Die Wahrheit über Körpersprache (2) Verschränkte Arme signalisieren Ablehnung. Stimmt das?

Bauch rein, Brust raus, Knie zusammen und bloß nicht die Arme verschränken: Wie Körpersprache funktioniert, glaubt jeder zu wissen. Doch bei näherem Hinsehen stellt sich heraus: Ganz so einfach ist es nicht. Viele der landläufigen Interpretationen von Körpersprache sind nichts weiter als Mythen. Eine Aufklärung in fünf Teilen.
Von Stefan Verra

Der Kollege kommt morgens in die Kaffeeküche und mir gerade recht. Ich will ihm eine geniale Idee schmackhaft machen, die mir vor kurzem gekommen ist. Ich beginne enthusiastisch zu erzählen, sprühe vor Elan. Denn ich bin mir sicher: Das Ding wird abgehen wie eine Rakete. So ganz nebenbei fällt mir seine Armhaltung auf. "Oh Mann, ey. Der Typ steht da mit verschränkten Armen. Hat der denn nie Lifestyle-Magazine gelesen? In jeder zweiten Ausgabe steht da doch als Top-Life-Hack der Körpersprache: "Während eines Gesprächs die Arme zu verschränken ist ein absolutes No-go."

Ich wette, Sie haben das auch schon mal gelesen, oder? Menschen, die ihre Arme verschränken, sind zurückhaltend, abwehrend oder mindestens desinteressiert. Nun halten wir doch mal inne: Wie oft haben Sie schon Ihre Arme verschränkt und waren gar nicht abwehrend. Vielleicht haben Sie in dieser Haltung sogar sehr interessiert jemandem zugehört?

Eindeutig zweideutig

Der Wunsch Menschen anhand einzelner Körpersignale zu "verpsychologisieren" treibt bisweilen wunderliche Blüten. Dabei lässt sich ein Einzelsignal niemals abschließend deuten. Es bietet ganz einfach zu wenig Information. Klar, wenn ein Mensch breitbeinig da steht, die Fußspitzen nach außen, den gesamten Körper angespannt, den Kopf nach vorne geneigt und damit den Hals übersteckt, die Augenbrauen zusammen gezogen und den Mund fest verschlossen - okay, wenn der jetzt auch noch seine Arme verschränkt, dann mag man das mit Abwehr interpretieren.

Foto: Sven Hoppe/ dpa

Und jetzt, meine Herren, stellen Sie sich vor, Sie sind in München beim Oktoberfest. Sie sitzen auf einer Bierbank und eine Dame im Dirndl kommt auf Sie zu. Sie setzt sich Ihnen gegenüber, verschränkt dabei ihre Arme und lehnt sich Ihnen mit dieser Haltung entgegen.... Wenn Sie das jetzt für Abwehr halten, werden Sie ganz schnell wieder allein vor Ihrer Maß Bier sitzen - und zwar völlig zu recht.

In beiden Situationen hatten die Menschen ihre Arme verschränkt - aber das war auch schon das einzige Signal, das diese Körperhaltungen gemein hatten. Das eine Mal war der gesamte Körper abwehrend, das andere Mal deuteten einige Signale eher auf Flirten als auf Abneigung hin. Fazit: Wir dürfen die Vielfalt der körpersprachlichen Signale eines Menschen nicht ausblenden und sie nur auf ein einziges reduzieren. Sonst drohen Fehlinterpretationen.

Das Verschränken der Arme kann viele Ursachen haben. Wir tun es aus Abwehr, wir machen es unbewusst, wenn wir lange stehen um den Lymphfluss anzuregen. Wir tun es bei Kälte und wenn wir uns mit Tomatensoße bekleckert haben. Wir tun es, wenn wir beim Zahnarzt warten und uns mit dieser Selbstberührung beruhigen. Wir tun es, wenn wir keine Handlung setzen möchten, etwa weil wir gerade aufmerksam unserem Gegenüber zuhören. Es braucht also einen ganzheitlichen Blick auf die Körpersprache und die aktuelle Umgebung. Erst damit ist eine Deutung möglich.

Nur eines lässt sich übers Arme verschränken generell sagen: Sie wirken mit dieser Körperhaltung nicht besonders aktivitätsbereit. Evolutionstechnisch war eine solche Pose eher von Nachteil: Wenn der Säbelzahntiger um die Ecke kommt - bis Sie da Ihre Arme entwirrt haben, ist Ihr linkes Bein schon in seinem Magen.

Wollen Sie Ihren Mitarbeitern, Kollegen oder Kindern also vermitteln: "Ich bin dabei! Jetzt gehen wir es an!", wird das mit verschränkten Armen ziemlich unglaubwürdig wirken.

Sie müssen allerdings kein ungutes Gefühl haben, wenn Ihnen jemand zuhört und dabei die Arme verschränkt. Wenn der Rest seines Körpers Interesse signalisiert, ist alles okay. Ein Tipp noch für alle, die selbst gern ihre Extremitäten vor der Brust verknoten: Halten Sie Ihre Hände dabei möglichst sichtbar. So wirken sie auch mit verschränkten Armen durchaus offen. Zum Beispiel so:

Foto: Getty Images

So dagegen eher nicht.

Foto: picture alliance / dpa

Achten Sie also bei der Beurteilung von Körpersprache immer auf den Gesamteindruck. Und verzetteln Sie sich nicht in Details.


Was mich noch interessiert: Wie würden Sie das Armeverschränken einschätzen? Schreiben Sie mir dazu eine E-Mail: info@stefanverra.com 


Unser Gastkommentator Stefan Verra ist einer der gefragtesten Körpersprache-Experten in Deutschland. Er ist Dozent und Autor zahlreicher Bücher. Verra ist Mitglied der MeinungsMacher von manager-magazin.de. Trotzdem gibt diese Kolumne nicht notwendigerweise die Meinung der Redaktion des manager magazins wieder.

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