Business in Australien "Die Chefs wollen gerne Deutsche"
mm.de: Wie bewerten Sie die aktuelle wirtschaftliche Situation in Australien?
Gerboth: Der australischen Wirtschaft geht es relativ gut, meiner Meinung nach besser als den meisten Volkswirtschaften der westlichen Welt. Dazu hat natürlich größtenteils der anhaltende Rohstoffboom beigetragen.
mm.de: Wie schätzen Sie die Chancen für Deutsche ein, die in Australien Business machen wollen?
Gerboth: Viele Deutsche vergessen, dass Sie in einem anderen Land Ausländer sind und sich an dessen Gepflogenheiten anpassen müssen. Dies trifft insbesondere auf die Sprache zu. Leider werden die eigenen Sprachfähigkeiten von etlichen Deutschen überschätzt. Das ist ein Manko.
mm.de: Trifft das auf die Greenhorns zu oder auch auf gestandene Manager?
Gerboth: Sowohl als auch. Generell sind Australier sehr tolerant gegenüber Nicht-Muttersprachlern und auch bereit, sich mit Händen und Füßen zu verständigen. Das gilt aber eher für den Privatbereich und für Touristen. Manager und leitende Angestellte sollten dagegen das nötige Business- und Fachenglisch beherrschen. Wenn sie das nicht tun, werden sie häufig nicht ernst genommen.
mm.de: Betrifft dieses Problem nur den Mittelstand oder auch große Konzerne?
Gerboth: Große Konzerne haben meistens Exportmitarbeiter, die perfekt Englisch sprechen. Aber im Mittelstand wird dieses Problem häufig unterschätzt.
mm.de: Verhandeln australische Manager mit ihren deutschen Geschäftspartnern auf Augenhöhe?
Gerboth: Grundsätzlich ist der Ton ein freundlicher. Nach 14 Jahren Geschäftstätigkeit dort empfinde ich den Umgang immer noch als tolerant und grundsätzlich wohlwollend. In Verhandlungen kann man relativ schnell zum Kern der Sache kommen. In Australien ist man eher lösungs- als problemorientiert, daran gewöhnt man sich als Deutscher gern. Es wird nicht lange lamentiert, sondern nach der pragmatischsten Lösung gesucht. Auch zeitraubende Sitzungen sind verpönt.
Man versucht immer, das Beste aus der Situation zu machen. Wenn etwas einmal nicht klappt, ist das kein Drama. Dann versucht man, das nächste Projekt auf die Beine zu stellen. Es gibt auch weniger Schuldzuweisungen als in Deutschland. Man konzentriert sich weniger auf das, was nicht funktioniert, sondern auf das, was einen weiterbringt.
Atmosphärische Störungen
mm.de: Gibt es auch eine langfristige Planungssicherheit?
Gerboth: Es ist manchmal etwas schwierig, Dinge langfristig festzulegen. Die typisch deutsche generalstabsmäßige Planung, die über Monate alle Schritte und Abgabetermine en detail festhält ist nicht so gern gesehen. Andererseits können aber viele Dinge schnell und unkompliziert umgesetzt werden.
mm.de: Dann sollte man als deutscher Manager sein Team nicht mit dem Fünfjahresplan überfallen?
Gerboth: Das kann man sicherlich nicht generalisieren, da es in vielen investitionsgeprägten Geschäftsfeldern einfach notwendig ist. Die größere Gefahr ist, zu glauben, die Australier wären von ihrer Mentalität her wie die Deutschen, nur weil es Ähnlichkeiten im Aussehen gibt. Falls es dann zu atmosphärischen Störungen kommt, sollte man aber nicht davon ausgehen, dass der australische Geschäftspartner dies artikuliert. Man wundert sich stattdessen irgendwann, dass ein Geschäft nicht zustande kam.
mm.de: Ist es denn so, dass in Australien alles schnell passiert, weil die Mitarbeiter dann an den Strand wollen oder zur Familie oder in das Outback?
Gerboth: Eine ausgewogene Work-Life-Balance spielt in Australien eine große Rolle. Wenn einer täglich zwölf Stunden arbeitet, um seinen Job zu erledigen, gerät er eher in Verdacht, dass er zu langsam oder auch zu gewissenhaft ist. Man versucht, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren.
mm.de: Welchen Ruf haben Deutsche in Australien?
Gerboth: Ein australischer Headhunter sagte mir mal: Die Chefs wollen gerne Deutsche haben, weil sie pünktlich, gewissenhaft, verantwortungsvoll und fleißig sind - die Kollegen jedoch nicht so gerne, weil Deutsche die Preise verderben. Das Statement ist aber relativ alt, und ich denke auch nicht für das Management zutreffend. Hingegen hat "Made in Germany" in Australien nach wie vor eine hohe Reputation, insbesondere wenn es um technische Produkte geht.
Branchen mit Chancen
mm.de: Welche Branchen bieten die besten Chancen?
Gerboth: Australien ist ein Importland. Es gibt von allem im Überfluss und kaum ein Großunternehmen in dieser Welt, dessen Produkte in Down Under nicht vertreten wären. Man kann also, wenn man in Australien ein Business starten will, nur mit Nischenprodukten oder Dienstleistungen punkten.
mm.de: In welchen Branchen sollten die angesiedelt sein?
Gerboth: Auch bei den Australiern ist Deutschland neben dem Maschinenbau für seine Kompetenz im Bereich Medizintechnik bekannt. Im australischen Markt gibt es nach wie vor beste Chancen für deutsche Unternehmen mit guten, innovativen Technologieprodukten - insbesondere der Medizintechnik. Generell sind eher solche Produkte gefragt, die intelligent und gut einsetzbar sind und dem Anwender das Leben erleichtern, als solche mit Goldrand und Extraschnörkel.
mm.de: Gibt es auch im Arbeitsmarkt Nischen, wo Bedarf herrscht?
Gerboth: Ja, aber da ist die Situation wesentlich komplizierter. Das beste Beispiel ist hier etwa die Krankenschwester. Pflegepersonal wird in Australien händeringend gesucht. Das Problem ist nur: Deutsche Examen werden in Australien oft nicht ohne weiteres anerkannt. Die administrativen Abläufe etwa in den Krankenhäusern sind ganz anders. Ohne eine Zusatzausbildung kann eine Krankenschwester in Australien nicht arbeiten. Und um diese Ausbildung zu schaffen, muss ihr Englisch sehr gut sein und sie die englischen Fachbegriffe beherrschen.
mm.de: Gibt es noch andere Berufe, wo das so ist?
Gerboth: Viele Menschen, die im australischen Arbeitsmarkt ihr Glück versuchen, vergessen zu überprüfen, ob ihr Abschluss in Australien überhaupt anerkannt wird und ob die fachspezifische Vorgehensweise die gleiche ist. das trifft vor allem bei Handwerkern zu. Diese Fehleinschätzung kann sich als fataler Fehler erweisen.
mm.de: Welche Konkurrenzsituation erwartet Manager in Australien?
Gerboth: Das kommt neben den speziellen Branchengegebenheiten sicherlich darauf an, ob dieser Manager für einen etablierten Konzern arbeitet oder für einen Mittelständler, der sich noch behaupten muss. Das sind zwei grundsätzlich unterschiedliche Situationen.
Wie man Kunden gewinnt
mm.de: Gehen wir erst einmal davon aus, dass dieser Manager bei einem Konzern angestellt wird.
Gerboth: Dann wird es so sein, dass dieses Großunternehmen seit Jahrzehnten in Australien ansässig und etabliert ist. Dann erbt der Manager einen aufgeteilten Markt. Wenn er für einen ausländischen Konzern arbeitet, hat er sich in erster Linie um Vertriebs- und Servicetätigkeiten zu kümmern, da Strategie und Produktentwicklung im jeweiligen Heimatland erstellt werden.
mm.de: Und der Mittelständler?
Gerboth: Die Situation des Managers bei einem ausländischen Mittelständler ist völlig anders. Er findet einen Markt vor, der eher Platz für Nischenprodukte bietet, oder er kann mit seinen Produkten eine Zielgruppe ansprechen, die sich von den Konzernen nicht ausreichend gut betreut fühlt.
mm.de: Wie sollte ein Mittelständler bei einer Markteinführung vorgehen, damit er Erfolg hat?
Gerboth: Das Wichtigste ist, den Markt und seine Rahmenbedingungen vor jeglicher Investition in den Markteintritt ausreichend zu analysieren - durch das Unternehmen selbst oder einen im Markt ansässigen Dienstleister. Antworten zur Marktgröße, unter Umständen notwendiger Produktanpassung, tatsächlicher Wettbewerbssituation oder Markteintrittshemmnissen bestimmen die Chancen für einen Markteintritt, oder ob neben Umsatz auch Profit realisiert werden kann.
Außerdem müssen die rechtlichen Rahmenbedingungen geklärt werden. Notwendige Zulassungskosten und die Wahl der jeweiligen Zulassungsstrategie können erhebliche Auswirkungen auf den Zeitpunkt des Break-even haben.
mm.de: Gibt es weitere Hürden?
Gerboth: Es ist auf jeden Fall von Vorteil, wenn das Produkt schon in einem anderen englischsprachigen Markt positioniert wurde, sodass Referenzen vorliegen und übersetzte Anleitungen, Verpackungen und so fort übernommen werden können. Und zuletzt ist es auch wichtig, die internen Produktions- und Export-Kapazitäten vorzuhalten. Wer einen neu akquirierten australischen Kunden nicht termingerecht beliefern kann, ist ihn auch schnell wieder los.
mm.de: Wie gewinnt man Kunden?
Gerboth: Wichtig für die meisten mittelständischen Unternehmen ist es, den richtigen australischen Distributionspartner zu finden. Von Deutschland aus ist es aber nicht einfach, den besten aus dem großen Angebot an Distributoren herauszufiltern, vor allem wenn man bedenkt, dass die falsche Wahl den Markt für lange Zeit blockiert. Hierbei lässt man sich am besten von jemandem unterstützen, der den lokalen Markt kennt und über branchenrelevante Netzwerke verfügt.
Ratgeber: Fünf Tipps für den australischen Alltag