unterschiedliche Spielstile und Taktiken anwenden muss.
Diese Erfahrung kommt mir heute im Job zugute. Ich weiß, dass ich für meine Mitarbeiter unterschiedlichen Ansprachen und andere Führungsstile verwenden muss, um ihr Potenzial auszuschöpfen.
Durch meine Zeit als Amateursportlerin bin ich übrigens auch gelassener geworden: Ich habe zwei 6000er bestiegen. Den Kilimandscharo und den Cotopaxi in Ecuador. Beim Zweiten mussten wir allerdings kurz vor dem Gipfel umkehren. Das Wetter war schlecht, es war zu gefährlich. Früher hätte ich das nicht akzeptiert und leichtsinnige Manöver riskiert. Jetzt konnte ich es gut akzeptieren, als der Guide bestimmte: 'Wir drehen um'."
Christina Kaut: "Wir waren scharf auf den Umsatz - und zahlten drauf"
Christina Kaut, Geschäftsführende Gesellschafterin, Alfred Kaut GmbH & Co.
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"Ich bekam zu Anfang des Berufslebens ein sehr großes, für uns völlig neues Projekt anvertraut, welches die Koordination vieler einzelner Baustellen in kurzer Zeit erforderte. Dazu kamen unzählige Ansprechpartner verschiedenster Firmen. Wir hatten uns von hohen Stückzahlen blenden lassen und geglaubt, das Projekt ohne Probleme stemmen zu können. Wir waren scharf auf den Umsatz, die Referenz und legten am Ende Geld dazu. Ich habe daraus gelernt, gerade große Projekte besonders kritisch zu prüfen. Ich konzentriere mich lieber auf unsere Kernkompetenzen, damit schaffen wir echte Wertschöpfung."
Zum vollständigen Interview mit der Mittelständlerin, bitte hier entlang.
Simone Menne: "Entschuldigungen helfen in manchen Situationen nicht weiter"
Simone Menne, Finanzvorstand, Lufthansa AG
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"Bei einer Station als Projektleiterin konnte ich die Erwartungen nicht erfüllen und wurde daraufhin von dieser Aufgabe entbunden und versetzt. Ich habe gelernt, dass Entschuldigungen und Begründungen einem in dieser Situation nicht weiterhelfen. Stattdessen kann und muss man aufstehen und weitermachen - wenn nicht auf dem gleichen Pfad, dann auf einem anderen."
"Eine wirklich wichtige Niederlage auf meinem Weg stammt aus den frühen Tagen unseres Technologieunternehmens Improve Digital: Wir waren ein kleines Start-up in Amsterdam, fast alle unsere Wettbewerber waren US-Start-ups mit viel größeren Marketingbudgets und einer aggressiven Markteroberungsstrategie. Sie alle haben sich viel größer dargestellt, als sie letztendlich waren.
Wir haben verhalten und sachlich kommuniziert, wie es in Europa üblich ist. Und obwohl wir in Unternehmensgröße, Produkt und Funktionalität gleich auf bzw. teilweise sogar einen Schritt voraus waren, wurden wir vom Markt einfach nicht so stark wahrgenommen wie die Konkurrenz.
Dies hat Improve Digital am Anfang einige Geschäfte gekostet. Die Lektion, die ich dadurch gelernt habe ist: Wahrnehmung ist Realität. Von dem Moment an, in dem wir dies erkannt haben, wurden wir lauter und bestimmter bei der Gestaltung unseres Images. Wir hatten immer im Hinterkopf: Wenn wir unsere Identität nicht selbst bestimmen, wird es jemand anderes tun."
Martina Neef: "Wer unglücklich ist, muss sich trennen. Vom Mann - oder von der Firma"
"Ich hatte einige 'Downs' in meiner Laufbahn, aber ich habe sie nicht als Niederlage empfunden. Worauf das Wort am ehesten zutrifft, war das Ende meiner Ehe. Gelernt habe ich daraus, dass man nicht zu lange in einer Situation verharren sollte, die einem nicht gut tut. Das lässt sich auch auf die Arbeit übertragen. Wer im Job unglücklich ist, muss sich von seiner Firma trennen und etwas Neues ausprobieren.
Denn allein der Entschluss, dass man einen Schlussstrich ziehen will, setzt Energie frei. Ab dem Moment, an dem ich beschlossen hatte, dass die Trennung von meinem Mann der richtige Weg ist, hatte ich ein dickes Grinsen im Gesicht. Wer mich darauf ansprach, war überrascht, dass ich mich über den Zustand eher freute als traurig war..."
Mit ihrer Initiative will die alleinerziehende Mutter Schülerinnen und Schüler für das Unternehmertum begeistern - zum Interview.
Heike Baur-Wagner: "Wer keine Prioritäten setzt, schafft weniger"
Heike Baur-Wagner, Vice President Sales, American Express
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"Während meines BWL-Studiums bin ich mit meinem Ehrgeiz auf die Nase gefallen. Ich wollte mehrere Scheine für Mathe, Jura und Buchführung auf einmal machen, während Kommilitonen sich drei Semester dafür Zeit ließen. Dann merkte auch ich, mir fällt nicht mehr alles zu - und musste schließlich das Semester wiederholen. Seitdem weiß ich: Wer zu viel auf einmal will und sich keine Prioritäten setzt, schafft am Ende weniger."
Claudia Dietze: "Lieber einen Bewerber zuviel ablehnen, als jemanden einzustellen, der nicht passt"
Claudia Dietze, kaufmännische Geschäftsführerin, Freiheit.com Technologies und SAALZWEI-Management-Kolumnistin
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"Vor einigen Jahren sind wir zu schnell gewachsen. Wir haben zu viele große Projekte angenommen und zu schnell zu viele neue Leute eingestellt. Unsere enge und über viele Jahre gewachsene, persönliche Firmenkultur hat darunter sehr gelitten, weil wir die Neuen nicht richtig integrieren konnten bzw. ein paar auch nicht gepasst haben. Es hat fast drei Jahre gedauert, bis wir wieder zu unserer alten Form vollständig zurückgefunden hatten.
Jetzt sind wir dafür allerdings die beste Version unserer Firma, die wir je gewesen sind. Was habe ich daraus gelernt? Sprunghaftes Wachstum geht nur, wenn man dafür die entsprechenden Onboarding-Mechanismen hat, um neue Kollegen in die Kultur, in das Team und Prinzipien unserer Firma einzuführen. Und: Lieber einen Bewerber zuviel ablehnen, als jemanden einzustellen, der nicht 100%ig passt. Und ebenso konsequent sein, wenn man in der Probezeit merkt, dass man nicht zueinander passt."
"In meiner Schulzeit empfand ich es als Niederlage, als Streberin bezeichnet zu werden. Lernen fiel mir leicht, und ich war auch fleißig: Doch damit war ich nicht immer die populärste Mitschülerin. Das ist schmerzhaft, denn als Teenager möchte man bei den 'coolen' Cliquen dazugehören. Aber ich habe daraus gelernt, dass man es im Leben nicht immer allen Recht machen kann, sondern sich treu bleiben sollte. Mit dieser Authentizität habe ich im Laufe meines Lebens tolle Freundschaften geschlossen. Zudem habe ich auch gelernt, dass es sich langfristig auszahlt, an dem festzuhalten, was einem wichtig ist."
Dieser Text wurde bei SAAL ZWEI veröffentlicht, einem Online-Business-Magazin für Frauen. Es erscheint jede Woche Mittwoch - und kann kostenlos unter www.saalzwei.de/online-magazin-gratis-bestellen abonniert werden.