Peter-Jürgen Schneider "Karrieren wie meine stammen aus einer anderen Zeit"

mm: Herr Schneider, wie schafft es ein gelernter Elektromechaniker in den Vorstand eines MDax-Unternehmens - ohne Abitur und ohne Studium?
Schneider: Heute vermutlich gar nicht mehr. Karrieren wie die meine oder die anderer Nicht-Akademiker in den Vorständen stammen aus einer anderen Zeit. Als ich zur Schule ging, besuchten rund 80 Prozent eines Jahrgangs die Volksschule. Es gab viel höhere Zugangsbeschränkungen für Bildung, die darüber hinausging - zum Beispiel musste für das Gymnasium Schulgeld gezahlt werden. Heute ist das richtigerweise anders. Man kann davon ausgehen, dass Führungstalente heute im Verlauf ihrer Karriere die Gelegenheit bekommen, zu studieren.
mm: Haben Sie persönlich den fehlenden Hochschulabschluss nie als Makel empfunden? All ihre Vorstandskollegen bei der Salzgitter AG und auch rund 90 Prozent der Top-Manager in anderen deutschen Großunternehmen sind Akademiker - viele sogar promoviert, nicht selten mit Abschlüssen renommierter Elite-Hochschulen. Sind Ihnen als Nicht-Akademiker in den Vorstandsetagen Vorurteile begegnet?
Schneider: Nein, ich persönlich habe nie Probleme gehabt. Ich habe auch schlicht so schnell Karriere gemacht, dass mir die Zeit gefehlt hätte, ein Studium nachzuholen. Außerdem bin ich sicherlich in vielerlei Hinsicht eine Ausnahme von klassischen Karriere-Regeln. Viele berufliche Chancen haben sich für mich durch Zufälle ergeben - man könnte auch sagen, durch ein Quäntchen Glück. Und durch die Tatsache, dass ich neben dem Beruf früh in der Politik Karriere gemacht habe. Mit 25 Jahren war ich bereits Mitglied im Rat der Stadt Salzgitter, später im niedersächsischen Landtag, dann Präsident der Bezirksregierung in Braunschweig und Staatssekretär in der niedersächsischen Staatskanzlei. Als Salzgitter im Jahr 2003 anfragte, ob ich den Vorstandsposten übernehmen würde, hatte ich also durchaus einige Titel - wenn auch keinen akademischen. Und in der Politik habe ich viele Fähigkeiten erworben und Kontakte geknüpft, die für die Aufgaben im Konzernmanagement nützlich waren.
mm: Haben es Nicht-Akademiker in der Politik leichter als in der Wirtschaft?
Schneider: Ja, das ist so. Und in der Politik ist es auch wichtig, dass das so bleibt - denn die Abgeordneten sollen ja das Volk in seiner Breite repräsentieren, nicht nur seine Eliten. Nicht-Akademiker auf den Vorstandsposten wird es hingegen sicherlich nicht mehr geben, wenn meine Generation die Vorstände verlässt - und das finde ich sogar richtig. In der Wirtschaft sind andere Qualifikationen gefragt als in der Politik, und es gelten andere Regeln. Ein Studium ist für die fachliche Ausbildung des Managementnachwuchses wichtig. Ebenso wichtig sind allerdings Managementqualitäten wie Kommunikations- und Durchsetzungsfähigkeit. Und die lernt man nur in der Praxis, nicht im Studium.
mm: Im Januar wollen Sie im Falle eines Wahlsiegs der SPD bei den Landtagswahlen Finanzminister in Niedersachsen werden. Warum wechseln sie aus der Wirtschaft zurück in die Politik?
Schneider: Im kommenden Jahr steht ein Generationswechsel im Vorstand an. Mein Vertrag läuft aus, und mit 65 Jahren habe ich die konzernübliche Altersgrenze erreicht. Als Rentner fühle ich mich aber noch lange nicht. Deshalb habe ich, wie so oft in meiner Karriere, auch diese Chance ergriffen - und zugesagt, als man mich gefragt hat, ob ich Finanzminister werden will. Bleibt abzuwarten, was die Wähler sagen.