Fünf Regeln für mehr rhetorische Wirkung Reden Sie weiblicher!

Von Stefan Wachtel
Prototyp der "weiblichen" Redekunst: US-Präsident Barack Obama

Prototyp der "weiblichen" Redekunst: US-Präsident Barack Obama

Foto: ODD ANDERSEN/ AFP

Unsere westliche Redekultur ist männlich dominiert. Speziell in Deutschland. Die Kommunistin Rosa Luxemburg war lange die einzige ganz große Rednerin deutscher Sprache. Ansonsten: Männer, Männer, Männer. Entsprechend war die Führungsrhetorik: faktenorientiert, sachlich, konfrontativ. Doch eben das verändert sich möglicherweise gerade. Wir leben in einer Zeit, in der unsere Redekunst weiblich zu werden scheint.

Das ist jedenfalls meine Erfahrung. Ausnahmslos alle Männer, die ich berate - es sind naturgemäß mehr als Frauen, von denen es in den oberen Führungsebenen zu wenige gibt -, wünschen sich für ihre Rhetorik Eigenschaften, die wir mit Weiblichem assoziieren: mehr Emotion, mehr Zugang, mehr Anschaulichkeit. Weibliche Redekunst erscheint attraktiv, und das vor allem aus einem Grund, da sind wir pragmatisch: Sie verspricht mehr Wirkung. Allein deshalb wird sie gelobt. Die Betriebswirtschaftslehre ist utilitaristisch: Was sie gebrauchen kann, integriert sie.

Stefan Wachtel
Foto: Etienne Fuchs

Stefan Wachtel ist Executive Coach und bereitet beispielsweise Spitzenmanager auf öffentliche Auftritte vor. Er ist Autor von fünf Büchern, zuletzt "Executive Modus" bei Hanser . Außerdem ist der promovierte Sprechwissenschaftler gefragter TV-Experte, u.a. bei Bundestagswahlen.
www.expertexecutive.de 

Zwar wäre es falsch, diesen erkennbaren Trend zu pauschalisieren. "Frauen kommunizieren besser" könnte ein ebenso ideologischer Quatsch sein wie "Männer fahren besser Auto". Doch die Entwicklung der westlichen Rhetorik in den vergangenen Jahrzehnten zeigt eine klare Richtung: weg von einer "männlichen" hin zu einer eher "weiblichen" Redekunst. Der Prototyp dafür ist ausgerechnet ein Mann: US-Präsident Barack Obama. Seine Reden - sogar die Anfänge seiner Antworten - sprechen direkt an, er redet wenig von sich selbst, nennt stets andere zuerst und verwendet zahlreiche Verknüpfungen. Er geht nicht in erster Linie logisch, sondern eher psychologisch vor. Und das Entscheidende: Obama erzählt Geschichten, von früher, von seinem Großvater - und immer von anderen. Narrativ, könnte man sagen, und eher induktiv von Einzelbeispielen her - statt deduktiv herleitend.

Natürlich ist jeder Trend ist umkehrbar - und die Gegenbewegung hat bereits eingesetzt. In den USA trägt sie den Namen Donald Trump. Der Präsidentschaftskandidat verkörpert so ziemlich alles, was für das Gegenteil einfühlsamer Rhetorik steht. Er mischt alles auf, was uns gut und teuer ist, und das ist eher weiblich assoziiert: Zugang, Respekt, Rücksichtnahme, auf Gemeinschaft setzen, zuhören. Das Schlimmste ist: Wort und Tat fallen bei ihm zusammen. Insofern ist Trump auch noch der "Glaubwürdigste" aller Redner im derzeitigen US-Wahlkampf. Aber ob sich diese Form von Ansprache langfristig durchsetzt? Wir werden schon sehen…

Fünf Thesen warum Frauen besser kommunizieren

Die amerikanische Soziolinguistin Deborah Tannen hat bereits 1988 fünf Thesen aufgestellt, die der Annahme folgen, dass Frauen besser kommunizieren als Männer:

  • Sie stellen mehr Fragen
  • Sie zeigen häufiger Signale des Zuhörens
  • Sie streuen weniger Kommentare in die Gegenrede ein
  • Sie lassen das Gegenüber eher ausreden
  • Sie betonen wesentlich stärker Gemeinsamkeiten.

Frauen suchen offenbar in Kommunikationen nicht nur Lösungen, sondern ebenso sehr Bestätigung und Anteilnahme. Sie suchen Kontakt, Zugang. Schlecht wäre das nicht. Es wäre auf der rechten, erfolgreichen Seite der Führungsrhetorik. Wenn das durchgängig so ist, kommunizieren Frauen tatsächlich eher besser als Männer. Dann sind sie sehr gut geeignet für die öffentliche Rede und stehen auf der Sonnenseite, auf der der Blumentopf gewonnen wird.

Unsere Alltagserfahrung und die wissenschaftlichen Studien stimmen auf frappierende Weise überein. Daraus lassen sich Ziele einer guten Kommunikation ableiten, für Frauen und Männer, für jeden von uns. Wir können sie in fünf Regeln zusammenfassen:

  • 1 - Reden Sie nicht dazwischen, geben Sie Zuhörsignale!
  • 2 - Fragen Sie!
  • 3 - Agieren Sie diplomatisch!
  • 4 - Reden Sie emotionaler!
  • 5 - Schaffen Sie Gemeinsamkeiten!
  • 6 - Suchen Sie sprachlich Zugang zum Gegenüber!

Bei genauerem Hinsehen ist das ein wunderbares Programm für wirkungsvolle Führungskommunikation, nach innen Zusammenarbeit organisiert - und nach außen Freunde gewinnt. Reden Sie weiblicher, das wäre mein Rat. Nichts zu danken!

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Stefan Wachtel ist Mitglied der MeinungsMachervon manager-magazin.de. Trotzdem gibt diese Kolumne nicht notwendigerweise die Meinung der Redaktion des manager magazins wieder.

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