SMS-Chef Heinrich Weiss "Die Jungen sind nicht so eitel"

Generationswechsel: "Die Jungen sind erfreulicherweise nicht mehr so eitel, sondern konzentrieren sich auf die Arbeit."
mm: Herr Weiss, wir leben in unsicheren Zeiten, die globale Finanzkrise ist gerade erst halbwegs überstanden. Würden Sie zustimmen, dass Unternehmensführung in der komplexen Wirtschaftswelt des 21. Jahrhunderts immer schwieriger wird?
Weiss: Nein. Die Zeiten waren schon immer bewegter, als sie aus der Erinnerung scheinen. Denken Sie nur an die Bedrohung durch die RAF! Die Terroranschläge warfen damals Schockwellen in die deutsche Wirtschaft. Aus Sicht der Industrie handelt es sich bei der jüngsten Krise um eine zugegebenermaßen schwere Rezession, bei der die Geschwindigkeit des Abschwungs das Ungewöhnliche war. Glücklicherweise erholen sich die meisten Unternehmen jetzt überraschend schnell.
mm: Sie sind 1968 ins elterliche Unternehmen eingestiegen und haben die SMS Gruppe vom Kleinunternehmen zu internationaler Bedeutung geführt. Haben sich die Anforderungen ans Management seit Ihren Anfängen verändert?
Weiss: Topmanager müssen heute zwingend über eine hohe soziale Kompetenz verfügen. Das Gespür für Menschen und die Fähigkeit zur Mitarbeiterführung muss mindestens so gut sein wie die fachliche Leistung. Fehlendes Wissen kann man notfalls nacharbeiten, aber Charakter und Persönlichkeit muss man mitbringen. Hohe Intelligenz und Tatkraft genügen nicht mehr.
mm: Manager müssen also menschlicher auftreten als früher?
Weiss: Die Mitarbeiter stellen höhere Ansprüche an die Unternehmenskultur. Ein Job soll heutzutage nicht nur den Lebensunterhalt sichern, sondern auch Lebensqualität bieten. Die Mitarbeiter wollen ernst genommen werden. Und da hochqualifizierte Fachkräfte immer schwerer zu finden und zu halten sind, müssen die Unternehmen hier einen hohen Standard bieten.
mm: Herrscherattitüden á la Jürgen Schrempp, dem ehemaligen Chef des DaimlerChrysler-Konzerns, haben keine Zukunft mehr?
Weiss: Solche Manager finden Sie heute kaum noch. Wer früher Vorstandschef wurde, zelebrierte das häufig wie ein Ruhrbaron, meist unangefochten bis zur Pensionierung. Die Jungen sind erfreulicherweise nicht mehr so eitel, sondern konzentrieren sich auf die Arbeit. Sie werden ja auch stärker kontrolliert als frühere Generationen.
mm: Sie selbst hatten an der Spitze der SMS Gruppe immer freie Hand, auch Ihr langjähriger Partner MAN hat Ihnen vertraut und Sie machen lassen. Woher nahmen Sie das Zutrauen, immer auf dem richtigen Weg zu sein?
Weiss: Ich war nicht immer auf dem richtigen Weg, ich habe auch manchen Fehler gemacht! Ein lebendiges Unternehmen kommt immer wieder an den Punkt, zwischen mehreren Optionen entscheiden zu müssen, deren Folgen oft noch nicht erkennbar sind. Da kann man falsch liegen, das gehört dazu. Wir haben immer auf eine solide Finanzierung geachtet und waren nie von Banken abhängig. So konnten wir auch gelegentliche Fehlentscheidungen verschmerzen.
mm: Ihre riskanteste Entscheidung...?
Weiss: ... war die Übernahme der Mannesmann Demag Metallurgie vor fast zwölf Jahren. Wir übernahmen ein im Grunde krankes Unternehmen mit schlechter Kultur und hohen Verlusten. Andererseits bot uns der Kauf die Chance, im internationalen Hüttenwerksbau zur Nummer eins aufzusteigen und unsere Angebotspalette interessant zu erweitern. Aber es war ein Kraftakt. Wir haben trotz Due Diligence viele Schwachstellen erst nachträglich gefunden. Es dauerte Jahre, bis wir die Gruppe integriert und das gemeinsame Unternehmen zum Laufen gebracht hatten, und das alles mitten in einer gravierenden Rezession.
mm: Hätten Sie von den Problemen gewusst...
Weiss: ... hätte ich es trotzdem gemacht!
mm: Das klingt, als fielen Ihnen selbst dramatische Entscheidungen gar nicht schwer.
Weiss: Ich bin ein grundoptimistischer Mensch, meiner Ansicht eine zwingende Voraussetzung für einen Manager oder Unternehmer. Natürlich hat es immer wieder Phasen gegeben, in denen mich die Dinge belastet haben. Da schläft man auch mal schlecht. Aber man muss Spaß an der Sache haben - und muss mit der Fähigkeit zur Selbstkritik seinen Weg gehen.