EADS-Insiderprozess Riesenskandal oder Rohrkrepierer?
Paris - In der Affäre um mögliche Insidergeschäfte bei der Airbus-Mutter EADS stehen Konzernmanager seit Montag der Pariser Finanzaufsicht AMF Rede und Antwort. 17 amtierende und ehemalige EADS-Führungskräfte wollen dabei den Verdacht entkräften, sie hätten mit Kenntnis der Verzögerungen beim Super-Airbus A380 frühzeitig Aktienoptionen zu Geld gemacht. Die Beschuldigten ziehen mit fast 50 Anwälten in die bis Freitag dauernde Anhörung. Ihnen drohen bis zu zwei Jahre Haft sowie Strafen in Millionenhöhe.
Im Kern geht es darum, wann die Airbus- und EADS-Manager wussten, dass das Programm des weltgrößten Verkehrsflugzeugs aus dem Ruder lief. Erste Verzögerungen waren seit 2005 bekannt. 2006 wurde zur Gewissheit, dass die Schwierigkeiten bei der Verkabelung der A380 in Hamburg zu groß waren, um die Zeitpläne einhalten zu können.
Als der Markt darüber informiert wurde, brach die EADS-Aktie am 14. Juni 2006 um fast 27 Prozent ein. Sie erholte sich von dem Schock bisher nicht wieder. Die A380-Probleme sind bis heute nicht gelöst. Die französische Finanzaufsicht AMF hatte ein Verfahren eingeleitet, weil eine ganze Reihe von Managern ihre Optionen schon vorher umgewandelt und dabei teils Millionengewinne erzielt hat.
In einem Zwischenbericht vom Juli hatten die Berichterstatter des AMF-Sanktionsausschusses die Vorwürfe des Insiderhandels nur noch gegen sieben der 17 Manager aufrecht erhalten. Sie alle hatten ihre Aktienoptionen erst im März 2006 umgewandelt. Laut dem Berichterstatter wussten die Manager dabei seit dem 17. Februar, dass es Verzögerungen beim A380 gibt. Der AMF-Sanktionsausschuss ist an die Meinung des Berichterstatters zwar nicht gebunden, dürfte sie aber berücksichtigen.
Zur Anhörung erschien am Montag deshalb auch der deutsche Airbus-Chef Thomas Enders, obwohl er zu der Gruppe von zehn Managern gehört, gegen die der Berichterstatter die Vorwürfe fallen ließ. Enders hatte seine Aktienoptionen schon im November 2005 zu Geld gemacht und dabei einen Gewinn von knapp 712.000 Euro erzielt - also vor dem mutmaßlichen Termin, ab dem die Manager von den Airbus-Verzögerungen Kenntnis hatten. Er zeigte sich gelassen, als er mit einem Motorrad-Taxi an der ehemaligen Pariser Börse zum Auftakt der Anhörungen ankam. Er sei mit Blick auf das Verfahren "absolut" zuversichtlich, sagte er.
Ex-Chef unter Verdacht
Der ehemalige EADS-Ko-Chef Noël Forgeard steht dagegen laut dem Berichterstatter weiter im Verdacht des Insiderhandels. Forgeard hatte im März 2006 durch den Verkauf von EADS-Aktienoptionen einen Gewinn von 3,7 Millionen Euro gemacht. Er beteuerte nun erneut seine Unschuld. Dies würden die von seinen Anwälten zusammengetragenen Unterlagen beweisen, sagte er.
Mit Forgeard auf der "Anklagebank" sitzen unter anderem der deutsche Airbus-Finanzvorstand Andreas Sperl, der heute das Airbus-Werk in Dresden leitet, sowie der amtierende Airbus-Marketingchef John Leahy. Forgeard hatte damals 4,34 Millionen Euro mit den Aktiengeschäften verdient, Leahy 3,12 Millionen und Sperl gut 816.000 Euro.
EADS selbst droht gleichfalls eine Buße von bis zu zehn Millionen Euro, weil das Unternehmen nicht "so schnell wie möglich" über die Verzögerungen informiert haben soll. Entlastet sah der Berichterstatter dagegen die Großaktionäre Daimler und Lagardère, die vor dem Kurssturz Aktien verkauft hatten.
Am ersten Anhörungstag wurde zunächst nicht inhaltlich über die Vorwürfe gesprochen. Es hätten "Verfahrensprobleme" auf der Tagesordnung gestanden, sagte der Daimler-Anwalt Olivier Metzner. Genaue Zeitpunkte für die Befragung einzelner Manager gab es nicht.
Entlastend für die Verdächtigen könnte ein Gutachten von McKinsey sein. Denn die Experten waren sich noch 2006 sicher, dass Airbus die Probleme bei der Fertigung der A380 in den Griff bekommen würde. Die Kunden würden das weltgrößte Verkehrsflugzeug pünktlich bekommen können, hieß es damals. McKinsey hatte dem damaligen deutschen Airbus-Chef Gustav Humbert und dem französischen A380-Programmchef Charles Champion regelmäßig Bericht erstattet.
Mit ihrer Einschätzung lagen die Unternehmensberater im März 2006 zwar gründlich daneben. Doch ihr Rat soll heute beweisen, dass das Ausmaß der A380-Probleme damals nicht erkennbar war. Das würde bedeuten: Freispruch für alle Beschuldigten im EADS-Insiderskandal.
Für EADS und seine Topmanager steht in dem Verfahren viel auf dem Spiel. Aber auch für die AMF, denn die Börsengendarmen könnten ihren Ruf ruinieren. Sie dürfen sich nicht dem Verdacht aussetzen, EADS zu schonen, weil der Konzern für Frankreich strategisch wichtig ist. Noch unter dem Eindruck der Finanzkrise würde die Öffentlichkeit ein mildes Urteil kaum akzeptieren, wenn eine Insider-Straftat nachgewiesen würde.
Bis Mitte Dezember will die AMF ihre Entscheidung treffen. Unabhängig von den AMF-Verfahren laufen zu der Insideraffäre auch Ermittlungen der französischen Staatsanwaltschaft. Sie hat noch nicht entschieden, ob sie EADS-Manager in einem Strafprozess anklagt.
manager-magazin.de mit Material von afp, reuters, dpa-afx und ap