Heiner Thorborg

Coaching Der Gang zum Menschenverbesserer

Heiner Thorborg
Von Heiner Thorborg
Der Coaching-Boom wird von einer Unternehmenskultur gefüttert, die sich Authentizität auf die Fahnen schreibt, in Wirklichkeit aber nur Nicker duldet. Oft geht es nicht darum, einen guten Coach zu finden, sondern einen neuen Job.
Ein paar Coaching-Sitzungen ... und fertig ist der neue Topmanager. Wenn es man so einfach wäre.

Ein paar Coaching-Sitzungen ... und fertig ist der neue Topmanager. Wenn es man so einfach wäre.

Foto: imago images/Westend61

Coaching boomt. Laut dem Online-Portal "Karrierebibel" hat sich jeder zweite Manager in den vergangenen fünf Jahren einen Coach gesucht. Deren Angebot klingt ja auch super: Leistungs- und Kreativitäts-Blockaden lösen sich auf, Kommunikationskraft wird gesteigert, Selbstbewusstsein gestärkt, neue Jobs werden gemeistert, ebenso das Zeitmanagement oder die Work-Life-Balance. Von der "Fach- zur Führungskraft" dank "ganzheitlichem Executive-Coaching", dazu ein paar Einzel-Coachings in Mitarbeiterführung und/oder Teambildung, plus ein bisschen Achtsamkeit ... und fertig ist der neue Topmanager. Was für ein löblicher Drang zur Selbstoptimierung!

Heiner Thorborg
Foto: Manuel Fischer

Heiner Thorborg gehört zu den profiliertesten Personalberatern in Deutschland. Nach zehn Jahren als Partner bei Egon Zehnder Int. gründete er die Heiner Thorborg GmbH & Co. KG, die Heiner Thorborg & Co. (Zürich) sowie die Initiative "Generation CEO".

Wirklich? Der Run aufs Coaching lässt sich auch anders interpretieren. Der Optimierungsdruck in den Konzernen ist inzwischen so hoch, dass sich viele Menschen als suboptimal empfinden. Sie passen nicht so recht in das Schema "F wie Führungskraft", das ihre Arbeitgeber von ihnen erwarten. Dieselben Arbeitgeber übrigens, die in Stellenanzeigen gerne nach "authentischen Persönlichkeiten" und "Unternehmertypen" suchen. Von diesem eigentlich unauflöslichen Konflikt - Arbeitgeber wollen einerseits angepasste Leute, die funktionieren, keinen Ärger machen und optimal zur Wertschöpfung beitragen und andererseits "kreative Zerstörer", die mit neuen Ideen daherkommen - leben Coaches.

Und nicht schlecht. Laut Coaching Report gibt es in Deutschland etwa 8000 Coaches, damit kommt Pi mal Daumen auf 10.000 Einwohner ein Profi-Leistungssteigerer. Mehr gibt es nur in den USA und Großbritannien. Vermutlich hat die Masse an Anbietern auch damit zu tun, dass die Berufsbezeichnung Coach in Deutschland nicht geschützt und daher zum Sammelbegriff für alles Mögliche geworden ist - Feuerlaufen und schamanische Schwitzrituale inklusive.

Kaum Erfahrung im Topmanagement gesammelt

Das schafft eine ganze Reihe von Problemen. Erstens ist ein Business-Coach in Deutschland laut Coaching Report im Durchschnitt 50 Jahre alt und verfügt über elfjährige Berufserfahrung. Die Mehrheit ist als Einzelkämpfer unterwegs. Daraus lässt sich relativ einfach ableiten, dass kaum einer in der Szene wirklich Erfahrung im Topmanagement der Konzerne hat. Woher all diese Leute die Kenntnisse nehmen, anderen zu erklären, wie es im gehobenen Management zugeht, erschließt sich nicht.

Aus dieser Situation lässt sich auch das zweite Problem erklären: Es gibt kaum Untersuchungen, die objektive Leistungs- und Verhaltensverbesserungen durch Coaching nachweisen, wie Psychologieprofessor und Coaching-Experte Siegfried Greif schon vor einigen Jahren anmerkte.

Aber Qualifikation und Wirkungsmacht mal ganz dahingestellt, wirklich übel ist vor allem der grundsätzliche Drang zur Menschenverbesserung, der viele Coaches umzutreiben scheint. Oft wirkt es, als würden Arbeitnehmer als Opfer wahrgenommen, denen geholfen werden muss. Die Leute in den Betrieben haben keine Ahnung von Führung, von Selbstpräsentation, von Zeitmanagement, von Teambildung oder Stressbewältigung. Sie sind genervt und angeschlagen oder gar gemobbt, verstehen den kreativen Prozess nicht und stehen sich überhaupt ständig selbst im Weg. Der Coach kommt dann als Retter um die Ecke und bürstet den Kandidaten für den Büroalltag zurecht.

Heiner Thorborg ist Personalberater und Mitglied der MeinungsMacher von manager-magazin.de. Trotzdem gibt diese Kolumne nicht notwendigerweise die Meinung der Redaktion des manager magazins wieder.

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