Frauen und Karriere "Managerinnen zahlen privat einen hohen Preis"
mm.de: Frau Kuenzle, Sie stellen eine wenig ermunternde Gleichung auf: Je erfolgreicher Frauen im Beruf seien, desto eher wachse die Gefahr privaten Unglücks. Wie kommen Sie zu dieser These?
Kuenzle: Ich berate seit vielen Jahren Karrierefrauen in der Schweiz und in Deutschland und stelle einfach fest: Karriere und Glück in der Liebe passen bei Frauen seltener zusammen. Irgendwann habe ich begonnen, Managerinnen systematisch auch nach ihrer privaten Situation zu fragen und sozusagen Statistik geführt. Das Ergebnis: Die Gruppe erfolgreicher Frauen wächst, aber immer weniger von diesen Damen bezeichnen ihre privaten Beziehungen als gut, wenn sie überhaupt in Beziehungen leben.
mm.de: Karrierefrauen haben keine Kinder, lautet ein Stereotyp.
Kuenzle: Das ist leider die Wahrheit. In meiner Untersuchung stieg die Anzahl der Frauen, die trotz Kinderwunschs kinderlos blieben, mit den Jahren. Gleichzeitig wuchs die Zahl der Managerinnen, deren Beziehung in die Brüche ging und die keinen neuen Partner fanden. Es ist deutlich eine positive Korrelation festzustellen zwischen beruflichem Aufstieg und privatem Misserfolg. Hingegen waren 2008 fast alle meine männlichen Klienten verheiratet, die meisten hatten Kinder.
mm.de: Ertragen Männer keine erfolgreichen Frauen?
Kuenzle: Ich beobachte jedenfalls, dass Frauen häufig einen hohen Preis für die Karriere zu zahlen haben, nämlich in Form eines Abschlags beim privaten Glück. Ganz anders bei den Männern: Beruflicher Erfolg erhöht ihre Chancen, die Wunschpartnerin zu finden, weil er auf Frauen anziehend wirkt und die Wahlmöglichkeiten signifikant erhöht.
mm.de: Aber es gibt doch auch viele Männer, die sich mit einer intelligenten Frau schmücken.
Kuenzle: Solange sie ihnen nicht in die Quere kommt. Ich will es einmal provokant formulieren: Warum gehen Männer (Frauen übrigens auch) ins Topmanagement, warum tun sie sich den ganzen Stress mit der Karriere an? Vielen dieser Menschen ist Anerkennung durch Dritte überaus wichtig. Im Beruf erhalten sie diese Anerkennung, weil sie Höchstleistungen erbringen. So können sie sich und der Welt ständig beweisen, was für tolle Hechte sie doch sind. Nicht wenige Manager und Managerinnen übertragen dieses Muster auch ins Privatleben. Dann gibt es Konflikte: Zwei Alphatiere in einer Ehe, das verträgt sich meiner Erfahrung nach selten gut. Also tun sich Männer lieber mit statusgeringeren Frauen zusammen, von denen sie mehr bewundert als gefordert werden.
Der Pfleger will die Chefärztin nicht
mm.de: Der Chefarzt heiratet die Krankenschwester, aber die Chefärztin will keinen Pfleger heiraten.
Kuenzle: Und er sie auch nicht. Die Alternative, einen statusschwächeren Partner zu nehmen, ist in unserem gesellschaftlichen Koordinatensystem für Frauen im Allgemeinen nicht vorgesehen. Aber es gibt natürlich auch andere Gründe, die es Frauen im Topmanagement privat schwer machen.
mm.de: Welche?
Kuenzle: Beim Aufstieg in Spitzenpositionen müssen Frauen nach wie vor mehr leisten und mehr Hindernisse überwinden als Männer. Dadurch ist die Berufsorientierung bei den Frauen oft noch höher als bei den Männern. Um im Wettbewerb um Positionen bestehen zu können, sehen Frauen oft keine andere Lösung, als sieben Tage die Woche alles für den Job zu geben. Wenn sich dann Beziehungsprobleme einstellen, beginnt oft ein Teufelskreis: Der Einsatz für den Job wird noch gesteigert, weil die Beziehung zur "Liebesbeschaffung" nicht mehr taugt. Das verschlechtert die Beziehung weiter, und irgendwann ist es dann eben vorbei.
mm.de: Welche Schlüsse ziehen Sie aus der Malaise? Wie könnten erfolgreiche Frauen ihr privates Glück retten?
Kuenzle: Vor allem, indem sie ihren "Managerinnenhabitus" nicht mit nach Hause nehmen. Durchsetzungsstärke wird im Job erwartet, im Privaten wird sie oft als Rücksichtslosigkeit empfunden. Wettbewerbsdenken ist Voraussetzung für Erfolg, in der Liebe wirkt es destruktiv. Das Managergehabe abzulegen, rate ich übrigens auch meinen männlichen Klienten: Denn natürlich wirkt es sich auch auf deren Ehen nachteilig aus, wenn der beruflich allgewaltige Gatte am Freitagabend nach Hause kommt und erwartet, dass die Familie in Bewunderung strammsteht.
mm.de: Liebe braucht Zeit füreinander. Zeit haben Manager aber eigentlich nie.
Kuenzle: Weil sie dem Job, außer in akuten Krisensituationen, immer Priorität einräumen. Auch das ist ein Riesenfehler: Wochenenden werden zum Abarbeiten von Unerledigtem genutzt, für Weiterbildungs-Workshops oder berufliches Networking. Eine Beziehung braucht aber unstrukturierte Zeit, damit sich Gespräche über Gefühle entwickeln können. Diese Zeit müssen Karrierepartner sich nehmen. Ich persönlich würde mich überdies freuen, wenn es mehr Frauen und Männern gelänge, sich aus dem alten Rollendenken zu lösen, und demzufolge Männer in privaten Verbindungen nicht zwangsläufig der statusstärkere Partner sein müssten, sondern eine gleichberechtigte, gleichgestellte Partnerschaft leben könnten.
mm.de: Warum?
Kuenzle: Weil sich für Frauen durch diesen Versuch, die traditionelle Rollenverteilung wiederherzustellen - die sie im Beruf ja gerade ablegen wollen - die verfügbare Auswahl an Partnern stark einschränkt, und sich Männer immer in der Rolle der allzeit funktionierenden Versorgers bewähren müssen. Das ist für beide nicht fair. In einer Zeit wie dieser, in der lebenslange Karrieren auch für Männer längst nicht mehr garantiert sind, ist dieses starre private Rollendenken eigentlich überholt.