Freispruch Utz Claassen siegt vor dem BGH
Karlsruhe - Zwar attestierte Staatsanwalt Ralph Heine dem Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom November 2007 einen "fehlerhaften rechtlichen Maßstab". In einer "Gesamtwürdigung" sei der damalige Freispruch des Ex-Managers des Energiekonzerns aus Mangel an Beweisen jedoch nicht zu beanstanden, sagte Heine am Dienstag. Er beantragte, die Revision der Staatsanwaltschaft Karlsruhe zu verwerfen. Der 1. Strafsenat wollte noch am Nachmittag (13.30 Uhr) seine Entscheidung verkünden.
Das Landgericht Karlsruhe hatte den heute 45-jährigen Claassen im November 2007 von sämtlichen Bestechungsvorwürfen freigesprochen. Das Gericht sah es nicht als erwiesen an, dass er sich mit der Versendung von Ticket-Gutscheinen für die Fußballweltmeisterschaft 2006 an hochrangige Politiker der Vorteilsgewährung schuldig gemacht hat.
Mit Claassens Weihnachtspost waren am 22. Dezember 2005 Ticket-Gutscheine für jeweils ein Spiel der Fußball-WM unter anderem an sieben Politiker verschickt worden. Die Empfänger waren der baden-württembergische Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU), dessen Wirtschaftsminister Ernst Pfister (FDP), vier weitere Landesminister und der Staatssekretär im Bundesumweltministerium, Matthias Machnig.
Das Landgericht sah "gewichtige Umstände" dafür, dass der Angeklagte die Versendung der Gutscheine im Rahmen des Marketingkonzepts des WM-Hauptsponsors EnBW veranlasste - und nicht um die Dienstausübung der Amtsträger zu beeinflussen.
Aus Sicht der Bundesanwaltschaft hat das Landgericht zwar einen falschen rechtlichen Maßstab angewandt. "Die rechtlichen Erwägungen für den Freispruch versagen allesamt", sagte der Vertreter der Bundesanwaltschaft. Da aber die Beweiswürdigung unter Abwägung "aller Umstände" vertretbar sei, müsse der Freispruch Bestand haben.
Die Annahme, dass die Gutscheine keine Vorteile gewesen seien, sei zwar fehlerhaft, betonte die Bundesanwaltschaft. Es sei auch unzulässig, damit zu argumentieren, dass die begünstigten Regierungsmitglieder sowieso anderweitig freien Eintritt in das WM-Stadion in Stuttgart gehabt hätten. Dass das Landgericht aber ein vorsätzliches Handeln Claassens und damit eine "Unrechtsvereinbarung" verneint habe, sei dagegen "vertretbar".
Allerdings hielt Heine - entgegen der Ansicht des Landgerichts - daran fest, dass solche Einladungen prinzipiell als strafrechtlich relevanter "Vorteil" einzustufen seien. Das gelte auch, obwohl die Mitglieder der Landesregierung über das Kartenkontingent des Landes ohnehin freien Zutritt gehabt hätten. Bei Machnig sei es außerdem nicht klar gewesen, dass er sonst ebenfalls eine Freikarte erhalten hätte. Damit machte Heine deutlich, dass das Thema Sponsoring nicht generell von der Korruptionsstrafbarkeit ausgenommen sein soll.
Claassens Verteidiger Steffen Stern kritisierte die Formulierung des einschlägigen Paragrafen 333 Strafgesetzbuch (Vorteilsgewährung) als zu weitgehend. Sie lade regelrecht zu solchen Anklagen ein. Die Eintrittskarten hätten für die Politiker kein "Verlockungspotenzial". EnBW hatte die WM mit zwölf Millionen Euro gesponsert und weitere zwölf Millionen für die Umsetzung des Sponsoringkonzepts ausgegeben.
manager-magazin.de mit Material von dpa und ddp