Business in Malaysia "Gesicht wahren ist das A und O"
mm.de: Herr Schwarz, was haben Sie gerade gegessen?
Schwarz: Bah kuh teh, das ist Schweinemagensuppe. Der Magen wird kleingehackt, wie Geschnetzeltes, wird dann zusammen mit Pilzen und anderen Zutaten in einer Suppe gekocht und schmeckt wirklich gut.
mm.de: Sind Ihnen schon Mahlzeiten begegnet, die Sie irritierend fanden, Augen in Gelee oder gewickelte Gänsefüße etwa?
Schwarz: Bisher nicht. Das Essen in Malaysia ist nicht so ungewöhnlich, wie manche denken mögen. Durian ist etwas gewöhnungsbedürftig, das ist diese stachelige Frucht, die sehr streng riecht wenn sie geöffnet wird, dafür aber sehr gut schmeckt. Aufgrund des starken Geruchs gibt es hier auch ein Durian-Verbot in Hotels und anderen Gebäuden. Ansonsten ist die Küche hier indisch, malaiisch und chinesisch geprägt. Es ist eine sehr multikulturelle Küche. Was mir aufgefallen ist: Die Malaien zerhacken immer alles, auch mit Knochen. Selbst Hühnchen. Das kennen wir filetverwöhnten Deutschen gar nicht.
mm.de: Das Essen ist nicht zu scharf?
Schwarz: Doch, aber das stört nicht. Häufig ist hier der kleine grüne Chili dran, der wesentlich schärfer ist als der Rote. Deswegen bekommt man auch keine Magenverstimmungen. Chili hilft, das können Sie mir glauben.
mm.de: Aber Alkohol gibts nicht?
Schwarz: Trotz religiöser Einschränkungen gibt es Alkohol. In fast allen Restaurants wird Bier ausgeschenkt. Allerdings: Bis Ende September war Ramadan, da sind die Restriktionen deutlich zu spüren. Tagsüber essen die muslimisch gläubigen Malaien nichts. Erst wieder ab dem Abend wird gegessen, dann aber umso mehr.
mm.de: Nur privat oder auch öffentlich?
Schwarz: Nein, da werden richtige Feste gefeiert, öffentliche und private. Man lädt sich gegenseitig ein, isst und trinkt und feiert. Das sind richtig große Veranstaltungen. Viele Menschen nehmen im Ramadan sogar zu, obwohl es eigentlich der Fastenmonat ist.
mm.de: Wie erleben Sie Malaysia?
Schwarz: Insgesamt sehr positiv. Ich empfinde das hier als ein sehr offenes und sehr freundliches Land. Es gibt hier extreme kulturelle Unterschiede, man begegnet vielen Chinesen, Indern und den Malaien auch wir Europäer finden hier schnell persönliche Kontakte.
"Kinder spielen eine große Rolle"
mm.de: Wie begegnen Ihnen die Malaysier?
Schwarz: Sehr freundlich und vor allem sehr friedlich. Ich hatte bisher nie Angst, wenn ich nachts alleine unterwegs war - der Deutsche läuft ja gerne im Gegensatz zum Malaysier, der fährt lieber - und das war immer unproblematisch. Ich bin nie schräg angesprochen worden oder fühlte mich bedroht.
mm.de: Wie sollte man beschaffen sein, wenn man sich als deutscher Manager in Malaysia behaupten will?
Schwarz: Man sollte offen für die unterschiedlichen Kulturen sein - also für die malaiische, die chinesische und die indische - und man muss genau zuhören können. Hier kommuniziert niemand so direkt, wie man das aus Deutschland gewohnt ist. Vieles wird zwischen den Zeilen verborgen.
mm.de: Das klingt sehr theoretisch. Deswegen eine praktische Frage: Wie verläuft die Begrüßung zwischen Geschäftspartnern?
Schwarz: Unter Männern gibt man sich die Hand, Frauen begrüßt man nach alter malaiischer Tradition nicht. Zu starker Augenkontakt sollte insbesondere mit muslimisch gläubigen Malaysierinnen vermieden werden. Aber das ändert sich auch allmählich. Im Geschäftsleben sind auch die Malaysier zunehmend auf die westliche Kultur eingestellt.
mm.de: Kommt man danach gleich zur Sache oder wird erst Small Talk gemacht?
Schwarz: Erstmal redet man über die Familie, die Kinder, das Haus. In Malaysia ist es ganz wichtig, Vertrauen und Beziehungen aufzubauen, noch viel wichtiger als in Europa. Und Vertrauen schafft man nur, wenn man auch privat wird. Man muss echtes Interesse am Geschäftspartner zeigen. Kinder spielen eine ganz große Rolle.
mm.de: Was passiert, wenn man keine Kinder hat?
Schwarz: Man wird bedauert. Frauen noch viel mehr als Männer.
"Wenn der Chef zur Hochzeit geht"
mm.de: Wird man schnell nach Hause eingeladen oder braucht das seine Zeit?
Schwarz: Das kann durchaus sehr schnell passieren. Ein Kollege von mir ist zu einer Hochzeit eingeladen worden und wusste gar nicht, von wem. Dann stellte sich heraus, dass der Bräutigam der Bruder eines Mitarbeiters war. Für den Mitarbeiter spielte die Einladung eine große Rolle. Denn wenn der Chef zur Hochzeit seines Bruders geht, ist das ein Zeichen von Ehrerbietung und Wertschätzung, und das wiederum fördert eine größere Loyalität des Kollegen.
mm.de: Wäre es eine Beleidigung für den Mitarbeiter gewesen, wenn sein Chef nicht zur Hochzeit gegangen wäre?
Schwarz: Nein, eine Beleidigung per se ist das nicht. Man kann natürlich eine Ausrede erfinden und sagen, dass man schon einen anderen Termin hat. Aber wenn man solche Einladungen wahrnimmt, fördert das die Mitarbeiterbindung immens, und man kann die Wechselrate seiner Mitarbeiter drastisch zurückfahren. Ich persönlich würde natürlich auf der Hochzeit erscheinen.
mm.de: Muss man als Manager aufpassen, dass man seinen Status nicht verliert, wenn man auf einer Hochzeit erscheint und ausgelassen feiert?
Schwarz: Die Beziehung zwischen Mitarbeiter und Chef spielt eine ganz große Rolle und basiert in Malaysia auf dem Prinzip von Loyalität und Fürsorge. Der Mitarbeiter arbeitet - überspitzt formuliert - nicht für die Firma, sondern für den Chef persönlich.
mm.de: Welche Rolle hat denn der Chef dann? Ist er der treu sorgende Vater oder eine unantastbare Autorität?
Schwarz: Ich denke, eine Mischung aus beidem. Man muss Führungsqualitäten haben, aber sich auch darum kümmern, dass es den Leuten gut geht und dass sie mit allem versorgt sind, was sie brauchen.
"Gesicht verlieren: ganz schlecht"
mm.de: Sollte man sich mit den modernen Insignien der Macht schmücken?
Schwarz: Wie überall in Asien spielt auch in Malaysia die Stellung in der Gesellschaft ein sehr große Rolle. Da wird genau registriert: Was fährt man für ein Auto, was steht auf dem Nummernschild, vier Ziffern oder zwei oder sogar nur eine? Wer nur eine Ziffer auf dem Nummernschild hat, der ist was ganz besonderes. Das sind die Zahlen, die eigentlich der Königsfamilie vorbehalten sind, und wenn man solche Beziehungen hat, dann muss man selbst sehr bedeutend sein.
Und genau so verhält es sich auch bei der eingangs angesprochenen Hochzeit: Wenn der Chef seinem Mitarbeiter oder dem Bruder seines Mitarbeiters die Ehre erweist, an so einer Hochzeit teilzunehmen, zeigt er damit, wie hoch sein Mitarbeiter bei ihm im Kurs steht. Das stellt eine große Ehre für den Mitarbeiter dar und festigt wiederum die Beziehung zwischen Mitarbeiter und Chef. Und der Chef weiß, dass er auf diesen Mitarbeiter zählen kann, wenn er dessen Unterstützung benötigt.
mm.de: Belässt man es auf dieser Beziehungsebene bei den schönen Seiten des Lebens oder muss man auch die Sorgen seiner Mitarbeiter teilen?
Schwarz: Dass kommt vor, wird aber nicht so direkt angesprochen. Wenn ein Mitarbeiter familiäre Bedürfnisse hat, wird er nicht sagen: 'Hör mal zu, mein Sohn hat am Samstag Geburtstag, ich kann am Wochenende nicht arbeiten', sondern das wird dann auf asiatische Art verpackt.
mm.de: Und wie klingt das dann?
Schwarz: Wenn der Chef fragt: 'Können Sie am Samstag?', wird die Antwort lauten: 'Ich könnte schon ' Dann erwidert der Chef: 'Na, dann können Sie ja kommen:' Darauf der Mitarbeiter: 'Dieser Samstag ist für mich ein ganz besonderer Tag.' Dann der Chef. 'Wieso, was ist denn da?', und erst dann sagt der Mitarbeiter: 'Mein Sohn hat Geburtstag', und der Chef wird sagen: 'Na, dann feiern Sie mal schön.' Damit ist das Gespräch beendet.
mm.de: Es ist also ganz wichtig, dass niemand eine Schwäche zeigt oder sein Gesicht verliert?
Schwarz: Sein Gesicht zu wahren, ist in Malaysia das A und O, wie überall in Asien. Gesicht verlieren: ganz schlecht. Die Kommunikation ist deswegen oft sehr indirekt.
"Wechseln, wenn die Fürsorge größer ist"
mm.de: Dann kommt man mit direkten Anweisungen nicht weit. Hilft Bitte und Danke?
Schwarz: Höflichkeit ist nie schlecht, aber noch hilfreicher ist es, seine Mitarbeiter auf der Beziehungsebene anzusprechen. Wenn man den Kollegen oder Mitarbeiter bittet, einem persönlich zu helfen, kommt man viel weiter, als wenn man eine Arbeitsanweisung in höfliche Worte verpackt. So ist es nicht klug zu sagen: Sie müssen mehr Umsatz machen, damit die Firma nicht pleite geht und Sie ihren Arbeitsplatz verlieren. Klüger ist es zu sagen: Ich habe eine große Aufgabe vor mir, bitte helfen Sie mir, diese zu erfüllen.
mm.de: Und wenn man sagt: Wenn das nicht passiert, werde ich gefeuert?
Schwarz: Dann hat man sein Gesicht verloren und am nächsten Tag ist der Mitarbeiter krank - das passiert hier ganz schnell.
mm.de: Wird viel krank gefeiert?
Schwarz: Da hebt sich Malaysia nicht besonders von Europa ab. Aber ich glaube gelesen zu haben, dass die Krankenstände auch hier insgesamt sinken.
mm.de: Wie hoch ist die Wechselbereitschaft der Mitarbeiter?
Schwarz: Sehr hoch.
mm.de: Woran liegt das?
Schwarz: Wenn andere Arbeitgeber mehr bieten, dann ist der Mitarbeiter ganz schnell weg. Dann ist die Fürsorge des neuen Chefs größer als die des alten. Es geht aber neben dem Gehalt noch um andere Leistungen. Dazu zählen medizinische Versorgung, Fahrtgeld, Fortbildung und so weiter.
mm.de: Und wie kann man dann die Mitarbeiter halten?
Schwarz: Indem man sich um sie kümmert, fördert und natürlich auch ihre Leistungen marktüblich vergütet.
Erst mal essen: Tipps für den malaysischen Alltag