Drückeberger im Büro Gefährliche Tunichtgute
Hamburg - Der Schreibtisch biegt sich unter der Arbeitslast, die Auftragsbücher sind voll, Arbeit bis zum Anschlag - und zwischendrin ein Kollege, der nur das Nötigste tut und jedem mehr an Beschäftigung ausweicht. Faule Kollegen, neudeutsch "Low Performer" genannt, können eine große Last sein. Und doch wird eine Firma sie nur schwierig los, selbst wenn sie entlarvt sind.
Allerdings: Wer als Drückeberger identifiziert wird und warum, das ist oft eine Frage der Perspektive. Mitunter schwärzen die lieben Kollegen einen Angestellten als Bremser an, um sich selbst in einem günstigeren Licht zu präsentieren oder von eigenen Versäumnissen oder Misserfolgen abzulenken. Das wäre dann Mobbing reinsten Wassers.
Und: Es gibt ja nicht nur schwer erziehbare Mitarbeiter, sondern auch verhaltensauffällige Bosse. So soll es vorkommen, dass Manager selbst eine sehr bescheidene Performance haben - und prompt an Bord des Unternehmens scharenweise Low Performer entdecken, die es sich angeblich auf dem Sonnendeck gemütlich gemacht haben. So kann in Krisenzeiten eine Entlassungswelle vorbereitet werden.
Manchmal schleppt ein Team den Faulen lange durch
Gleichwohl weiß jede Firma, jedes Team, dass manche Kollegen keiner schwierigen Aufgabe aus dem Weg gehen und andere sich stets geschmeidig wegducken. Eines der großen Probleme bei den Low Performern sei die eigene Einstellung, sagt Doris Brenner, Karriereberaterin aus dem hessischen Rödermark. "Die wenigsten Leute würden sich selbst als faul bezeichnen - doch Fremdbild und Selbstbild gehen da meistens sehr weit auseinander."
Faul sei jemand dann, wenn er "seine Aufgaben oder seinen Part im Rahmen der Teamaufgabe bewusst nicht erfüllt, obwohl er das von seinen Fähigkeiten her könnte", so Brenner. Faulheit habe viel mit der generellen Arbeitshaltung zu tun. "Jemanden, der sich bemüht, aber aufgrund seiner Fähigkeiten die Leistung nicht erbringen kann, würde ich hingegen nicht als faul bezeichnen."
Problematisch könne es werden, wenn ein Low Performer von einem Team mitgeschleppt werde und sich nicht rechtfertigen müsse, so die Karriereberaterin. In einem solchen Fall "sollte das Team zusammenstehen und deutlich machen, dass es den Faulen nicht länger mitzieht und gegebenenfalls den Chef informiert". Von der Führungskraft hänge dann viel ab. Bei einem guten Chef, der Mitarbeiter richtig einsetzt und gute Rahmenbedingungen schafft, werde man nur selten faule Mitarbeiter finden, sagt Brenner.
Wer gelangweilt ist, neigt zu Intrigen
Drückebergerei ist hingegen verbreitet, wo es gibt, Leute gefrustet und lustlos sind und keine interessanten Aufgaben haben. Mit einem weiteren Modewort heißt ein solches Syndrom dann "Boreout", nicht zu verwechseln mit Burnout - die Leistung sinkt aus Langeweile statt durch das Ausgebranntsein. Häufig seien das Bereiche, die wenig Veränderung erleben, in denen die Mitarbeiter alles "schon immer so gemacht" haben und sich in ihrer Position sehr sicher fühlen, so Brenner.
Die Langeweile kann obendrein das Arbeitsklima vergiften, etwa durch Intrigen. "Die Intrige aber ist die höchste Form der Schädigung", sagt der Karriereberater Jürgen Hesse aus Berlin. Tratsch und Gerüchte gehörten zwar zum Büroalltag - doch Intrigen hätten das Ziel, eine Person herabzusetzen und sie damit auszubooten, sagt Hesse. Es seien nicht immer die Stärksten, die das machten - "aber auch nicht die Schwächsten".
Auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten ist kein Betrieb vor Arbeitsverweigerern gefeit. "Das Phänomen Faulheit zeigt sich dann eher verdeckt - ein Kollege macht etwa Dienst nach Vorschrift, wird aber nicht offen die Arbeit verweigern." Gut beizukommen sei einem Arbeitnehmer in einem solchen Fall mit genauer Beobachtung, sagt Doris Brenner. "Ein Fauler kann am besten durch Fakten anhand konkreter Beispiele überführt werden." Will er sich dann damit rausreden, dass er die Aufgabe nicht erfüllen konnte, könne ein Chef gut mit Schulungen und intensiver Unterstützung winken. "Das mögen Faule am allerwenigsten, wenn man sie im Auge behält."
Will einer nicht, könnte aber, muss er gehen - wenn das geht
Auch die Gerichte müssen sich immer wieder mit Low Performern beschäftigen. Die Definition dieser Sorte Mitarbeiter ist inzwischen recht eindeutig: "Sie können zwar, wollen aber nicht", sagt Anwalt Michael Felser aus Brühl bei Köln. Nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts in Erfurt kann diese Arbeitshaltung Grund für eine Abmahnung sein - und, wenn sich nichts ändert, für eine Kündigung wegen "Minderleistung". "Voraussetzung ist, dass tatsächlich eine Minderleistung vorliegt oder der Arbeitgeber anders nachweisen kann, dass der Mitarbeiter seine Arbeitsleistung bewusst zurückhält."
Der Arbeitnehmer schulde in einem Betrieb nicht den Durchschnitt, sondern die Ausschöpfung seines individuellen Leistungsvermögens. Anders liege der Fall, wenn Arbeitnehmer und Aufgabe nicht zusammenpassen - und der Mitarbeiter mit seiner Aufgabe überfordert ist. "Kann er nicht, muss er auch nicht; will er nicht, kann aber, muss er gehen", sagt Felser.
In der Praxis sei schwer nachzuweisen, dass jemand langsamer arbeitet, als er kann, oder sich dümmer stellt, als er ist. "Dazu hat das Bundesarbeitsgericht festgestellt: Einer ist immer der Letzte, in jeder Gruppe, und das muss nicht der Faulste sein." Schön beobachten könne man das im Sport, meint Felser. "Der englische Skispringer Eddie the Eagle hat sich bestimmt angestrengt." Dennoch machte der Adler meist deutlich kürzere Sätze als die Konkurrenz. Ein Low Performer war Michael Edwards deswegen noch lange nicht.
manager-magazin.de mit Material von dpa
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